Wahlergebnisse Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt: Alle Stimmen ausgezählt, AfD vorn
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11. Juni 2024, 10:15 Uhr
Bei der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt ist am 9. Juni 2024 die AfD stärkste Kraft geworden. Das zeigen vorläufige Zahlen. Auf Platz zwei liegt die CDU, die in einigen Kreisen stärkste Kraft geworden ist. Inzwischen sind alle Wahlbezirke ausgezählt, allerdings noch nicht komplett beim Statistischen Landesamt erfasst.
- Bei der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt sind alle Wahlbezirke auf Kreisebene ausgezählt worden.
- Die AfD hat bei den kommunalen Vertretungen die meisten Stimmen geholt. Die Parteien beginnen nun damit, die Wahlergebnisse auszuwerten.
- Insgesamt waren am Sonntag rund 1,8 Millionen Menschen aufgerufen, neu über mehr als 11.000 Sitze zu entscheiden.
Die Stimmen der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt sind am Montagabend ausgezählt. Nach aktuellem Stand ist die AfD deutliche Gewinnerin der Wahl, ähnlich wie bei der Europawahl in Sachsen-Anhalt. Das zeigen die Ergebnisse, die bislang bekannt gegeben wurden. Ergebnisse für drei Wahlbezirke im Saalekreis stehen zwar am Dienstag bei den Daten der Landeswahlleiterin aus, sind aber nach Angaben des Saalekreises bereits ausgezählt. Auf sie war am Dienstag noch gewartet worden, alle anderen Ergebnisse lagen bereits vor.
Betrachtet man nun, Stand Dienstagmorgen, 9 Uhr, die landesweit ausgezählten Stimmen, kam die in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei auf einen Wert von 28,1 Prozent. Auf die CDU entfielen 26,7 Prozent.
Die SPD liegt demnach bei 11,9, die Linke bei 8,3 Prozent. Grüne und FDP kommen auf 4,5 beziehungsweise 3,4 Prozent. Es geht dabei um die Kreistage in den Landkreisen beziehungsweise um die Stadträte der drei kreisfreien Städte.
AfD bei Kommunalwahl zwischen 15 und 45 Prozent
Verdeutlicht werden die landesweiten Ergebnisse bei einem Blick in die vorläufigen Endergebnisse der Kreistagswahlen: Dort konnte die AfD beispielsweise in Mansfeld-Südharz einen deutlichen Sieg verbuchen, liegt zehn Prozentpunkte vor der zweitstärksten Kraft CDU. In der Gemeinde Schnaudertal im Burgenlandkreis erreichte die AfD mit 45,2 Prozent der Stimmen landesweit das höchste Ergebnis. Die wenigsten Stimmen bekam die AfD mit 15,4 Prozent in Ilsenburg im Landkreis Harz.
Die CDU erreichte ihren höchsten Wert in Harzgerode im Harz mit 54,3 Prozent, den niedrigsten in Blankenheim im Kreis Mansfeld-Südharz (8,7 Prozent). Die SPD kam in Harbke in der Börde auf ihren höchsten Wert (42,5 Prozent), in der Stadt Südliches Anhalt auf den niedrigsten (2,1 Prozent). Die Grünen erzielten in Halle einen Höchstwert von 11,4 Prozent, den niedrigsten in Wimmelburg im Kreis Mansfeld-Südharz (0,3 Prozent). Die FDP ereichte ihr höchstes Wahlergebnis in Könnern im Salzlandkreis (18,8 Prozent), das geringste in Harbke (0,2 Prozent). Die Linke kam in Köthen im Kreis Anhalt-Bitterfeld auf ihr höchstes Ergebnis (21,7 Prozent), in Schönburg im Burgenlandkreis auf das niedrigste (1,4 Prozent).
So reagieren die Parteien auf die Wahl
Der Landesvorsitzende der AfD, Martin Reichardt, blickte im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT am Montag auf die Landtagswahl im übernächsten Jahr: "Wir werden hier stärkste Kraft werden." Zudem sehe er seine Partei für die Landtagswahl in Thüringen, Brandenburg und Sachsen gestärkt.
Der CDU-Landesvorsitzende Sven Schulze sagte, das Ergebnis seiner Partei bei den Wahlen sei Bestätigung und Warnung zugleich: "Es bedeutet, wir müssen sehr hart kämpfen um jede Wählerstimme." Bei den politischen Mitbewerbern könne man erleben, wie schnell man abrutschen kann, wenn man schlechte Politik mache. Die CDU Sachsen-Anhalt wolle deshalb ihren Kurs in der Landesregierung weiterfahren.
Bei der SPD geht man davon aus, dass die Wähler bei Europa- und Kommunalwahl stark auf die Bundespolitik geblickt haben. "In der Ampel muss jetzt vieles anders werden", sagte Sachsen-Anhalts Co-Vorsitzender, Andreas Schmidt, MDR SACHSEN-ANHALT am Montag. Probleme sehe er vor allem bei den Koalitionspartnern.
Die Grünen zeigten sich enttäuscht über die Ergebnisse. Der Co-Landesvorsitzende und Sprecher für Europa-Politik, Dennis Helmich, erklärte, man wolle das Ergebnis mit dem Bundesverband aufarbeiten.
Die FDP-Landesvorsitzende Lydia Hüskens sagte, vor allem die unterschiedlichen Ergebnisse ihrer Partei in Ost und West müssten im Präsidium besprochen werden.
Auch im Stadtrat von Dessau-Roßlau stellt die AfD künftig die stärkste Kraft, erzielt dort 25,5 Prozent. An zweiter Stelle auch hier: die CDU. Ohnehin hatten sich überall im Land CDU und AfD ein Rennen um den ersten Platz geliefert, in Magdeburg mit einem besseren Ergebnis für die CDU. Auch im Burgenlandkreis lag die CDU nach langem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD am Ende vorn.
Rechtsextremismus-Experte Begrich: Wählerschaft der AfD differenzieren
Der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man müsse die Wählerschaft differenzieren: Es gebe einen Kern, der die AfD wähle, weil er mit deren Inhalten übereinstimme. Die zweite Wählergruppe habe den Eindruck, dass sie ihre politische Vertretung nicht adressieren könne. Da müsse diskutiert werden, warum sie ausgerechnet der AfD ihre Stimme gegeben habe.
Begrich befürchtet, dass das gesellschaftliche Klima im Land durch die Europa- und Kommunalwahl rauer wird. "Deshalb muss auch eine neue Diskussion her, wie wir Solidarität und Zusammenhalt in der Gesellschaft so organisieren, dass alle mitgenommen werden und niemand – und da gerade die Schwächeren – aus dem Blick gerät", sagte Begrich.
Wirtschaftsexperte: "Internationale Kooperation wichtige ökonomische Kraft"
Der Wirtschaftsexperte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) denkt, dass sich der Wahlerfolg der AfD auf die Wirtschaft im Land auswirken könnte. Das sagte er MDR SACHSEN-ANHALT. Wichtig für eine erfolgreiche Volkswirtschaft sei die internationale Zusammenarbeit, so Holtemöller: "Die empirische Forschung ist da eindeutig: Die internationale Arbeitsteilung und die internationale Kooperation sind eine wichtige ökonomische Kraft, auf die wir auch in Zukunft setzen sollten."
Zuwanderung, so Holtemöller weiter, könne dazu beitragen, die demografischen Probleme vor allem in den ostdeutschen Flächenländern zu mildern. Voraussetzung sei jedoch eine gelingende Integration. Die Wahlergebnisse zeigten, dass die Menschen an diesem Gelingen Zweifel hätten.
Nach Auffassung Holtemöllers besteht die Gefahr, dass Kräfte an die Macht kommen, die das Rad eher zurückdrehen als die Zukunft gestalten wollen. Die Welt verändere sich aber: "Wir haben eine globale Erwärmung, wir haben Migration, die stattfindet." Diese Veränderungen müssten gestaltet werden. Dafür brauche es Vertrauen, das es zurückzugewinnen gelte.
1,8 Millionen Wahlberechtigte in Sachsen-Anhalt
Insgesamt waren am Sonntag nach Angaben von Landeswahlleiterin Christa Dieckmann 1,8 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Landesweit waren rund 720 Kreistags- und Stadtratssitze in kreisfreien Städten und etwa 4.400 Sitze in Gemeinderäten- und Verbandsgemeinderäten neu zu besetzen.
Zudem wurde über 6.000 Sitze in den Ortschaftsräten entschieden. Allein für die Kreistage der elf Landkreise und für die Stadträte der drei kreisfreien Städte Magdeburg, Dessau-Roßlau und Halle hatten sich laut Landeswahlleitung exakt 3.998 Kandidaten beworben. Dazu kamen die Bewerber für Gemeinde- und Ortschaftsräte. Die älteste Bewerberin war 89 Jahre alt, die jüngsten 18.
Vollständige Wahlergebnisse erst im Laufe der Woche
Doch bis alle Ergebnisse vorliegen, wird es dauern: Vom Statistischen Landesamt hieß es schon vor dem Wahlsonntag, mit landesweiten Ergebnissen für die Gemeinderäte werde erst im Laufe dieser Woche gerechnet.
Insgesamt waren 25 Parteien für die Kommunalwahl zugelassen. Das hatte der Landeswahlausschuss im März entschieden. Das sind zehn Parteien mehr als bei der Kommunalwahl 2019.
Liste der zugelassenen Parteien
- Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
- Alternative für Deutschland (AfD)
- DIE LINKE (DIE LINKE)
- Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
- Freie Demokratische Partei (FDP)
- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE)
- FREIE WÄHLER (FREIE WÄHLER)
- Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis)
- PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ (Tierschutzpartei)
- Gartenpartei (Gartenpartei)
- Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)
- Aktion Partei für Tierschutz – TIERSCHUTZ hier! (TIERSCHUTZ hier!)
- Allianz für Menschenrechte, Tier- und Naturschutz (Tierschutzallianz)
- Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung
- Piratenpartei Deutschland (PIRATEN)
- Die Heimat (HEIMAT)
- WiR2020 (WiR2020)
- Freie Bürger Mitteldeutschland (FBM)
- Partei der Humanisten (PdH)
- Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)
- Klimaliste Sachsen-Anhalt (Klimaliste ST)
- Wir Bürger (Wir Bürger)
- Volt Deutschland (Volt)
- Die Urbane. Eine HipHop Partei (du.)
- Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)
Was bedeuten die Wahlergebnisse für Mitteldeutschland? Darüber hat am Abend nach der Wahl die Runde bei "Fakt ist!" diskutiert:
dpa, MDR (Kalina Bunk, Jochen Müller, Stephan Schulz, Luca Deutschländer, Maren Wilczek, Sören Thümler, Marcel Knop-Schieback, Julia Heundorf) | Erstmals veröffentlicht am 05.06.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. Juni 2024 | 19:00 Uhr