Analyse zur Wahlumfrage Sachsen-Anhalt vor Landtagswahl: Experiment scheint sich zu bewähren

23. April 2021, 11:21 Uhr

Wenige Tage bevor die ersten Wahlbenachrichtigungen rausgehen, kommt Bewegung in die Landespolitik. Rot-Rot-Grün kommt in der aktuellen MDR-Umfrage kaum voran, auch weil die Linke den Grünen bei Corona das Feld überlässt. Die CDU hat keinen Bonus mehr, aber auch die AfD-Strategie verfängt bislang nicht. Eine Zusammenarbeit beider Parteien bleibt unwahrscheinlich. Aber auch den Grünen droht Gefahr durch die FDP.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Rot-Rot-Grün rennt die Zeit davon – Grüne Stärke kann Linke Schwäche kaum auffangen

Niemand schien in den letzten Tagen so sehr an Rot-Rot-Grün zu glauben, wie Politiker und Politikerinnen der CDU. Doch egal ob man eine solche Koalition als linkes "Schreckgespenst" oder als nötigen Wandel für das Land sieht: Trotz leichter Steigerung gegenüber 2016 riecht es auch anderthalb Monate vor der Landtagswahl am 6. Juni nicht nach dem großen Wechsel. So das Ergebnis der neuen Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag von MDR Sachsen-Anhalt.

Das liegt vor allem am Schwächeln der Linken. 12 Prozent, das ist der niedrigste Zustimmungswert für die Partei bei einer solchen Umfrage überhaupt. Die Strategie in der Corona-Politik, einzelne Attacken gegen Ministerpräsident Haseloff mit sich ansonsten konstruktiv gebender Kritik und Zustimmung zu vermischen, scheint bislang nicht zu verfangen.

Die Linke kann die Unzufriedenheit, die da ist, nicht nutzen. Nur Spitzenkandidatin Eva von Angern schneidet leicht besser ab als die anderen Spitzen, auch wenn sie in diesem Ranking weit abgeschlagen hinter Titelverteidiger Haseloff liegt.

Im Land des Sachsen-Anhalt-Wegs konnten sich derweil ausgerechnet die Grünen als stärkste Verfechterinnen einer harten Corona-Schutzpolitik positionieren. Obwohl die selbst mit regieren. Die Linke hat ihnen diesen Platz überlassen. Trotz der breiten Zustimmung, die die Maßnahmen bei einem nicht gerade kleinen Teil der Bevölkerung haben. Will man den Trend umkehren, muss man in der heißen Wahlkampfphase auf den großen Streitfeldern Bildungs- und Gesundheitswesen punkten.

CDU kann sich in Kenia-Koalition behaupten – etwaige Boni sind aber aufgebraucht

Auf mehr Bewegung nach oben dürfte auch die CDU setzen. Im Frühjahr 2020 lag sie in Umfragen weit jenseits der 30 Prozent, genoss einen Corona- und Amtsinhaberbonus. Diese Boni wirken aufgebraucht. Statt Absturz, ist das aber eine Normalisierung: Die Beliebtheitswerte des Ministerpräsidenten liegen auf dem Niveau von Beginn der Legislaturperiode, der Wert für die Gesamtpartei leicht unter dem Wahlergebnis von 2016.

Wenn man bedenkt, wie scharf zuletzt die Kritik am Impfmanagement und dem Umgang mit der Pandemie an Schulen war, und wenn man sieht, wie unzufrieden die Menschen insgesamt mit der Corona-Politik der Landesregierung sind, hätte es möglicherweise noch weiter nach unten gehen können. Gerade aber die Anhänger der CDU sind mit der Arbeit ihrer Partei so zufrieden wie bei keiner anderen Partei. In der Kenia-Koalition behauptet sich demnach vor allem die CDU.

Anti-Lockdown-Kurs der AfD zeigt keine Wirkung – SPD stabil auf niedrigem Niveau

Auf der Stelle tritt wohl die AfD. Der absolute Protest gegen die Corona-Maßnahmen bringt nicht den erhofften Satz an die Spitze. 20 Prozent, das liegt deutlich unter dem Ergebnis von 2016 und weit unter den 30 Prozent, die Bundeschef Meuthen für die Sachsen-Anhalter als Ziel ausgegeben hat. Deren Spitzenkandidat, Oliver Kirchner, ist wie alle anderen Haseloff-Konkurrenten kaum bekannt und obendrein den niedrigsten Zufriedenheitswert. Die Beobachtung von Teilen der Landespartei durch den Verfassungsschutz schmälert wie zu erwarten aber kaum deren Basis.

Auch ein anderes Wahlziel der AfD scheint ausgeschlossen: Der Totalabsturz der SPD bleibt vorerst aus. Sie liegt stabil bei ihrem (schlechten) Wahlergebnis von vor fünf Jahren, wenn auch mit leichter Tendenz nach oben. 

Doch die SPD bekommt ein Zukunftsproblem. Sie hat ihren Rückhalt vor allem bei den über-65-Jährigen, während die Stabilität der AfD weiterhin vor allem auf unzufriedenen Männern mittleren Alters fußt. FDP und Grüne wiederum sind tendenziell bei Jüngeren beliebter. 

Starke Grüne müssen ebenfalls starke FDP fürchten – Liberale könnten AfD-Stimmen ziehen

Fände die Landtagswahl am Sonntag statt, wären beide Parteien die großen Gewinnerinnen. Eine Zitterpartie wie 2016 mit sehr unterschiedlichen Enden dürfte es nicht wieder geben. Die Stärke der Grünen bedeutet, dass das in der Not gegen die AfD geborene Experiment Schwarz-Rot-Grün derzeit als einzige Koalitionsvariante eine deutliche Mehrheit hätte. Dennoch schwelt Gefahr.

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Die FDP schiebt mit ihren Werten eine Koalition von CDU, SPD und FDP in den Raum des Möglichen. Zunehmend selbstbewussteren, in den Koalition mitunter unbequemen Grünen droht so die Auswechslung. In der CDU wurde in den letzten Tagen immer wieder betont, dass man gerne mit den Liberalen zusammenarbeiten würde. Dieselben Rechenspiele können aber auch für eine Koalition aus CDU, Grünen und FDP angestellt werden.

Und es deutet sich an, was sich bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bereits gezeigt hat: Die FDP ist offenbar nicht nur für ehemalige CDU-Wählende, sondern vor allem auch für Abgänge von der AfD interessant. Einen Hinweis darauf gibt auch die vergleichsweise hohe Zustimmung der FDP-Anhänger für eine mögliche Zusammenarbeit von CDU und AfD.

Kanzlerkandidat(inn)en wohl ohne Einfluss – entscheidende Wahlphase beginnt bereits jetzt

Unter CDU-Anhängern wäre nicht mal jeder Fünfte derzeit für eine solche Zusammenarbeit. Den Konservativen würde sie also eher schaden, denn nutzen. Spitzenkandidat Haseloff schließt sie ohnehin aus.

Ein etwaiger Baerbock-Effekt pro Grüne und ein Laschet-Effekt gegen die CDU lassen sich aus den Werten kaum herauslesen. Das liegt zu einem daran, dass die Entscheidung für Kanzlerkandidatin bzw. -kandidat bei beiden Parteien mitten in den Befragungszeitraum fiel. Zum Anderen spielt das bundesweite Spitzenpersonal in Sachsen-Anhalt eine eher untergeordnete Rolle.

Die Landtagswahl beginnt dabei schon in der kommenden Woche. Dann werden die ersten Wahlbenachrichtigungen verschickt. Wegen der Corona-Pandemie wird ein hoher Anteil Briefwählender erwartet. Und die machen ihr Kreuz teils schon weit vor dem 6. Juni.

MDR/Karsten Kiesant, Thomas Vorreyer, Luca Deutschländer, Manuel Mohr/infratest dimap

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 23. April 2021 | 05:00 Uhr

14 Kommentare

Atheist am 23.04.2021

Da die meisten AFD Wähler aus der sogenannten Risiko Gruppe kommen war es für die AFD ein Eigentor gegen Corona zu wettern.
Profitiert hat leider die FDP die schon damals wegen einer Klage gegen Merkel gewählt wurde um sich dann genau mit dieser auf den Koalitionbalkon wiederzutreffen.
Genau dieses Spiel spielt die FDP wieder gegen das Infektionsschutzgesetz.
Aber am Ende steht sie mehr für Einschrenkungen der Freiheit.
Das die FDP aktuell für einen Deutschen Pass nach 3 Jahrennsteht zeigt deutlich wo Stimmen herkommen sollen.

nilux am 23.04.2021

Mich überrascht die Umfrage nicht. Geht es bei Linken oder SPD runter, geht es bei den Grünen hoch. Oder umgekehrt. Sind Wähler von der CDU enttäuscht, kommt die FDP wieder. Oder umgekehrt.
Und auch die AfD wird nie wieder höher in der Wählergunst steigen als bei der letzten Wahl. Wer die Landtagsdebatten mal angesehen und die Redner dieser Partei hört muss keine Angst haben, dass diese Partei jemals in der Regierung landet.

W.Merseburger am 23.04.2021

Obige Umfrage ist schon sehr erstaunlich.Besonders der Zuwachs der Bündnisgrünen und der FDP in der Wählergunst ist für mich nicht so richtig nachvollziehbar. Erstaunlich ist weiterhin, dass die AfD trotz ihrer "eigenartigen" Koronapolitik noch so großen Zuspruch hat. Allerdings wird die Briefwahl, und das ist meine feste Meinung, das Wahlergenbnis nochmal in eine andere Richtung deutlich verschieben. Es wäre wohl klüger gewesen, die Wahl auf September zu verschieben.

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