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Klima-Aktivist will in den BundestagUrs Liebau: "Ich bin kein Kandidat von Fridays for Future, sondern der Grünen"

29. März 2021, 06:58 Uhr

Lange engagierte sich Urs Liebau bei "Fridays for Future" für den Klimaschutz. Mittlerweile fokussiert sich der Magdeburger auf Parteipolitik – so wie einige bekannte Mitstreiter. Warum das in der Klimabewegung nicht jedem gefällt.

Etwas anders fühlte sich Urs Liebau schon immer. Älter. Vor gut zwei Jahren baute der Student "Fridays for Future" in Magdeburg mit auf. Und: "Ich war schon damals so ein bisschen der Opa unserer Bewegung", sagt der heute 26-Jährige mit einem Lächeln im Gesicht. Denn die meisten Mitglieder gingen damals wie heute noch zur Schule.

Läuft alles nach Plan, geht es für Urs Liebau in diesem Jahr vom Streik auf der Straße in den Bundestag: Die Grünen schicken ihn auf Platz zwei ihrer Landesliste zur Bundestagswahl in den Kampf um Wählerstimmen. "Wir müssen es schaffen, in eine umweltverträgliche Wirtschaft zu kommen", sagt Liebau. "Dafür stehe ich. Das ist mein Ziel."

Damit ist der Magdeburger in guter Gesellschaft: Deutschlandweit bekannte Gesichter von "Fridays for Future" wie Luisa Neubauer oder Jakob Blasel gehören ebenfalls den Grünen an. Blasel will wie Liebau in den Bundestag. Eine Entwicklung, die bei der Klimabewegung längst nicht jedem gefällt.

Nicht alles lässt sich durch Parteipolitik lösen. Die Diskussionen entstehen auch durch Demos von außen. Auch dadurch muss sich jede Partei mittlerweile mit dem Klimaschutz beschäftigen.

Urs Liebau, Bündnis90/Die Grünen

Erst in der Partei, dann in der Bewegung

Überparteilich will "Fridays for Future" sein. Keine Partei werde offiziell unterstützt, so lautet einer der Grundsätze. Zur Wahrheit, sagt Urs Liebau, gehört allerdings auch: "Fridays for Future ist ein großes Bündnis unterschiedlicher Gruppierungen, aber darunter ist zu einem großen Teil eben die Grüne Jugend."

Auch die Ortsgruppe in Magdeburg wurde zu Beginn vor allem von deren Mitgliedern organisiert. Mit dabei: Urs Liebau. Doch ein ganz entscheidender Punkt: Liebau war bereits seit 2017 Mitglied in der Grüne Jugend. Erst war also sein Parteiengagement, dann kam das Aktivisten-Dasein auf der Straße.

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"Ich bin nicht von der Bewegung in die Partei geschlittert", sagt der 26-Jährige. "Die Grünen sympathisieren mit Fridays for Future und ich sehe mich auch noch immer als Teil davon." Nur hat sich Liebau inzwischen zurückgezogen. "Am Anfang haben wir zum Beispiel die Demos angemeldet, weil wir das bei der Grünen Jugend einfach schonmal gemacht hatten", sagt er. "Aber irgendwann haben die Jugendlichen das dann auch alleine gekonnt."

Liebau zieht die Trennlinie zwischen Partei und Klimabewegung bewusst scharf, wenn er sagt: "Ich bin kein Kandidat von Fridays for Future, sondern der Grünen."

Kritik an der Klimaliste

Weite Teile von "Fridays for Future" sympathisieren oder engagieren sich noch immer bei den Grünen. Andere haben sich offensichtlich von ihnen entfremdet – oder wollen den Bezug zur Parteipolitik schlicht nicht. Antonius Richter, Delegierter der "Fridays for Future"-Ortsgruppe Wernigerode, sagt beispielsweise: "Die Grünen als große Umweltschutzpartei sind keine verlässliche Alternative, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten." Seit Kurzem würde es jedoch eine neue Alternative für "Fridays-for-Future"-Engagierte geben: "Ich denke, dass viele Aktivisten und Aktivistinnen inhaltlich eher die Klimaliste wählen würden."

In Sachsen-Anhalt ist die Partei etwas mehr als einen Monat alt. Mit konsequentem Klimaschutz will die Klimaliste bei den Landtagswahlen im Juni überzeugen. Urs Liebau sieht die neue Konkurrenz kritisch: "Was mich wirklich stört, ist das, was man zum Beispiel bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg gesehen hat: Die Klimaliste hat dafür gesorgt, dass ein paar Prozentpunkte gefehlt haben, um ein progressiveres Bündnis in Sachen Klimaschutz zu schließen."

0,9 Prozent der Stimmen erreichte die Klimaliste. 42.000 Menschen wählten sie. In den sozialen Netzwerken wurde anschließend Kritik laut. Der Vorwurf: Ihr Stimmenanteil habe eine mögliche Stimmenmehrheit von Grünen und SPD – ohne Beteiligung der FDP – verhindert.

Belegen lässt sich das nicht. Statistiken zur Wählerwanderung von infratest-dimap zeigen nur, dass von den Grünen 105.000 Wähler zu kleineren Parteien abgewandert sind. Doch: Hätten alle Wähler der Klimaliste stattdessen SPD oder die Grünen gewählt, dann hätte es für die Koalition gereicht, wie die "taz" schreibt.

Liebau sagt: "Ich kann verstehen, dass Leute eine härtere Meinung haben. Aber am Ende muss man mit politischen Mehrheiten vorankommen. Es ist ein Problem, dass dadurch vielleicht Prozentpunkte fehlen – und das in Zeiten, in denen es wirklich entscheidend ist, dass wir es schaffen, Klimaschutz richtig in die Bundesregierung, die Landesregierungen und die kommunalen Parlamente zu bekommen. Da brauchen wir jeden Prozentpunkt."

Das Ziel: progressive Klimaschutz-Politik

Doch grundsätzlich sei es gut, dass der Klimaschutz auch durch die Klimaliste noch mehr Aufmerksamkeit erfährt, so Liebau. Genau wie die Streiks von "Fridays for Future", denn: "Nicht alles lässt sich durch Parteipolitik lösen. Die Diskussionen entstehen auch durch Demos von außen. Auch dadurch muss sich jede Partei mittlerweile mit dem Klimaschutz beschäftigen. Und genau da wollen wir hinkommen: Politische Mehrheiten kriegen, um das 1,5-Grad-Ziel verwirklichen zu können."

Seit zwei Jahren sitzt Liebau nun schon im Magdeburger Stadtrat – und hat gelernt, wie wichtig Kompromisse sein können. "Für mich ist das Wort positiv besetzt. Es ist eben immer nur die Frage, wie der Kompromiss am Ende aussieht", sagt er. "So konnte zum Beispiel beschlossen werden, dass Magdeburg bis 2035 klimaneutral sein soll. Das ist ein großer Schritt und war am Ende auch ein Kompromiss."

Liebau sagt: "Deshalb streiten wir dafür, dass wir auch auf Bundesebene politische Mehrheiten kriegen, die eine progressive Klimaschutz-Politik voranbringen können." Und: "Wir brauchen vor allem auch junge Menschen, die sich trauen, in die Parlamente zu gehen." So wie ihn. Denn der Druck allein über die Streiks auf der Straße reiche nicht aus.

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MDR, Daniel George

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 19. März 2021 | 19:00 Uhr

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