Politische Teilhabe in Sachsen-Anhalt So wenige Menschen mit Migrationshintergrund sind Parteimitglieder
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15. Januar 2022, 05:00 Uhr
Mehr als 80.000 Menschen in Sachsen-Anhalt sind von Wahlen ausgeschlossen – weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Wie stehen die Parteien zur politischen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund? Und wie groß ist die Vielfalt bei CDU, SPD, AfD, FDP, Grüne und Linke? Fragen und Antworten.
Inhalt des Artikels:
- Wie viele Mitglieder hat Ihre Partei in Sachsen-Anhalt insgesamt? (Stichtag: 31. Dezember 2020)
- Können Menschen ohne deutschen Pass (aus Nicht-EU-Ländern) in Ihre Partei eintreten?
- Wie steht Ihre Partei dazu, ein Wahlrecht auch für Menschen ohne deutschen Pass aus Nicht-EU-Ländern zu ermöglichen? Welche Kriterien müssten dafür erfüllt werden?
- Wie viele Menschen aus Nicht-EU-Ländern sind nach Ihrem Kentnisstand Mitglied Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? (Stichtag: 31. Dezember 2020)
- Wie hat sich der Anteil von Menschen aus Nicht-EU-Ländern in Ihrer Partei im Zeitraum vom 31. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2020 entwickelt?
- Wie versuchen Sie Menschen, die aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland kommen, in Ihre Partei zu holen und zu integrieren?
Wie viele Mitglieder hat Ihre Partei in Sachsen-Anhalt insgesamt? (Stichtag: 31. Dezember 2020)
CDU: 6.258
SPD: 3.385
FDP: 1.185
AfD: 1.369
Grüne: 1.122
Linke: 3.192
Können Menschen ohne deutschen Pass (aus Nicht-EU-Ländern) in Ihre Partei eintreten?
CDU: "Wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der EU nicht besitzt, kann als Gast in der CDU mitarbeiten. Er kann in die Partei aufgenommen werden, wenn er nachweisbar seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Geltungsbereich des Grundgesetzes wohnt und ein Jahr vor der Aufnahme als Gast in der Partei mitgearbeitet hat."
SPD: "Unser Organisationsstatut sagt im §2 folgendes: 'Zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gehört jede Person, die die Mitgliedschaft erworben hat. Es darf aufgenommen werden, wer sich zu den Grundsätzen der Partei bekennt und das 14. Lebensjahr vollendet hat.' Die einzige Voraussetzung die erfüllt sein muss, ist also das Mindestalter von 14 Jahren. Damit können neben deutschen Staatsangehörigen auch Personen ohne deutschen Pass aufgenommen werden."
FDP: "Ja. Laut Bundessatzung, wenn sie mindestens seit zwei Jahren in Deutschland leben."
AfD: "Ja, eine Parteimitgliedschaft von Menschen ohne deutschen Pass ist möglich. Voraussetzungen: Satzung der Partei, Beachtung der Unvereinbarkeitsliste."
Grüne: "Selbstverständlich ist ein deutscher Pass für den Parteieintritt nicht erforderlich. Als weltoffene Partei sind wir für jede und jeden zugänglich, die oder der sich gemeinsam mit uns für grüne Ideale einsetzen möchte."
Linke: "In unsere Partei können Menschen ohne deutschen Pass (aus nicht EU-Ländern) eintreten. Mitglied der Partei kann sein, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat, sich zu den programmatischen Grundsätzen bekennt, die Bundessatzung anerkennt und keiner anderen Partei im Sinne des Parteiengesetzes angehört."
Wie steht Ihre Partei dazu, ein Wahlrecht auch für Menschen ohne deutschen Pass aus Nicht-EU-Ländern zu ermöglichen? Welche Kriterien müssten dafür erfüllt werden?
CDU: "Wir lehnen die Ausweitung des Wahlrechts für nicht EU-Bürger ab. Verfassungsrechtlich ist ein Wahlrecht für Drittstaatsangehörige nicht möglich, da die aktive und passive Teilnahme an Wahlen die deutsche Staatsangehörigkeit voraussetzt. Anders ist es nur bei Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates. Sie haben durch Art. 28 Abs. 1 S. 3 Grundgesetz die Möglichkeit, an Kommunalwahlen teilzunehmen. Darüber hinaus sollte das Wahlrecht aber nur für Menschen da sein, die sich zu unserem Land bekennen wollen und deshalb die Staatsbürgerschaft mit allen Rechten und Pflichten annehmen."
SPD: "Im Wahlprogramm der SPD Sachsen-Anhalt zur Landtagswahl 2021 haben wir notiert, dass das kommunale Wahlrecht für alle dauerhaft hier lebenden Menschen benötigt wird. Die politische Teilhabe würde ein starkes Signal der Zusammengehörigkeit senden."
FDP: "Aus Sicht der Freien Demokraten ist das Wahlrecht streng an die Staatsangehörigkeit zu knüpfen. Daran wollen wir festhalten. Eine Ausweitung des Wahlrechts bedarf zudem einer Änderung des Grundgesetzes bzw. der Landesverfassung."
AfD: "Das Wahlrecht wird durch Bundeswahlgesetz, Landeswahlgesetz und Grundgesetz geregelt."
Grüne: "Wir wollen, dass alle Einwohner*innen unseres Landes am politischen Entscheidungsprozess teilnehmen können. Darum haben wir uns bereits im Rahmen der Landtagswahl dafür ausgesprochen, das Wahlrecht für Jugendliche, Geflüchtete, EU-Bürger*innen und Migrant*innen zu öffnen. Dieses Wahlrecht ist ein wichtiger Baustein, um Menschen, die dauerhaft in unserem Land leben möchten, echte Mitbestimmung zu ermöglichen."
Linke: "Das Wahlrecht für alle Menschen, die dauerhaft hier leben, ist ein notwendiges Element, um gesellschaftliche Integration durch Partizipation und Gleichberechtigung zu befördern. Es ist in der Einwanderungs- und Migrationsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland schon lange überfällig."
Wie viele Menschen aus Nicht-EU-Ländern sind nach Ihrem Kentnisstand Mitglied Ihrer Partei in Sachsen-Anhalt? (Stichtag: 31. Dezember 2020)
CDU: "Wir haben aktuell acht Mitglieder aus nicht EU-Ländern."
SPD: "Zum 31. Dezember 2020 hatten wir 30 Mitglieder mit einer Staatsangehörigkeit, die nicht der deutschen entsprach. Davon waren ca. 80 Prozent aus nicht EU-Ländern."
FDP: "Keine."
AfD: "Dazu liegt mir keine statistische Auswertung vor."
Grüne: "Am Stichtag zählte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt sieben Mitglieder aus nicht EU-Ländern."
Linke: "Dazu können wir keine Aussage treffen, da weder Informationen zu Herkunft, zur Staatsbürgerschaften noch zur Aufenthaltsdauer des möglichen Personenkreises erfasst werden."
Wie hat sich der Anteil von Menschen aus Nicht-EU-Ländern in Ihrer Partei im Zeitraum vom 31. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2020 entwickelt?
CDU: "Diese Zahl ist bei wechselnden Personen annähernd gleich geblieben."
SPD: "Zum 31. Dezember 2020 hatten wir 30 Mitglieder mit einer Staatsangehörigkeit, die nicht der deutschen entsprach. Davon waren ca. 80 Prozent aus nicht EU-Ländern. Zum 31. Dezember 2010 hatten wir 19 Mitglieder mit einer Staatsangehörigkeit, die nicht der deutschen entsprach. Davon waren ca. 80 Prozent aus nicht EU-Ländern."
FDP: "Es gibt dazu keine Statistik. Es könnte zwischenzeitlich Einzelfälle gegeben haben."
AfD: "Dazu kann keine statistische Auswertung erfolgen. Der Landesverband wurde erst 2013 gegründet."
Grüne: "Am Stichtag 2010 zählte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN drei Mitglieder aus nicht EU-Ländern, im besagten Zeitraum haben wir also einen Zuwachs von vier weiteren Mitgliedern aus nicht EU-Ländern zu verzeichnen."
Linke: "Siehe vorherige Frage."
Wie versuchen Sie Menschen, die aus Nicht-EU-Ländern nach Deutschland kommen, in Ihre Partei zu holen und zu integrieren?
CDU: "Dies erfolgt über persönliche Kontakte innerhalb der einzelnen Stadt-/Gemeindeverbände in den Kreisverbänden der CDU."
SPD: "Die SPD bietet ihren Mitgliedern verschiedene Arbeitsgemeinschaften, um verstärkt an bestimmen Themenfeldern zu arbeiten und den politischen Diskurs zu beeinflussen, so z.B. die AG Migration und Vielfalt. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht zu einem respektvollen Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft beizutragen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im Alltag, am Arbeitsplatz, in Behörden und im Gemeinwesen aktiv entgegenzutreten, die soziale, kulturelle, politische und wirtschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern usw. Auch unsere Abgeordneten versuchen stärker mit Gruppen ins Gespräch zu kommen, falls in ihren Wahlkreisen viele Menschen mit einer nichtdeutschen Staatsangehörigkeit leben. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind die polnischen Bürgergespräche von Rüdiger Erben, die er 2018 durchgeführt hat."
FDP: "Unsere Mitgliederwerbung macht keinen Unterschied bei Staatsangehörigkeit (Einschränkung lt. Punkt 2), Herkunft, Geschlecht, sexueller Ausrichtung usw. Alle Mitglieder unserer Partei haben die gleichen Rechte und Pflichten. Eine Mitwirkung möglichst vieler ist erwünscht."
AfD: "Die Teilnahme an der politischen Willensbildung erfolgt immer freiwillig und aus der persönlichen Motivation heraus für das deutsche Volk politisch tätig zu werden!"
Grüne: "Wir verstehen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als ein Angebot an die Gesellschaft. Als weltoffene Partei unterbreiten wir dieses Angebot allen Menschen gleichermaßen, anstatt dabei nach deren Herkunft oder anderen ethnischen Merkmalen zu differenzieren. Jede und jeder, die oder der gemeinsam mit uns für grüne Ideale kämpfen möchte, ist bei uns herzlich willkommen. In der Regel führen wir mit ihnen entweder vorab ein kurzes Kennlerngespräch, oder lernen sie später auf einem unserer Neumitgliedertreffen kennen. So oder so sorgen wir dafür, dass sie anfangs alle wichtigen Informationen erhalten, um sich erstmal in unserer 'grünen Bubble' zu orientieren. Hatten sie etwas Zeit, sich einzufinden, kommen wir nochmal auf sie zu, um sicherzustellen, dass sie sich gut bei uns angekommen fühlen. Wie von da an ihre Rolle in der Partei aussieht, hängt allein von ihrem Engagement ab."
Linke: "Wir unterscheiden Menschen nicht nach Pass oder Herkunft. DIE LINKE ist plural und offen für jede und jeden, die oder der, die gemeinsamen Ziele mit demokratischen Mitteln erreichen will. Wir wollen mit unseren politischen Positionen überzeugen und sind bemüht jedes Mitglied entsprechend der individuellen Wünsche und Bedürfnisse in die parteipolitische Arbeit zu integrieren."
MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 12. Dezember 2021 | 19:00 Uhr