Bahnreisende mit einem Rollkoffer in den Farben der Flagge Großbrittaniens
Das Vereinigte Königreich war lange zweitwichtigstes Exportland für Unternehmen aus Sachsen-Anhalt – bis der Brexit kam. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / Ralph Peters

Großbritannien Wirtschaft: Sachsen-Anhalt strebt "Verknüpfung und Verzahnung wie vor dem Brexit" an

30. Juni 2022, 17:28 Uhr

Kunststoffe, Backwaren oder Aluminium: Das Vereinigte Königreich war für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt lange Zeit das zweitwichtigste Exportland. Diese Zeiten sind lange vorbei – wegen Corona, vor allem aber wegen des Brexits. Ministerpräsident Haseloff hat nun in London ausgelotet, wie er vor allem dem Mittelstand helfen kann.

Luca Deutschländer
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Sachsen-Anhalt will bei der Erzeugung von grünem Wasserstoff künftig mit Großbritannien zusammenarbeiten. Das ist das Ergebnis eines Treffens von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit dem britischen Staatsminister für Wirtschaft und Energie, Greg Hands. Haseloff und der Tories-Politiker Hands verständigten sich am Donnerstag in London auf eine "mittelfristige" Zusammenarbeit.

Die Spitzenpolitiker hatten sich zu einem vertraulichen Gespräch im Büro des britischen Staatsministers unweit des Big Ben getroffen. Haseloff hatte die Hoffnung in das Treffen gesteckt, Lieferketten zwischen Sachsen-Anhalt und Großbritannien trotz aller durch den Brexit verursachten Probleme und Einschränkungen aufrechtzuerhalten und wieder zu verstärken. Von den Auswirkungen des EU-Austritts sind nach Einschätzung des Regierungschefs vor allem die in Sachsen-Anhalt stark vertretenen mittelständischen Unternehmen betroffen, wie Haseloff MDR SACHSEN-ANHALT in London sagte.

Export seit dem Brexit abgesackt

Dass Im- und Export aus und nach Großbritannien in Sachsen-Anhalt vor dem Austritt des Landes aus der Europäischen Union weitaus besser liefen, ist statistisch belegt – wenn auch die vorliegenden Statistiken noch kein vollständiges Bild zeichnen, weil dafür seit dem Austritt noch nicht genügend Zeit vergangen ist. Haseloff allerdings wird während seiner Reise durch die englische Hauptstadt nicht müde zu betonen, dass Großbritannien lange zweitwichtigstes Exportland für Sachsen-Anhalt war – und inzwischen nur noch den siebten Platz belegt. Unternehmen aus Sachsen-Anhalt exportieren unter anderem Kunststoffe in das Vereinigte Königreich.

Die Probleme, die der Brexit verursacht hat, kennen viele Unternehmen. Eine Auswertung der Industrie- und Handelskammer vom Februar dieses Jahres hat gezeigt: Fast die Hälfte der deutschen Unternehmen bewertet die eigene Geschäftssituation in Großbritannien als schlecht, ein Drittel erwartet für dieses Jahr eine weitere Verschlechterung.

Als Hauptgründe genannt werden in erster Linie die gestiegene Zollbürokratie, Probleme bei der Logistik – aber auch, dass Großbritannien als wirtschaftlicher Player an Bedeutung verliert.

Ruf als pragmatischer Macher

Das Gespräch mit Greg Hands in London war auch deshalb zustandegekommen, weil der Minister innerhalb Sachsen-Anhalts Landesregierung den Ruf genießt, die Folgen des Brexit nicht einfach hinzunehmen – sondern das, was möglich ist, möglich zu machen, ganz pragmatisch natürlich auch im Interesse der eigenen Wirtschaft, die ebenso leidet. Reiner Haseloff ist das wichtig, nicht nur aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Großbritannien gehöre zwar nicht mehr zur EU, sagt er – aber zu Europa.

Wir sind Europäer und haben eine gemeinsame Geschichte. Also brauchen wir eine gemeinsame Zukunft.

Reiner Haseloff (CDU) Ministerpräsident

Haseloff lobte in diesem Zusammenhang die Unterstützung Großbritanniens, die Abhängigkeit von russischem Erdgas in Deutschland zu senken. Das Land habe sich bereit erklärt, 15 Prozent der russischen Ausfälle in Deutschland zu kompensieren.

Den Fokus einer engeren Zusammenarbeit von Sachsen-Anhalt und Großbritannien wollen beide Seiten besonders auf erneuerbare Energien legen, wie Haseloff sagte. Hands lud er auch deshalb zu einem Gegenbesuch nach Sachsen-Anhalt ein, unter anderem in das Chemie-Dreieck. Ziel seien eine "Verknüpfung und Verzahnung wie vor dem Brexit", erklärte Haseloff.

Die Lage hat sich geändert. Wir sind nicht mehr im Binnenmarkt und der Zollunion. Wir müssen Firmen aber helfen. Wir haben in Großbritannien deshalb den Export Service gegründet.

Greg Hands Britischer Staatsminister für Wirtschaft und Energie

Deshalb wiederholte Haseloff am Donnerstag seine Aussage, Sachsen-Anhalt in Großbritannien sichtbarer zu machen und wirtschaftliche Beziehungen durch eine wie auch immer ausgestaltete Vertretung in London zu erleichtern. Einen solchen Schritt waren zuletzt Bayern und Baden-Württemberg gegangen, wobei die Magdeburger Landesregierung sich in dieser Frage vorerst nicht festlegen will. Eine eigene Landesvertretung gilt aber als eher unwahrscheinlich. Haseloff sagte dazu, er wolle das erst einmal sacken lassen und sich Gedanken über das Wie einer solchen Ansiedlung machen.

Warum der britische Staatsminister fließend Deutsch spricht

Greg Hands – dessen Büro einen Blick mitten auf Big Ben und Westminster Abbey erlaubt – hat lange in Berlin gelebt und bis zum Abitur Deutsch in Großbritannien studiert. Während seiner Zeit in Berlin arbeitete er im "Sommerbad in Kreuzberg", wie er am Donnerstag gefragt nach seinem guten Deutsch erklärte. Hands besitzt auch ein Haus nahe Potsdam – und damit zwischen den Wahlkreisen des Bundeskanzlers und Ministerpräsident Haseloff, wie dieser scherzhaft anmerkte.

Haseloff, der am Mittwoch in London bereits um Touristen für Sachsen-Anhalt warb, traf sich am Donnerstag nach seinem Besuch beim britischen Staatsminister zu Gesprächen mit Vertretern der Deutsch-Britischen Handelskammer. Für den frühen Abend ist ein Firmenbesuch beim Unternehmen Axe Trading geplant, das neben seinem Stammsitz in London auch einen Sitz in Magdeburg hat und dank einer Technologie den Handel von Unternehmen trotz Brexit erleichtern will.

Delegation aus Sachsen-Anhalt in London Der Besuch von Ministerpräsident Haseloff in London ist Teil einer Delegationsreise in die englische Hauptstadt. Dabei hatten Haseloff und Touristiker des Landes am Mittwoch bereits das British Museum of London besucht, in dem aktuell die Himmelsscheibe von Nebra ausgestellt ist. Ziel des Besuchs war, für Sachsen-Anhalt als touristisches Ziel zu werben. Die Rückreise ist für Freitagmorgen geplant.

MDR (Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Juli 2022 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

hilflos am 30.06.2022

Den brexit haben die Briten gewollt. Irgendwie ist es schon klar, dass es nicht nahtlos weitergehen soll. Für den einfachen Bürger wurden auch Hemmnisse aufgebaut, wie Passzwang, Verbot der Einfuhr von Bacon, Cheddar und Blue Stilton. Die Industrie und die Wirtschaft wird handeln auch ohne Hasselhoff und co

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