Offener Brief Scharfe Kritik an AfD-Fraktionschef Kirchner nach verbalen Angriffen auf Journalisten

10. September 2022, 14:55 Uhr

Wiederholt hat der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt Journalisten namentlich attackiert, zuletzt am Montag dieser Woche vor Tausenden Demonstranten. Jetzt verlangen führende Politikjournalisten in Sachsen-Anhalt ein Ende dieser Angriffe. Auch der MDR kritisiert die verbale Attacke auf seine Reporter scharf.

Der Vorstand der Landespressekonferenz in Sachsen-Anhalt hat die wiederholten verbalen Angriffe von AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner auf Medienvertreter scharf kritisiert. In einem am Donnerstag veröffentlichten Offenen Brief heißt es, mit sachlicher Kritik an der Berichterstattung habe Kirchners Verhalten nichts zu tun.

MDR-Reporter namentlich angegriffen

Anlass ist eine Kundgebung am Montag dieser Woche. Dort hatte die AfD zum Protest wegen der steigenden Energiepreise auf den Domplatz in Magdeburg aufgerufen. In einer Rede hatte Kirchner zwei Reporter von MDR SACHSEN-ANHALT namentlich und mit Details aus ihrem beruflichen Werdegang angegriffen – in der Öffentlichkeit und vor mehreren Tausend Demonstranten.

Das ist die Landespressekonferenz Die Landespressekonferenz (LPK) ist ein Verein. Sie vertritt die Interessen der landespolitisch tätigen Journalisten in Sachsen-Anhalt gegenüber Landesregierung, Fraktionen und Parteien. Zu ihren Aufgaben zählt die regelmäßige Organisation von Pressekonferenzen, zu der unter anderem Vertreter der Landesregierung eingeladen werden, um den Journalistinnen und Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Langjähriger Vorsitzender der LPK ist der MDR SACHSEN-ANHALT-Redakteur Jochen Müller. Insgesamt hat die LPK rund 60 Mitglieder.

Nach Einschätzung der Landespressekonferenz steht dies in einer Reihe mit weiteren Anfeindungen von Journalisten. Kirchners Aussagen seien geeignet, Journalisten "unter erheblichen Druck zu setzen und eine freie Berichterstattung zu behindern".

Aus unserer Sicht schüren Sie damit Wut und Hass gegen einzelne Medienvertreter und befördern vorsätzlich eine Stimmung, die nur allzu leicht in Gewalt umschlagen kann.

aus dem Offenen Brief der Landespressekonferenz

Mit seinem Verhalten schüre der AfD-Fraktionschef Wut und Hass gegen einzelne Medienvertreter und befördere eine Stimmung, "die nur allzu leicht in Gewalt umschlagen kann". Der Vorstand der Landespressekonferenz rief Kirchner "dringend auf, derartige Äußerungen über Mitglieder der Landespressekonferenz oder andere Journalisten zu unterlassen".

Kirchner teilte auf Anfrage der Deutschen Presseagentur mit, die Berichterstattung über ihn mit der Herstellung des Bezugs zum Extremismus heize die Lage an. Nicht nur er selbst sei angegriffen, sondern auch sein Fahrzeug und sein Büro seien beschädigt worden. Weiter führte er aus, er stehe mit seiner Kritik an Teilen der Berichterstattung nicht allein. Diese, insbesondere beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weise politische Tendenzen auf. Die direkt angesprochenen Journalisten seien dafür nur ein Beleg.

Verfassungsschutz beobachtet AfD Der Verfassungsschutz des Landes hat die AfD als Verdachtsfall eingestuft und beobachtet sie somit. Das Verwaltungsgericht Magdeburg bestätigte im Frühjahr, dass die AfD in Sachsen-Anhalt als "rechtsextremistischer Verdachtsfall" geführt werden darf. Das Gericht lehnte einen Eilantrag ab, mit dem sich der Landesverband der Partei gegen die Einstufung als Verdachtsfall wehren wollte.

Laut Gericht braucht der Verfassungsschutz lediglich Anhaltspunkte, dass eine Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. In einer Vielzahl von Äußerungen mit Bezug auf staatliche Institutionen hätten die Richter Hinweise für Bestrebungen gegen den Wesenskern der bestehenden demokratischen Verhältnisse erkannt.

MDR: Ein Versuch, integre Journalisten einzuschüchtern

Der MDR kritisierte Kirchner scharf: Ein Unternehmenssprecher sagte, dass Kirchner zwei MDR-Reporter öffentlich an den Pranger stelle, die in der Vergangenheit auch über Kritik an der AfD berichtet hätten, sei ein unwürdiger Versuch, zwei integre Journalisten zu diskreditieren und einzuschüchtern. Kirchners Vorgehen sei undemokratisch und zeige, dass er die Rundfunk- und Pressefreiheit mit Füßen trete. "Unsere Kollegen arbeiten unabhängig und ohne jede Agenda", so der Sprecher.

Das Vorgehen des AfD-Fraktionsvorsitzenden ist undemokratisch und zeigt deutlich, dass er die Rundfunk- und Pressefreiheit mit Füßen tritt.

MDR-Sprecher

Es sei inzwischen fast schon trauriger Alltag, dass Journalistinnen und Journalisten, nicht nur des MDR, auf Demos verbal oder tätlich angegriffen würden. Im Mitteldeutschen Rundfunk würden Reporterinnen und Reporter bei potenziell kritisch betrachteten Veranstaltungen deshalb seit einigen Jahren von Personenschützern begleitet, so der MDR weiter.

MDR-Intendantin Karola Wille sagte, der MDR werde seinem Auftrag als unabhängiger, kritischer Berichterstatter auch in Zukunft nachkommen. Der Schutz der Mitarbeitenden habe dabei stets höchste Priorität.

Kritik an Kirchner auch im Landtag

Bei einer Landtagsdebatte am Donnerstag zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks warf AfD-Fraktionschef Kirchner den beiden MDR-Journalisten erneut tendenziöse Berichterstattung vor.

Deutliche Kritik kam daraufhin aus den anderen Fraktionen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Heuer verurteilte Kirchners Auftritt vom Montag in Magdeburg: "Das ist dann in dem Fall wirklich auch meine Meinung, das geht nicht. Persönlich diffamiert man auf Kundgebungen niemanden namentlich", so Heuer.

Linken-Fraktionschefin Eva von Angern sprach von einem direkten Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, der völlig inakzeptabel sei.

Das geht nicht nur nicht, sondern es ist ein direkter Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit in unserem Land und damit völlig inakzeptabel und wir lehnen das ab.

Eva von Angern, Fraktionschefin der Linken

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Cornelia Lüddemann, äußerte sich ähnlich: Kirchner habe wiederholt die grundgesetzlich verankerte Pressefreiheit mit Füßen getreten. SPD-Fraktionschefin Katja Pähle schrieb bei Twitter, die AfD sei eine Bedrohung für Pressefreiheit und Demokratie.

DJV: Medien haben Kritik- und Kontrollfunktion

Der Deutsche Journalisten-Verband Sachsen-Anhalt meldete sich in einer Presseerklärung ebenfalls zu Wort. Der Verband erklärte, Medien hätten eine Kritik- und Kontrollfunktion in der Gesellschaft wahrzunehmen. "Dies mag Herrn Kirchner nicht gefallen, doch Geschehnisse kritisch zu hinterfragen und Kritik zu üben gehört zum Alltagsgeschäft der Medienvertreter", so der Landeschef der Journalistengewerkschaft, Uwe Gajowski.

MDR (Luca Deutschländer, Kalina Bunk)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. September 2022 | 12:00 Uhr

216 Kommentare

Ines W. am 10.09.2022

@Benutzer
Ja die AfD ist demokratisch, aber allenfalls wenn man Minimalkriterien anlegt, die auch eine rechtsextreme NPD oder der rechtsextreme Dritte Weg erreicht.

Bei einer tatsächlich demokratischen Partei gelten z.B. nicht große Teile der Mitglieder als erweisen rechtsextrem (siehe Mitgleider des Flügel).

Ines W. am 10.09.2022

@Soldaten Norbert
Sie wissens schon, dass das Programm der AfD in weiten Teilen nicht das Papier wert ist auf das es gedruckt wurde. Das liegt zum einen daran, dass eine Oppositionspartei jeder Regierungsoption so ziemlich alles versprechen kann und sich nie die Frage stellen muss, wie man es finanziert und gegenüber Koalitionspartnern durchgesetzt bekommt und andererseits, dass es bei einer Skandalpartei wie der AfD niemanden juckt, wenn man sich eh nicht an das Programm hält. Siehe Unvereinbarkeitsliste mit Rechtsextremisten.

Fakt am 10.09.2022

@Benutzer:

Ein blaubrauner Verein, der bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet wird und in großen Teilen als "erwiesen rechtsextrem" eingestuft nennen Sie "demokratisch"? Zudem ist das was Kirchner vom Stapel gelassen hat keine "Meinung", sondern mieses Gehetze, was auch als Angriff gegen die Pressefreiheit gewertet werden kann, da es durchaus als Drohung gewertet werden kann. Somit ist eigentlich klar, wie Kirchner zum Grundgesetz steht.

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