Altersvorsorge Gesetz soll Betriebsrenten stärken – Umsetzung in Sachsen-Anhalt schleppend
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Gemeinsam mit der Firma zusätzliches Geld fürs Alter ansparen – das macht die Betriebsrente möglich. Für das Alter kann dies ein wertvolles Plus neben der gesetzlichen Rente sein. 2018 trat in Deutschland ein Gesetz in Kraft, das mehr Firmen dazu bringen soll, ihren Mitarbeitern diese Altersvorsorge anzubieten. Vor allem Geringverdiener sollen profitieren. In Sachsen-Anhalt hat das Gesetz bisher aber kaum etwas gebracht.

Es ist eines der Gesetze mit sperrigem Namen: das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Seit Anfang 2018 ist es bundesweit in Kraft und soll vor allem kleine und mittlere Unternehmen motivieren, ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente anzubieten – etwa durch Steueranreize. Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT zeigen aber: Die Umsetzung der neuen Regeln läuft in Sachsen-Anhalt bisher eher schleppend.
Stichwort Betriebsrente
Generell hat jeder Arbeitnehmer das Recht, eigenes Gehalt in einen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge einzuzahlen (das heißt Entgeltumwandlung). Möglich ist auch, dass der Arbeitgeber den Beitrag ganz übernimmt – oder beide Seiten ihn teilen. Ausgezahlt werden kann das Geld im Alter monatlich oder als Einmalbetrag.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz
– Bis 2018 konnte man bei der Betriebsrente zwischen fünf verschiedenen Modellen wählen. Durch das Gesetz kam ein weiteres hinzu: das Sozialpartnermodell.
– Dabei vereinbaren Sozialpartner – Arbeitgeber und Gewerkschaften – eine Betriebsrente. Das Ganze passiert mithilfe von Tarifverträgen.
– Das Neue daran: Beschäftigten, die auf diese Weise vorsorgen, darf kein fester Betrag mehr für die spätere Rente zugesichert werden, er soll nur noch als Ziel genannt werden. Die Arbeitgeber werden dadurch bei der Haftung entlastet.
– Arbeitgeber erhalten einen direkten Steuerzuschuss von 30 Prozent, wenn sie Beschäftigten mit weniger als 2.200 Euro brutto eine Betriebsrente anbieten. Sie müssen dazu Beiträge zahlen – zwischen 240 Euro bis 480 Euro jährlich.
– Die Auszahlungen im Alter können bei dem Sozialpartnermodell schwanken – sie können aber auch höher ausfallen als zuvor.
– Seit 2019 ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei neuen Verträgen einen Zuschuss von 15 Prozent zu zahlen. Für bestehende Verträge gilt das ab 2022.
Das Gesetz soll dazu führen, dass Betriebsrenten verstärkt über Tarifverträge vereinbart werden. Der Allgemeine Arbeitgeberverband der Wirtschaft für Sachsen-Anhalt teilte auf Anfrage mit, aus wirtschaftlichen und bürokratischen Gründen seien bisher allerdings kaum Vereinbarungen zu Betriebsrenten entstanden. Das liegt demnach vor allem an der Größe der Unternehmen und daran, dass Tarifverträge im Land generell selten sind. Laut Landessozialministerium unterlagen 2017 hierzulande lediglich 23 Prozent der Firmen einer Tarifbindung.
Verbandsgeschäftsführerin Sigrun Trognitz bezeichnete das Gesetz angesichts des Fachkräftemangels als kontraproduktiv, "weil es gerade zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Rente provoziert."
Wir brauchen Regelungen, dass die, die länger arbeiten wollen, auch ohne finanzielle Verluste länger arbeiten können.
Die Steueranreize für Unternehmen, die das Gesetz biete, müssten früher oder später aber zu einem idealen Instrument der Mitarbeiterbindung werden.
Auch aus Sicht des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Sachsen-Anhalt können Betriebsrenten ein Mittel sein, mit dem Unternehmen Fachkräfte gewinnen. Abmachungen für das neue Sozialpartnermodell gibt es aber auch in dieser Branche noch nicht. Der Verband und die zuständige Gewerkschaft beraten derzeit jeweils intern über das Thema, so Sprecher Jan Pasemann. Miteinander sei man noch nicht ins Gespräch gekommen.
In manchen Branchen gab es bereits vor dem neuen Gesetz Tarifverträge für die Altersversorgung, das betrifft in Sachsen-Anhalt zum Beispiel flächendeckend die Ernährungsindustrie. Wie der zuständige Verband der Ernährungswirtschaft MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte, können die Mitarbeiter einen Teil ihres Gehalts für die Altersversorgung zurücklegen, außerdem gibt es Zuschüsse. Mit dieser Regelung habe man lange vor dem Betriebsrentenstärkungsgesetz ein Sozialpartnermodell eingeführt, das als positives Beispiel für das neue Gesetz gedient habe. Die zusätzlichen Möglichkeiten, die das 2018 eingeführte Gesetz biete, habe man noch nicht genutzt.
Norbert Reuter von der Gewerkschaft Verdi spricht mit Blick auf das Betriebsrentenstärkungsgesetz von einer "Dilemma-Situation". Er würde sich wünschen, dass sich Arbeitgeber bereit zeigen, einen Teil zur Betriebsrente beizusteuern, zusätzlich zu Gehaltssteigerungen. So habe es etwa mit der Speditions- und Logistikbranche bereits erste Gespräche gegeben, die aber gescheitert seien – weil die betriebliche Altersversorgung dadurch finanziert werden sollte, dass die Beschäftigten in der nächsten Tarifrunde im Gegenzug teilweise auf Lohnerhöhungen verzichten. Dies sei aber nicht im Sinne der Gewerkschaften, so Reuter.
DGB: Gesetzliche Rente stärken
Gerade Geringverdiener wie Frauen in Teilzeit brauchen nach Ansicht von Reuter dringend Unterstützung. Er stellt aber auch fest: In Bereichen, in denen es bereits seit Jahren einen tariflich vereinbarten Altersvorsorgebeitrag gibt, wird das Angebot nur zögerlich oder gar nicht in Anspruch genommen. Das sei nur schwer nachvollziehbar.
Durch diese Nicht-Geltendmachung verschenken gerade diejenigen Geld, für die es besonders wichtig wäre.
Ähnlich wie Verdi begrüßt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund in Sachsen-Anhalt das neue Gesetz grundsätzlich. Es könne eine Unterstützung in kleinen und mittleren Unternehmen sein, sofern diese Tarifverträge hätten. Gegen Armut im Alter helfe in erster Linie aber eine sichere gesetzliche Rente, meint Sprecher Martin Mandel. Sie müsse daher gestärkt und die Betriebsrente nur als Ergänzung gesehen werden.
Eher wenige Sachsen-Anhalter mit Betriebsrente
Wie viele Unternehmen in Sachsen-Anhalt derzeit eine Betriebsrente anbieten und wie viele Beschäftigte etwas davon haben, ist statistisch nicht erfasst. Dem Statistischen Landesamt und dem Landessozialministerium liegen dazu keine Daten vor. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die Betriebsrente überwacht, konnte auf Anfrage keine Zahlen nennen.
Das Versicherungsunternehmen AXA hatte für seinen Deutschland-Report im Jahr 2017 Berufstätige zu dem Thema befragt. Sachsen-Anhalt konnte hier nicht gut abschneiden und landete auf dem letzten Platz. Der Umfrage zufolge hat nur gut jeder vierte Erwerbstätige im Land eine betriebliche Altersversorgung. Allerdings wurden in Sachsen-Anhalt nur 100 Menschen befragt.
Die Höhe der Betriebsrente ist von Fall und Fall unterschiedlich und hängt zum Beispiel davon ab, wie lange man einzahlt und in welcher Position man arbeitet. Eine Studie der Unternehmensberatung Willis Towers Watson kam zu dem Schluss, dass die Betriebsrente im Schnitt bei 4,4 bis 4,8 Prozent des letzten Grundgehalts liegt. Generell gelte: Je größer das Unternehmen, desto höher der Zusatz fürs Alter.
Ziel des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist es auch, dass Betriebsrentensysteme für ganze Branchen aufgebaut werden. Das hatte Ex-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Bundestag erklärt. Ob dies nach dem bisher verhaltenen Start gelingen kann, wird sich zeigen. 2023 soll das Gesetz ausgewertet werden.
Über die Autorin Kalina Bunk arbeitet seit 2015 für MDR SACHSEN-ANHALT – in der Online- und in der Hörfunkredaktion. Sie schreibt für mdrsachsenanhalt.de, verfasst und spricht die Nachrichten im Radio und ist als Reporterin im Land unterwegs. Aufgewachsen ist sie in Bremen. Dort und in Madrid studierte sie Kulturwissenschaft und Germanistik. Danach war sie für mehrere private Radiosender in Bremen und Berlin tätig. An der Arbeit als Redakteurin fasziniert sie, dass jeder Arbeitstag anders aussieht und dass man täglich etwas Neues dazu lernt.
Quelle: dpa, MDR/kb
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Januar 2019 | 12:00 Uhr