Landtag Verfassungsschutzkontrolle: Steht gemeinsame Mehrheit von Koalition und Linken?

20. Juni 2022, 19:33 Uhr

Mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium überwacht Sachsen-Anhalts Landtag den Verfassungsschutz. Am Dienstag wollen die Koalition und die oppositionelle Linksfraktion dieses gemeinsam neu besetzen. Doch es gibt Kritik aus den eigenen Reihen. AfD und Grüne erwägen zudem zu klagen. Und auch die Personaldebatte um den Datenschutzbeauftragten wirft ihren Schatten auf die Diskussion.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Im Landtag von Sachsen-Anhalt kündigt sich erneut eine knappe Personalentscheidung an. Am Dienstag soll die neue Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gewählt werden. Vier Abgeordnete überwachen darin künftig den Verfassungsschutz. Die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und FDP haben dazu einen Wahlvorschlag gemeinsam mit der Linksfraktion vorgelegt. Doch sowohl einzelne CDU- als auch einzelne Linken-Abgeordnete sollen die Zusammenarbeit bislang ablehnen.

AfD und Grüne erwägen Klagen

Den Unmut versuchte am Montag aus der Opposition heraus Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann zu befeuern. Lüddemann sprach von einer neuen "Einheitsfront", die sich durch den gemeinsamen Wahlvorschlag gegen den Grundsatz der freien, geheimen und einzelnen Wahl stelle.

Grüne und AfD kündigten an, die Wahl rechtlich prüfen zu wollen. Sie sehen ihre Oppositionsrechte durch das nun verkleinerte Kontrollgremium gefährdet. Statt jeder Fraktion soll dort künftig nur mindestens eine Oppositionsfraktion vertreten sein.

Dagegen wäre eine sogenannte Normenkontrollklage vor dem Landesverfassungsgericht in Dessau theoretisch möglich. Für diese müssten sich die Abgeordneten beide Fraktionen allerdings zusammentun. Das gilt als ausgeschlossen.

Lüddemann deutete am Freitag an, dass der grüne Kandidat Olaf Meister stattdessen als einzelner Abgeordneter eine Klage anstreben könnte. Meister wurde überraschenderweise statt des bisherigen Gremiumsmitglieds Sebastian Striegel nominiert.

Koalition nur vorsichtig optimistisch

Aller Voraussicht nach wird aber weder der Wahlvorschlag der Grünen noch der AfD (für den Innenpolitiker Hagen Kohl) zur Abstimmung kommen. Die Koalition plant, direkt über den eigenen Wahlvorschlag abzustimmen. Zusammen mit der Linken stellt man 68 Abgeordnete. 49 Stimmen braucht es.

Allerdings hatten sich erst im März dieselben vier Fraktionen bei der Wahl eines neuen Datenschutzbeauftragten für ein und denselben Kandidaten ausgesprochen. Am Ende bekam dieser dennoch keine Mehrheit. In beiden Fällen war bzw. ist die Wahl geheim, was die Ursachensuche erschwert.

Dass es am Dienstag mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium anders läuft, darüber herrscht in der Koalition vorsichtiger Optimismus. Er gehe davon aus, dass der Vorschlag "49 plus x" erhalte, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Rüdiger Erben. Immerhin habe der gemeinsame Wahlvorschlag mit vier Abgeordneten und Stellvertretern eine "andere Qualität".

Die Linksfraktion will am Dienstagvormittag erneut intern über die Abstimmung beraten. Trotz vereinzelter Kritik sagte Fraktionschefin Eva von Angern: "Wichtig ist, dass wir als Linke im Kontrollgremium vertreten sind." Da herrsche Einigkeit.

Auch die CDU hat das Thema am Dienstagvormittag auf der Tagesordnung. Aus Sicht von Fraktionschef gibt es den gemeinsamen Wahlvorschlag mit der Linken aber nicht ohne Grund. So sei sichergestellt, dass auch wirklich eine Oppositionsfraktion im Kontrollgremium vertreten sei. Die Einigung geht offenbar lange zurück: Informierte Kreise hatten schon im Februar von erfolgreichen Gesprächen mit der Linksfraktion berichtet.

Angespannte Situation um verschobene Wahl des Datenschutzbeauftragten

Teils ratlos zeigte sich Borgwardt über die Personalie des Datenschutzbeauftragten. Am Samstag hatte MDR SACHSEN-ANHALT berichtet, dass sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber mittlerweile an Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) gewandt habe. Dass der Landtag nunmehr seit März 2017 keinen neuen Datenschutzbeauftragten gewählt habe, drohe die "Wahrnehmung der Funktion unabhängiger Datenschutzbehörden durch die Öffentlichkeit zu schmälern, wenn nicht nachhaltig zu beschädigen", schrieb Kelber.

Auf die Frage, ob die Koalition sich angesichts solcher Zwischenrufe genug mit dem Thema beschäftigte, sagte Borgwardt: "Wie wollen Sie bei einer geheimen Wahl Druck machen? Sagen Sie mir das mal." Es gebe "sehr unterschiedliche Gründe", warum es bislang zu keiner erfolgreichen Wahl kam. Diese soll nun nach der Sommerpause des Landtags erneut abgehalten werden. 

Bislang leitet der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, Albert Cohaus, die Geschäfte. Borgwardt hatte ihn erfolglos bei der Wahl im März unterstützt und will ihm seine Wertschätzung erst vergangene Woche erneut persönlich vorgetragen haben. Zumindest ein generelles Problem bestehe laut dem CDU-Politiker aber kaum: "Ich lese aus keinem der Briefe raus, dass es ein Problem mit dem Datenschutz gibt", sagte Borgwardt. Die Behörde funktioniere.

MDR (Thomas Vorreyer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Juni 2022 | 17:00 Uhr

5 Kommentare

Jana am 22.06.2022

Wenn in Parlamenten Extremisten sitzen, dann müssen sich die demokratischen Parteien dort eben etwas einfallen lassen, wie sie bei ihren Kontrollgremien damit umgehen.

Einem Rechtsextremisten sollte man auf jeden Fall keine Informationen darüber anvertrauen, wie der Verfassungsschutz aktuell gegen seine Brüder im Geiste vorgeht. Gleiches gilt für die demokratischen "Feigenblätter" die von Rechtsextremisten dominierte Fraktionen für solche Ämter vorschieben.

Lavendel am 22.06.2022

Letztendlich geht es hier doch nur um eine Frage der parlamentarischen Geschäftsordnung. Zu dieser gibt es offensichtlich Fragen, die man nicht einvernehmlich im Parlament klären kann und deshalb wird schlicht und ergreifend das zuständige Gericht zur Klärung angerufen.

Wichtiger finde ich die Frage, warum der Landtag von der bisherigen Praxis abweichen möchte.
Wenn das Ziel ist die Vertreter einer rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Partei von sensiblen Informationen fern zu halten, dann ist das für mich durchaus ein gerechtfertigtes Vorhaben.

Mediator am 21.06.2022

@goffman

Sorry, aber Norbert hat keine Frage gestellt, sondern er hat lediglich eine Unterstellung in eine Frage gekleidet. Die Unterstellung lautet, dass seine AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, nicht weil sie in weiten Teilen rechtsextrem und verfassungsfeindlich ist, sondern weil sie ein politischer Konkurrent der Regierung ist. Frei nach Höcke meint er wohl, dass man selbst in der AfD bestimmt wer Extremist ist.

In Deutschland wurde nach der diktatorischen Erfahrung des Dritten Reiches ein ausgeklügeltes System von "Checks and Balances" in den Verfassungen von Bund und Ländern integriert. Das ist schlicht und ergreifend so. Andere Länder haben durchaus auch Kontrollmechanismen für die Organisationen, die auftragsbedingt im geheimen agieren.

Wer sich darüber mokiert, dass in den USA lediglich zwei Parteien bei der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt sind, der sollte sich mal darüber schlau machen, wie viele Parteien dort überhaupt in den entsprechenden Parlamenten sind

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