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Untersuchungsausschuss des LandtagsÜberlebende des Halle-Anschlags kritisieren Polizeiarbeit

28. Oktober 2020, 16:16 Uhr

Im Untersuchungsausschuss zum Halle-Anschlag sind kurz vor Weihnachten einige Überlebende aus der Synagoge zu Wort gekommen. Sie haben am Mittwoch die Polizeiarbeit – nicht zum ersten Mal – heftig kritisiert.

Christina Feist, Überlebende des Anschlags auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019, hat im Untersuchungsausschuss des Landtags ausgesagt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Ronny Hartmann

Überlebende des rechtsterroristischen Anschlags in Halle haben erneut das Verhalten der Polizei nach dem Attentat kritisiert. "Sie sahen uns nicht als die Opfer, die wir waren", sagte der Berliner Rabbi Jeremy Borovitz am Mittwoch im Untersuchungsausschuss des Landtags zum Anschlag am 9. Oktober 2019, am jüdischen Feiertag Jom Kippur. Die Beamten hätten die Überlebenden behandelt wie Verdächtige. "Ich hatte gerade den schlimmsten Tag meines Lebens erlebt und ich hätte mir gewünscht, dass sie das gesehen hätten", sagte der Geistliche.

Was ist Jom Kippur?

Jom Kippur ist der heiligste und feierlichste Tag des jüdischen Jahres und wird von einer Mehrheit der Juden, auch nicht religiösen, in mehr oder weniger strikter Form begangen. Für Frauen ab 12 und Männer ab 13 Jahren ist er ein Fastentag, an dem 25 Stunden gefastet wird. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, dauert der Gottesdienst in den jüdischen Gemeinden beinahe den ganzen Tag. In Israel sind an diesem Tag alle Restaurants und Cafés geschlossen, das gesamte öffentliche Leben steht still. Alle Grenzübergänge (auch der Flughafen) sind geschlossen. Dass Israel an diesem Tag quasi gelähmt und extrem verwundbar war, nutzten Syrien und Ägypten im Oktober 1973 aus und begannen den Jom-Kippur-Krieg.

Borovitz: "Auftreten der Polizei war unsensibel"

Wie schon bei seiner Zeugenaussage vor Gericht und wie andere Überlebende des Anschlags beklagte Borovitz, dass die Polizei unsensibel vorgegangen sei, respektlos gegenüber der jüdischen Liturgie und ohne die Betroffenen angemessen über die Geschehnisse zu informieren. "Wenn uns einfach nur mal jemand gefragt hätte, 'Was brauchen Sie?', dann hätte das die Situation schon total verändert." Nach Borovitz sagten noch weitere Überlebende aus der Synagoge vor dem Gremium aus. Auch sie kritisierten die Polizeiarbeit.

In den vergangenen Sitzungen sind bereits beteiligte Polizisten, Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann und der damalige Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) vor dem Untersuchungsausschuss befragt worden. Auch Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat bereits ausgesagt. Der Untersuchungsausschuss des Landtags arbeitet das Geschehen seit Ende 2019 politisch auf. Dabei werden besonders der Polizei-Einsatz und die Sicherheitsvorkehrungen überprüft.

Lebenslange Haft für Halle-Attentäter

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Mann versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur schwer bewaffnet die Synagoge von Halle zu stürmen und darin ein Massaker anzurichten. Er warf Brand- und Sprengsätze und schoss auf die Zugangstür, gelangte aber nicht auf das Gelände. Vor der Synagoge ermordete er dann die 40 Jahre alte Passantin Jana L. und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss den 20-jährigen Kevin S. Auf der anschließenden Flucht verletzte er weitere Menschen.

Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte den 28 Jahre alten Attentäter am Montag zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung.

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Quelle: dpa,MDR/olei

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. Dezember 2020 | 19:00 Uhr

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