Frauen im Landtag Kerstin Eisenreich: "Es wäre absolut falsch, wie die Männer sein zu wollen"

11. März 2021, 19:20 Uhr

19 von 87: Die Zahl der Frauen im aktuellen Landtag ist überschaubar. Wie kann sich das nach der Landtagswahl am 6. Juni ändern? Die Linken-Abgeordnete Kerstin Eisenreich sagt: Aktuell sei das Klima im Landtag "eher frauenfeindlich" wahrnehmbar. Der Fragebogen.

In keinem anderen deutschen Landesparlament sind so wenige Frauen vertreten wie in Sachsen-Anhalt. Woran liegt das? Und was muss sich tun, damit sich der Frauenanteil erhöht? MDR SACHSEN-ANHALT hat alle 19 weiblichen Landtagsabgeordneten gefragt. Hier antwortet die Linken-Abgeordnete Kerstin Eisenreich.

Wo und durch wen wurden Sie politisch sozialisiert?

In der DDR geboren und aufgewachsen, wurde ich sehr stark durch meine Familie politisch sozialisiert, habe aber nach der Wende und vielen Jahren der beruflichen und familiären Herausforderungen mich eher im Kleinen (Sportverein, Elternvertretungen) engagiert. Gerade die Erfahrungen meiner Familie und auch meines Ehemannes und mir selbst haben mich dabei weiter sehr stark politisch beeinflusst.

Wer hat Sie auf dem Weg in die Landespolitik unterstützt? Wie wurden Sie gefördert?

Mir selbst ist direkte Unterstützung für die Vorbereitung und Wahrnehmung der kommunalen Mandate durch die damals amtierenden Mandatsträger*innen und den Kreisverband DIE LINKE Saalekreis sowie für den Landtag durch meine regionale Amtsvorgängerin im Landtag zuteil geworden. Dadurch war es mir möglich, im Vorhinein mich thematisch vorzubereiten und auch die internen Fraktionsstrukturen und Arbeitsweisen kennenzulernen.

Wann sind Sie zum ersten Mal in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingezogen und wie haben Sie nach Ihrem Einzug das Klima Ihnen gegenüber als Frau wahrgenommen – fraktionsintern und insgesamt?

Ich bin 2016 erstmalig in den Landtag eingezogen. Das Klima im eigentlichen politisch-parlamentarischen Raum war und ist mit dem Einzug der AfD und auch durch stark konservative Kräfte eher frauenfeindlich wahrnehmbar. Das findet alles häufig sehr subtil statt und äußert sich sehr stark im Auftreten, das Dominanz vermitteln soll. Das führt für mich als Frau durchaus zu Unbehagen beim Aufeinandertreffen mit jenen Vertretern bis hin zu unerfreulichen Auseinandersetzungen, auch wenn diese mich persönlich bisher nicht betroffen haben. Im Übrigen empfinde ich ein eher skeptisches Klima gegenüber Frauen – noch dazu aus der Linken – auch bei Vertretern bestimmter Interessenverbände, die sehr stark männerdominiert sind.

Was sehen Sie als größtes Hindernis für eine Frau?

Ich glaube, dass für die politische (und nebenbei auch jegliche andere) Karriere Frauen immer noch mehr leisten müssen als Männer, weil Messlatte und Vergleich immer Männer sind. Wir haben in der Gesellschaft immer noch – und leider wieder verstärkt – ein absolut antiquiertes Rollenverständnis. Das gilt auch für die Bewertung der dahinterstehenden Tätigkeiten. Wir Frauen brauchen aus meiner Sicht mehr Selbstbewusstsein, so zu sein, wie wir sind. Es wäre absolut falsch, wie die Männer sein zu wollen. Frauen agieren anders, debattieren anders. Und das muss endlich akzeptiert werden. Dazu kommt, dass Kinder kein Hindernis, sondern genau das Gegenteil, ein Karrierevorteil, sind.

Welche politischen Prozesse/Strukturen müssten in Ihrer Partei/Fraktion, aber auch insgesamt verändert werden, damit der Landtag weiblicher wird?

Frauen haben effektiv Nachteile, denn die Ehrenämter liegen in der Freizeit und Kinder müssen betreut werden, was in der Praxis, gerade auch im ländlichen Raum, eher den Frauen zufällt. Dies war auch bei mir ein Grund, mich erst sehr spät wieder politisch zu engagieren. Da sich jedoch solche gesamtgesellschaftlich notwendigen Änderungen von Einstellungen und Rollen nur sehr zögerlich umsetzen lassen, kommen wir wohl um ein Paritätsgesetz nicht drum herum.

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MDR/Marie Kristin-Landes, Luca Deutschländer

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. März 2021 | 19:00 Uhr

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