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Erstes Großprojekt einer möglichen KoalitionParteien ringen um Corona-Sondervermögen

30. Juli 2021, 19:30 Uhr

CDU, SPD und FDP wollen die Folgen der Corona-Krise mit einem Sondervermögen bewältigen. Mehr als eine Milliarde Euro könnte das kosten. Geld, das das Land krisenfest machen soll, aber aus neuen Schulden käme. In den Koalitionsverhandlungen muss nun geklärt werden, welche Ideen tatsächlich in Zusammenhang mit der Pandemie stehen.

Es geht um Geld, sehr viel Geld. Wenn am Montag die Spitzen von CDU, SPD und FDP die Endphase der Koalitionsverhandlungen einläuten, dann sind die Finanzen einer der letzten Streitpunkte. Alle drei Parteien wollen die Folgen der Corona-Pandemie bekämpfen. Dafür wollen sie auch neue Schulden machen. Aber wieviel und wofür? Da ist man sich noch nicht einig. Fest steht: Ein sogenanntes Sondervermögen soll her. Es könnte mehrere Milliarden kosten und so eines der teuersten Vorhaben in der Geschichte Sachsen-Anhalts werden.

Ministerien und Verhandler halten sich bedeckt

Ein Sondervermögen Corona liefe parallel zum regulären Landeshaushalt und würde aus Krediten finanziert. Die amtierende Landesregierung hat das Vorhaben noch vor der Landtagswahl angeschoben. Die Landesministerien sollten beim Finanzministerium anmelden, welche Maßnahmen sie dafür für sinnvoll erachten. Nun laufen erste Gespräche zwischen den Häusern.

Zu deren Stand gibt das Finanzministerium keine Auskunft. In einem Papier hat es aber Mitte Juni bereits die Grundzüge des Sondervermögens beschrieben. Demnach will man Staat und Land durch Digitalisierung krisenfester machen, der Wirtschaft und Gesellschaft einen neuen Anschub verleihen und schließlich das Gesundheitswesen und -management stärken.

Auch andere Ministerien halten sich bedeckt. Das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium teilt zumindest mit, dass man das Geld für Wirtschaftshilfen, Breitbandausbau und Digitalisierung brauche. Außerdem sollen den beiden Uniklinika mit Verlusten geholfen werden, die diese wegen Corona eingefahren haben.

In den Koalitionsverhandlungen haben die Finanzpolitiker und -politikerinnen von CDU, SPD und FDP bereits einen Einblick erhalten, was gefordert wird. Aber auch hier wurde nach außen Stillschweigen vereinbart.

Gesamtkosten im Milliardenbereich denkbar

Einer, der nah dran ist, ist Kay Barthel. Der Präsident des Landesrechnungshofs sagt, er habe gehört, dass sich die Bedarfe derzeit noch zwischen zwei und drei Milliarden Euro bewegen. So erzählt es Barthel im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

Zwei bis drei Milliarden Euro: Das wäre im Höchstfall ungefähr ein Viertel des aktuellen Landeshaushalts – und sechsmal so viel wie die 500 Millionen Euro, die der Landtag bereits im April vergangenen Jahres für die Corona-Pandemie freigemacht hat. Schon hier kam das Geld teilweise aus Schulden. Allerdings dürfte ein großer Teil der neuen Summe auf Investitionen in Kliniken entfallen.

Barthels Behörde prüft, ob Sachsen-Anhalts Verwaltung vernünftig haushaltet. Er hat mit dem Finanzministerium mehrere Gespräche zum Sondervermögen ausgemacht. "Wir sprechen immer wieder mal über bestimmte Eckpfeiler", so Barthel. "Wenn dann ein Gesetz steht, kann man sich so direkt über die Schmerzgrenzen, statt über Grundsätzliches unterhalten." Das spare Zeit.

Der Landesrechnungshof hat mehrere Gespräche mit dem Finanzministerium vereinbart. (Archivfoto) Bildrechte: picture alliance / dpa | Jens Wolf

In den bisherigen Gesprächen sei es aber nur darum gegangen, wie weit man den Zusammenhang zur Pandemie auslegen kann. Mit dem entscheidet sich alles. Alle Maßnahmen im Sondervermögen müssen nachweislich in Verbindung zur Pandemie und ihren Folgen stehen.

Landesrechnungshof: "Gibt klare Spielregeln"

In Sachsen-Anhalt gilt die Schuldenbremse. Das Land darf neue Schulden nur in Ausnahmefällen machen: wenn die Wirtschaft zusammenbricht, bei Naturkatastrophen und in "außergewöhnlichen Notsituationen". So steht es in der Landeshaushaltsordnung und in der Landesverfassung.

Was sich daraus ergibt, nennt das Finanzministerium eine "Argumentationslast". Dass die Corona-Pandemie eine Notsituation ist, ist unbestritten. Welche Projekte, die jetzt auf dem Tisch liegen, sich aber wirklich daraus ergeben, ist jetzt eine politische Frage. Denn im Zweifel landet das Sondervermögen später vor dem Landesverfassungsgericht. In Hessen, wo ein solches Sondervermögen bereits eingerichtet wurde, klagt die dortige Opposition dagegen. Das Verfahren läuft noch. 

Der Schuss muss sitzen.

Rechnungshofpräsident Kay Barthel über ein Sondervermögen

Kay Barthel spricht von "klaren Spielregeln". Die Anzahl der Projekte, die man glaubhaft in Zusammenhang mit Corona stellen können, sei begrenzt, sagt er. Auch dürften jetzt keine Projekte finanziert werden, die die Verwaltung aus der Vor-Krisen-Schublade holt. 

Finanzministerium: Diese Ausgaben lassen sich gut begründen

Laut Finanzministerium lassen sich vor diesem Hintergrund besonders gut Ausgaben begründen, die in Wirtschaftshilfen, schulische Nachhilfen oder den Breitbandausbau gehen. Kritisch sieht das Ministerium etwa den Ausbau von Radwegen, auch wenn der Menschen in Pandemiezeiten unabhängiger von vollen Bussen und Bahnen machen könnte.

Kay Barthel weist auf eine weitere Herausforderung hin: Das Sondervermögen wird wohl eine begrenzte Laufzeit von fünf Jahren haben. Die Vorhaben müssen also "in sich abgeschlossen" sein und dürfen "keine Zahlungspflicht des Landes nach sich ziehen", so Barthel. Sogenannte dauerhafte Aufgaben, also etwa die Schaffung langfristige Stellen für pädagogische Mitarbeitende an Schulen oder Beitragsfreiheit an Kitas fielen damit weg.

Parteien ringen darum, bis wann Schulden abbezahlt werden sollen

Am Ende der Koalitionsverhandlungen geht es nun um zwei Dinge. Erstens, die Regeln niederzuschreiben, anhand derer eine schwarz-rot-gelbe Regierung die Bedarfe bewerten und zusammenstreichen kann. Je enger diese Regeln gefasst sind, desto kleiner wird das Sondervermögen, desto weniger Wirkung entfaltet es aber möglicherweise auch. 

Ob am Ende auch eine konkrete Zahl im Koalitionsvertrag steht, ist fraglich. Bei ihren Vorgesprächen hatten die drei Parteien festgelegt, keine genaue Summe nennen zu wollen. Im Wahlkampf hatte die SPD für großzügige Schuldenaufnahmen geworben. Schließlich sei Geld derzeit so billig zu bekommen wie nie zuvor. Die CDU hatte immer wieder auf die bereits angespannte Haushaltslage verwiesen. Und die FDP ist generell kein Freund neuer Schulden; ihr dürfte ein Millionen- statt eines Milliarden-Programms deutlich lieber sein.

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Zweitens, CDU, SPD und FDP müssen sich einigen, bis wann diese neuen Schulden abbezahlt werden sollen. Auch hier gehen die Vorstellungen noch auseinander. Es gilt: Je größer das Sondervermögen und je kürzer der Tilgungszeitraum, desto mehr Geld muss das Land pro Jahr für das Abbezahlen der Schulden abführen. Andererseits belastet ein Sondervermögen umso mehr Generationen, je länger es getilgt wird.

Rechnungshof mahnt: "Keine weltfremden Anforderungen stellen"

Sollten die drei Parteien dann tatsächlich im September eine neue Koalition und damit Regierung bilden, würde das Finanzministerium weitere Gespräche zu den einzelnen Bedarfen führen. Anschließend ginge das Vorhaben mitsamt eines Nachtragshaushalts für das Jahr 2021 durch den Landtag und seine Ausschüsse. Der muss es schließlich als Gesetz beschließen.

Hier beteiligen sich dann auch Kay Barthel und der Landesrechnungshof an den Anhörungen. Der verspricht Schwarz-Rot-Gelb, man werde beim Blick auf das Sondervermögen keine "weltfremden Anforderungen" stellen. Corona sei schließlich etwas Besonderes. Aber angesichts von 21 Milliarden Euro bestehenden Schulden und möglichen Krisen der Zukunft sagt Barthel auch: "Der Schuss muss sitzen. Man kann den Schuldenberg nicht unendlich hoch auftürmen."

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MDR/Thomas Vorreyer

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 30. Juli 2021 | 17:00 Uhr

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