Landtagswahl 2021 Kenia-Koalition und Corona: Krisenfest oder fest verbandelt?

07. Juni 2020, 16:15 Uhr

Aktuelle Umfragen machen deutlich: Das Coronavirus verhilft den Regierungsparteien in Berlin und Magdeburg zu besseren Umfragewerten. Offenbar findet eine Mehrheit, dass Deutschland bislang gut durch die Krise gesteuert ist. Doch wie Börsenkurse sind Umfragen nur Momentaufnahmen – entscheidender ist der Trend. Uli Wittstock mit einer Einordnung.

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Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Gelegentlich lohnt sich ja ein Blick zurück, um klarer nach vorne schauen zu können. Anfang des Jahres, das Corona-Virus hielten wir da noch für ein chinesisches Problem, traf sich die SPD in Aschersleben zu ihrem Landesparteitag. Hinter den Sozialdemokraten lagen harte Monate der Diskussion, sowohl in Berlin als auch in Magdeburg.

Der Koalitionspartner CDU nehme der SPD die Luft zum Atmen, so ließe sich wohl jene Grundstimmung beschreiben, die auch auf dem Aschersleber Parteitag nicht zu überhören war. Folgte man etwa den Ausführungen von SPD-Fraktionschefin Katja Pähle, dann hätte man den Eindruck gewinnen könne, die SPD sei bereits in der Opposition, denn wie Pähle verbal auf den Koalitionspartner CDU einschlug, war schon ungewöhnlich scharf.

Gehörte es dagegen lange Zeit zum sozialdemokratischen Selbstverständnis, kritische Worte auch in Richtung Linkspartei zu schicken, so blieben diese in Aschersleben aus. Stattdessen war als Gast Linken-Landeschef Stefan Gebhardt zugegen. Um dem politischen "Würgegriff" der CDU zu entkommen, denkt man in Sachsen-Anhalts SPD ja schon länger über eine linke Alternative nach.

Lagerwahlkämpfe werden nicht funktionieren

Doch die aktuelle MDR-Umfrage zeigt, dass ein Lagerwahlkampf für die SPD nicht sonderlich förderlich sein dürfte. Denn von einer rot-rot-grünen Mehrheit ist Sachsen-Anhalt derzeit ziemlich weit entfernt. Zumal im Personaltableau des linken Lagers bislang niemand aufscheint, um mit einem überzeugenden Auftritt als Spitzenkandidat oder auch als Spitzenkandidatin, das politische Ruder im Land herumzureißen.

Zwar hat sich nach den aktuellen Zahlen die SPD von ihrer befürchteten Einstelligkeit wieder entfernt, auch die Grünen konnten sich von der Fünf-Prozent-Hürde deutlich absetzen. Doch von Thüringer Verhältnissen ist man hierzulande deutlich entfernt, da die Linkspartei als großer Mehrheitsbeschaffer fehlt.

Sicherlich hat sich der Abstand zwischen den Linken und der AfD verkürzt. Doch vom Stimmenverlust am rechten Rand kann die Linkspartei nicht profitieren. Die Hoffnung der Linken – nämlich jene enttäuschten Wähler zurückzugewinnen, die sie an die AfD verloren haben – scheint bislang nicht aufzugehen. Allerdings ist es in Krisenzeiten ohnehin schwer, sich als Oppositionspartei mit einem eigenen politischen Profil zu positionieren, vor allem dann, wenn man grundsätzlich die Entscheidungen der Regierung mit trägt.

Die AfD in der Wahrnehmungsfalle

Dies spürte auch die AfD in den ersten Wochen der Corona-Krise, in denen der Landtag in Windeseile Hilfspakete auf den Weg brachte, um die Wirtschaft vor den schlimmsten Folgen des Lockdowns zu bewahren. Erschwerend kam für die Partei hinzu, dass die Kernthemen der AfD in Corona-Zeiten deutlich an Relevanz verloren. Debatten über Zuwanderung und nationale Identität wirkten vor einem möglichen weltweiten medizinischen und wirtschaftlichen Kollaps plötzlich als ein Luxusproblem. Und so brauchte die AfD einige Wochen, um sich politisch neu zu justieren.

Der Sachsen-Anhalt-Wahl im nächsten Jahr kommt ja aus Sicht der AfD eine zentrale Bedeutung zu. Denn hier soll nun das gelingen, was in Erfurt mit lautem Krach scheiterte, nämlich die Einbindung der AfD in die Regierungsarbeit – und sei es in Form der Duldung einer CDU-Minderheitsregierung.

AfD wirbt um Krisenverlierer

Dazu allerdings müsste die AfD ihr Umfragetief verlassen. Ein Ziel, an dem die Partei derzeit arbeitet. Vor wenigen Wochen verschickte die Partei einen Brief an alle Unternehmer des Landes und sicherte diesen ihre Unterstützung zu, beim Kampf gegen die Corona-Beschränkungen. Zudem zeigen sich verstärkt AfD-Vertreter bei den Protesten gegen die Pandemie-Verordnungen der Landesregierung.

Dass diese Krise auch Verlierer haben wird, davon ist auszugehen. Und die AfD ist frühzeitig gestartet, um dieses Wählerpotenzial für sich zu erschließen. Zwar sind die parteiinternen Querelen nicht bereinigt, die unlängst im Parteiausschluss des Brandenburger AfD-Landeschefs Kalbitz gipfelten. Doch dass die Partei sich darüber in einen Ost- und in einen Westflügel spaltet, ist wohl nicht zu erwarten, denn dafür steht für die inzwischen zahlreichen Mandatsträger der Partei zu viel auf dem Spiel.

Zwischenhoch für die CDU

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gehört inzwischen zu den drei beliebtesten Ministerpräsidenten in Deutschland. Und man muss ihm zugute halten, dass er in der Krise einer der ersten war, der darauf verwies, dass die Pandemie in Deutschland doch sehr unterschiedliche Verläufe zeigt. Sachsen-Anhalter fahren eben seltener in den Skiurlaub, feiern wegen der protestantischen Tradition weniger Fasching und leben zu großen Teilen in Regionen, in denen die Ansteckungsgefahr mangels Mitbürgern ohnehin geringer ist.

Als Stimme des Ostens in der bundesdeutschen Debatte hat Haseloff durchaus zu überzeugen gewusst. Allerdings dürfte es auch der Amtsbonus sein, der ihm nun in der Krise die guten Werte beschert. Angesichts der anstehenden Probleme ist es aber fraglich, ob die Christdemokraten diesen Vertrauensvorschuss langfristig konservieren können. Denn noch ist ja nicht klar, wie viele Einzelhändler, Gastronomen und Gewerbetreibende in der Lage sein werden, den Einnahmeausfall der letzten Monate zu kompensieren. Und erst wenn die Kurzarbeiterregelung ausläuft, wird sich zeigen, wie stark der Arbeitsmarkt betroffen ist.

Die ohnehin finanziell klammen Kommunen rechnen jedenfalls mit erheblich weniger Steuereinnahmen. Insbesondere jene Regionen dürfte es treffen, die durch die demographische Entwicklung bereits jetzt in ihren Chancen beschnitten sind. Denn nach den großen Finanzhilfen stehen in einem nächsten Schritt dann große Sparrunden an. All dies macht das Regieren nicht leichter.

Schwarz-Rot-Grün ohne Alternative?

Selbst das derzeitige Stimmungshoch zeigt, dass in Sachsen-Anhalt auf absehbare Zeit keine Koalition aus nur zwei Parteien möglich sein wird, sofern die AfD in der Opposition verbleibt. Die Kenia-Koalition, die 2016 noch als Nothochzeit galt, um das Land regierungsfähig zu halten, könnte also im kommenden Jahr eine Neuauflage erleben. Sowohl für Wahlkämpfer wie auch für Wahlbürger ist das eine ziemlich unbefriedigende Aussicht, denn bis zum Ausbruch der Corona-Krise stand ja diese Landesregierung mehrfach auf der Kippe.

Doch mit Blick auf unser Nachbarland Thüringen wird klar, das jene Chaostage im Erfurter Parlament das Interesse an politischen Experimenten im Magdeburger Landtag gedämpft haben dürften, das zumindest ist der Befund für die gegenwärtige Situation. Ob man sich nach der Landtagswahl in einem Jahr daran noch erinnern wird, ist allerdings nicht ausgemacht.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Über den Autor Geboren ist Uli Wittstock 1962 in Lutherstadt Wittenberg, aufgewachsen in Magdeburg. Nach dem Abitur hat er einen dreijährigen Ausflug ins Herz des Proletariats unternommen: Arbeit als Stahlschmelzer im VEB Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Anschließend studierte er evangelische Theologie. Nach der Wende hat er sich dem Journalismus zugewendet und ist seit 1992 beim MDR-Hörfunk. 2016 erschien sein Roman "Weißes Rauschen oder die sieben Tage von Bardorf" im Mitteldeutschen Verlag Halle.

Quelle: MDR/mh

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 06. Juni 2020 | 12:00 Uhr

1 Kommentar

Dan am 07.06.2020

Meiner Meinung nach lassen sich SPD und erst recht die CDU ständig zu stark von den Grünen unter Druck setzen! Die Grünen sollten mal daran denken mit wieviel Prozent sie überhaupt vertreten sind in der Regierung! Es haben nur zu viele Angst beim nächsten mal ihre Posten zu verlieren wenn die Grünen dann mehr Prozente haben.

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