BürgerbeteiligungWo in Sachsen-Anhalt direkte Demokratie und Teilhabe möglich sind
Mit dem Klimarat in Osterburg in der Altmark hat die Kommune als erste in Deutschland eine Möglichkeit für Bürger geschaffen, direkt über politische Maßnahmen zu entscheiden. Neben Bürgerräten gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie sich Bürgerinnen und Bürger direkt oder beratend an politischen Entscheidungen beteiligen können. Wir geben einen Überblick.
Inhalt des Artikels:
- Bürgerrat Osterburg
- Zahlen und Fakten zu Bürgerentscheiden im Land
- Bürgerbudgets in Merseburg, Köthen, Bernburg, Schönebeck und Haldensleben
- Bürgerbeirat zum Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier
- Jugendforen als Form der Beteiligung von jungen Menschen
- Sachkundige Einwohner
- Beteiligungsportal Sachsen-Anhalt
Volksentscheide, Volksbegehren, Bürger -und Jugendräte oder Bürgerbudgets – die Möglichkeiten, wie Bürgerinnen und Bürger direkt an der Politik in Sachsen-Anhalt teilhaben können sind vielfältig. Ebenso die Themen, über die entschieden wird.
Bürgerrat Osterburg
Vorreiter ist dabei das altmärkische Osterburg. Die Kommune gibt als erste in Deutschand ihren Einwohnern mit einem Bürgerrat mit anschließendem Bürgerentscheid die Möglichkeit, selbst über ihr Verkehrskonzept zu entscheiden. Der Rat wird etwa 30 Mitglieder haben, ausgelost aus allen Einwohnern anhand der Melderegisterdaten. Ab dem kommendem Frühjar soll er seine Arbeit aufnehmen und Empfehlungen für die Osterburger Verkehrsplanung erarbeiten. Der Stadtrat beschließt dann aus den Empfehlungen heraus eine oder mehrere Abstimmungsfragen, über die beim Bürgerentscheid, der zu den Landtagswahlen 2026 laufen soll, entschieden wird.
In Osterburg gibt es seit längerem Versuche, die Menschen vor Ort mehr an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Etabliert bereits ein ehrenamtlicher Klimarat, ein Quartiersbeirat und ein Jugendparlament sind in Gründung, außerdem arbeitet im Rathaus jetzt eine hauptamtliche Kinder- und Jugendbeauftragte.
Zahlen und Fakten zu Bürgerentscheiden im Land
Eine weitere Möglichkeit der Teilhabe sind Bürgerbegehren. Der Verein "Mehr Demokratie", der sich laut eigener Aussage für mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung in Deutschland einsetzt, hat in einem Bericht Bürgerbegehren in Sachsen-Anhalt seit Juli 1994 erfasst. Demnach gab es davon bis zum Veröffentlichungsdatum Ende September 276 auf kommunaler Ebene, 190 davon mündeten in Bürgerentscheiden. 124 der knapp 280 Begehren haben Bürgerinnen und Bürger durch Unterschriftensammlungen initiiert, der Rest kam aus den Kommunalverwaltungen. Diese handelten laut dem Bericht fast alle von Gebietsreformen vor dem Jahr 2010.
Das bedeute im Schnitt neun Verfahren pro Jahr, ohne die Gebietsreformen nur drei. Gleichzeitig gelte dabei: je mehr Einwohner die Kommune hat, desto mehr Verfahren gibt es. Den Angaben nach haben bei den Verfahren knapp 60 Prozent der Berechtigten abgestimmt.
Aktuell wird in Dessau ein Bürgerentscheid zur geplanten Bundesgartenschau 2035 vorbereitet. Die Menschen in Staßfurt entschieden sich in diesem Jahr parallel zur Kommunal- und Europawahl dazu, dass ihre Stadt den Zusatz "Salzstadt" tragen soll.
Bürgerbudgets in Merseburg, Köthen, Bernburg, Schönebeck und Haldensleben
In einigen Kommunen in Sachsen-Anhalt dürfen die Bürgerinnen und Bürger aktiv über – zumeist kleine – Teile des Haushalts bestimmen. So sind in Merseburg im Oktober die Gewinner-Projekte des diesjährigen Bürgerbudgets gekürt worden. 70.000 Euro wurden darüber auf elf Projekte verteilt, etwa an die Jugendfeuerwehr. Die Menschen vor Ort stimmten dabei für ihre Favoriten ab.
Der Stadtrat in Köthen hat im April beschlossen, dass ab diesem Jahr jährlich 60.000 Euro über das Bürgerbudget verteilt werden können. Das Geld der ersten Ausgabe ging an acht Projekte.
Bürgerinnen und Bürger in Bernburg konnten in 2024 bereits zum zweiten Mal über das Bürgerbudget entscheiden. 40.000 Euro standen dafür bereit. Abgestimmt wurde am 14. September. Die Ergebnisse finden Sie hier.
Die Stadträte in Schönebeck beschlossen das Bürgerbudget im März. Es umfasst Mittel in Höhe von 20.000 Euro. Gemeindemitglieder ab dem Alter von 14 Jahren sind dazu aufgerufen, Vorschläge einzubringen. Im Anschluss wird darüber abgestimmt.
Was sind Bürgerbudgets?Über Bürgerbudgets können Einwohnerinnen und Einwohner einer Kommune selbst entscheiden welche Projekte in ihrem Ort unterstützt werden sollen. Die Kommune stellt dafür einen bestimmten Geldbetrag über ihren Haushalt bereit. Sie entscheidet über die Zulässigkeit der Finanzierungsvorschläge der . Über die zugelassenen Projekte entscheiden dann die Bürgerschaft bei einer öffentlichen Wahl.
Auch die Stadt Haldensleben hat ein Bürgerbudget. Hier können die Einwohnerinnen und Einwohner über 25.000 Euro bestimmen.
Bürgerbeirat zum Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier
Beteiligung ist nicht nur in einzelnen Kommunen möglich, sondern auch regional. Im November 2023 sind 20 Personen aus fünf Kreisen in Sachsen-Anhalt in den Bürgerbeirat gewählt worden, der sich mit Braunkohlegebieten beschäftigt. In nicht-öffentlichen Sitzungen werden exklusive Informationen geteilt, aufgrund derer der Beirat Empfehlungen für die weiteren Gremien erarbeitet. Eine direkte Entscheidungsgewalt über Maßnahmen besitzt der Beirat nicht.
Uwe Lummitsch von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Sachsen-Anhalt warnte zum Start des Beirats vor "Scheinpartizipation". Gleichzeitig zeige sich aber, dass die Entscheider die Interessen der Betroffenen wahrnähmen.
Jugendforen als Form der Beteiligung von jungen Menschen
Wahrgenommen werden wollen auch junge Menschen. Aus diesem Grund hatten Kinder und Jugendliche im Altmarkkreis Salzwedel im Oktober die Möglichkeit, bei verschiedenen Terminen an Jugendforen teilzunehmen. Dabei haben sie konkrete Maßnahmen und Forderungen entwickelt, etwa einen besseren öffentlichen Nahverkehr auf dem Land. Vorgestellt wurden die Ideen Kommunalpolitikern, die zusicherten, die Projekte im nächsten Jahr angehen zu wollen und Mittel dafür bereit zu stellen. Die Kids durften also nicht über ein eigenes Budget entscheiden.
Seit dem Jahr 2020 ist in Magdeburg ein Beteilgungskonzept für Kinder und Jugendliche aktiv. Laut Verwaltung dient es dazu, die jungen Menschen bei Entscheidungen, die sie betreffen, zu beteiligen. Zudem sollen Fachkräfte durch das Konzept sensibilisiert werden.
Die Kommune bezieht sich dabei auf den 2018 neu formulierten Paragraph 80 im Kommunalverfassungsgesetz Sachsen-Anhalts. Dort steht: "Die Kommunen sollen Kinder und Jugendliche, Senioren, Menschen mit Behinderungen, Zuwanderer und andere gesellschaftlich bedeutsame Gruppen bei Planungen und Vorhaben, die deren spezifische Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen."
Vereine wie der Landesjugendring Sachsen-Anhalt und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern seit langem, junge Menschen mehr an politischen Entscheidungen mitarbeiten zu lassen.
Sachkundige Einwohner
Mitarbeiten an politischen Prozessen können auch sachkundige Einwohner. Sie können in Ausschüsse in Gremien in ihrem Wohnort (etwa Gemeinderäte oder Stadträte) berufen werden. Sie haben dort eine beratende Funktion. Sie arbeiten ehrenamtlich und dürfen nicht Teil einer Fraktion oder städtisch angestellt sein.
Beteiligungsportal Sachsen-Anhalt
Einen Überblick über akutelle Möglichkeiten der Teilhabe gibt das Beteiligungsportal Sachsen-Anhalt. Es zeigt landesweite, regionale und lokale Beteiligungsverfahren- und formate.
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MDR (Katharina Häckl, Sebastian Gall)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 30. Oktober 2024 | 17:00 Uhr
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