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Mindestens sechs Parteien werden voraussichtlich im nächsten Landtag sitzen – wer kann dann mit wem? Bildrechte: imago/penofoto

Vor der LandtagswahlDiese Koalitionen sind in Sachsen-Anhalt denkbar

02. Juni 2021, 05:00 Uhr

Kenia, Jamaika, Simbabwe? Vor und wahrscheinlich auch nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni 2021 sind viele Koalitionen denkbar. Klar ist offenbar nur eines: Gegen die CDU wird es kein Bündnis geben, die Christdemokraten müssen sich entscheiden.

von Thomas Vorreyer, MDR SACHSEN-ANHALT

CDU, SPD und Grüne: Kenia-Koalition

Sachsen-Anhalt wagte 2016 als erstes Bundesland eine sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Damals war sie aufgrund des Wahlergebnisses die einzige Konstellation, die sowohl rechnerisch als auch politisch möglich schien. Zugleich war sie ein Experiment. Inzwischen hat die Kenia-Koalition in zwei weiteren Bundesländern Nachahmer und hielt trotz mancher Bedenken bis zum Ende durch. In ihrer Bilanz stellten die Koalitionsfraktionen dem Bündnis ein gutes Zeugnis aus.  Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach von einer Spitzenleistung und fügte hinzu, die "Arbeits- und Kooperationsfähigkeit" der Koalition könnte auch für die Zukunft des Landes eine gute Basis sein. In Umfragen hat das Dreierbündnis eine Mehrheit. Es dürfte jedoch ein reines Vernunft-Bündnis sein.

CDU, SPD und FDP: Deutschland-Koalition

Eine Mehrheit hätten nach letzten Umfragen auch CDU, SPD und FDP. Das mitunter als Deutschland-Koalition bezeichnete Dreier-Bündnis findet vor allem in der CDU Anhänger. Denn die meisten Konflikte in den vergangenen fünf Jahren gab es aus Sicht der Union mit den Grünen. Warum sie nicht durch die wiedererstarkte FDP ersetzen?  Allerdings wird ausgerechnet dem Ministerpräsidenten eine Abneigung gegen die Liberalen nachgesagt. Und auch die FDP versucht, sich im Wahlkampf gegen die Union zu profilieren.

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Für die repräsentative Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap am 25. und 26. Mai insgesamt 1.249 Menschen in Sachsen-Anhalt befragt. Sie wurden zufällig ausgewählt, die Ergebnisse nach soziodemographischen Merkmalen gewichtet. Die Befragungen fanden zu einem großen Teil per Telefon (814 Interviews) statt, andernfalls online (435 Interviews). Die Schwankungsbreite liegt bei zwei bis drei Prozentpunkten.

CDU, FDP und Grüne: Jamaika-Koalition

Möglich wäre den Umfragewerten zufolge auch eine sogenannte Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen. Die SPD hat zwar immer wieder signalisiert, auch in der nächsten Regierung vertreten sein zu wollen; festlegen aber wollte sich Spitzenkandidatin Katja Pähle nicht. Mit Blick auf die CDU meinte sie gar, es komme auch darauf an, wie die sich künftig aufstelle. Sollte also die SPD als Partner ausfallen, sei es wegen des Wahlergebnisses oder als Vorgriff auf den Bundestagswahlkampf, dann könnte die CDU versuchen, Grüne und FDP in ein Boot zu holen. In Schleswig-Holstein funktioniert das ganz gut, ob es eine Option für Sachsen-Anhalt wäre, müsste noch bewiesen werden.

CDU, SPD, Grüne und FDP: Simbabwe-Koalition

Sollte die AfD noch zulegen und/oder die Freien Wähler in den Landtag einziehen, könnte es passieren, dass es für keine der Dreier-Koalitionen reichen wird. Für diesen Fall wird ein Bündnis aller vier oben genannten Parteien ins Spiel gebracht. Einen Namen gibt es auch schon dafür: Simbabwe. Bislang hat das noch niemand ausprobiert, lediglich Thüringens damaliger CDU-Chef Mike Mohring hatte 2019 schon einmal laut über eine Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP nachgedacht. In Thüringen hatte sich die Überlegung nach dem Wahlergebnis erledigt – in Sachsen-Anhalt käme es wohl auf das Geschick der CDU-Spitze an, das fragile Konstrukt zusammenzuhalten.

Allgemein

Wie kann ÖPNV in Sachsen-Anhalt flächendeckend zu einer Alternative zum Auto werden? Sollen Fernverkehrsstraßen weiter ausgebaut werden? Die Konzepte der Parteien zum Thema "Mobilität" können Sie hier nachlesen.

CDU

Die CDU möchte die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl der Verkehrsmittel nicht bevormunden. Es sollen aber Anreize für eine möglichst umweltschonende Fortbewegung gesetzt werden. Die Partei will daher etwa die Zahl der neu gebauten Radwege in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Zugleich soll der Autobahn- und Straßenbau weiter vorangetrieben werden. Spätestens 2025 sollen die A14 und die A143 komplett fertiggestellt sein. Darüber hinaus will sich die CDU für einen sechsspurigen Ausbau der A14 auf besonders stark belasteten Abschnitten einsetzen, ebenso für eine Nordverlängerung der A71 von Sangerhausen nach Bernburg. Die Mittel für den Landes- und Kommunalstraßenbau sollen auf jeweils 100 Millionen Euro pro Jahr angehoben werden und danach jährlich steigen. Tempolimits auf den Autobahnen in Sachsen-Anhalt lehnt die CDU ab. Fördern will die Partei Pendlerparkplätze, Pilotprojekte für autonomes Fahren sowie Bus- und Bahnverbindungen insbesondere im ländlichen Raum.

AfD

Die AfD möchte die bestehende Verkehrsinfrastruktur ausbauen und unter anderem Straßen und Brücken schneller als bisher sanieren. Auch für den Radverkehr will die Partei zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Für Lastwagen sollen an den Fernstraßen zusätzliche Parkflächen geschaffen werden. Landesweit will die AfD die Auslastung von Behindertenparkplätzen überprüfen, um etwaige Überkapazitäten abzubauen. Maßnahmen zur Reduzierung des Motoradlärms, zu denen der Bundesrat 2020 die Bundesregierung aufgefordert hatte, lehnt die AfD ab. Ebenso wendet sich die Partei gegen Fördermittel für Lastenräder oder Elektromobilität.

DIE LINKE

Die Linke möchte insbesondere den Umweltverbund fördern, also Fuß- und Radverkehr sowie Carsharing, Bus und Bahn. Einen guten Nahverkehr will die Partei als kommunale Pflichtaufgabe festschreiben und entsprechend mit höheren Landesmitteln finanzieren. Die Nutzung des ÖPNV soll "mittelfristig" kostenlos sein. Kurzfristig möchte die Linke kostengünstige und ganzjährig geltende Schüler-, Azubi, Studierenden- und Sozialtickets durchsetzen. Den Radverkehr will die Partei unter anderem mit höheren Landesmitteln fördern. Außerdem soll die Bewilligung von Fördermitteln für den Straßenbau an den Ausbau von Rad- und Fußwegen geknüpft werden.

SPD

Die SPD möchte, dass der ÖPNV in Sachsen-Anhalt flächendeckend zur vollwertigen Alternative zum Auto wird. Dazu gehört nach Ansicht der Partei auch ein ausgebauter Bahnverkehr. Das Stilllegen von Strecken soll verboten werden, die Reaktivierung von Trassen hingegen geprüft. Acht Prozent aller Straßenbaumittel wollen die Sozialdemokraten für den Radverkehr aufwenden und ein Programm für Radschnellwege auflegen. Bauprojekte an den Autobahnen sollen abgeschlossen und danach der Fokus auf den Erhalt der Infrastruktur gelegt werden.

GRÜNE

Die Grünen wollen den sogenannten Umweltverbund von Fußgängern, Radfahrern und ÖPNV stärken. Deren Anteil am Gesamtverkehr soll bis 2030 auf 60 Prozent steigen. Um das Ziel zu erreichen, sind Förderprogramme vorgesehen. Unter anderem soll der Kauf von Lastenrädern weiterhin finanziell unterstützt werden. Bei Bus und Bahn soll es nach Vorstellung der Grünen in Sachsen-Anhalt eine "Mobilitätsgarantie" geben. Darunter versteht die Partei, dass jeder Ort mit mehr als 100 Einwohnerinnen und Einwohnern mindestens alle zwei Stunden, mit mehr als 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern jede Stunde mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar ist. Die Einnahmen, um den Umbau und die Förderprogramme finanzieren zu können, wollen die Grünen durch höhere Parkgebühren für Autos generieren.

FDP

Für die FDP sind nach eigenen Angaben alle Formen der Mobilität und alle Antriebsarten gleichwertig. Die Partei spricht sich für den weiteren Ausbau von Fernverkehrsstraßen und anderen Straßen aus. Dabei sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Vom Einreichen bis zur Erteilung der Baugenehmigung soll alles komplett digital möglich sein. Förderprogramme will die FDP vereinfachen und zusammenfassen. Auch das Radwegenetz möchte die Partei ausbauen und dabei ebenfalls Planungs- und Umweltvorschriften vereinfachen. Im Schienenverkehr sollen Nebenstrecken reaktiviert und Bahnhöfe zu "Mobilitätszentren" ausgebaut werden, an denen etwa ausreichend Parkplätze für alle Verkehrsmittel zur Verfügung stehen.

Schwarz-Blau vs. Blau-Schwarz

CDU und AfD hätten nach dem Ergebnis der letzten Sonntagsfrage eine Mehrheit im Landtag. Offiziell schließt die CDU ein Bündnis mit der AfD aus. Doch in den letzten Jahren gab es aus der CDU immer wieder Signale in Richtung AfD. 2019 forderten zwei CDU-Politiker in einer "Denkschrift", eine Koalition nicht auszuschließen. Im vergangenen Jahr konnte Haseloff im Streit um den Rundfunkbeitrag ein Platzen seiner Koalition gerade so verhindern, nachdem große Teile der CDU gemeinsam mit der AfD gegen eine Erhöhung stimmen wollten und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht offen über eine CDU-Minderheitsregierung spekulierte, die sich ihre Mehrheit dann von der AfD hätte holen müssen. Haseloff entließ Stahlknecht daraufhin als Innenminister. Auch an der CDU-Basis gibt es Protest gegen ein Liebäugeln mit der AfD, und am Ende müssen die Parteimitglieder einem eventuellen Koalitionsvertrag zustimmen.

Neben der CDU macht sich auch die AfD Hoffnungen auf einen Wahlsieg. Der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla sagte der "Welt", stärkste Kraft zu sein, würde den Regierungsauftrag durch die Wähler bedeuten: "Diesen würden wir wahrnehmen und den anderen Parteien Gespräche anbieten." Es gebe in Sachsen-Anhalt Gemeinsamkeiten zwischen CDU und AfD.

CDU und Linke

Nach der Landtagswahl in Thüringen 2019 wurde erstmals ernsthaft über ein Zusammengehen von CDU und Linke nachgedacht. Geredet hatten beide Parteien miteinander schon 2016 in Sachsen-Anhalt. Ohne Ergebnis. Und auch 2021 wird es kein Zusammengehen geben, trotz punktueller Übereinstimmungen in der vergangenen Legislaturperiode. Dazu ist die Linke Umfragen zufolge zu schwach.

Unbekannte Größe: Freie Wähler

Sollten die Freien Wähler in den Landtag kommen, werden die Karten noch einmal neu gemischt. Die letzte Umfrage von Infratest Dimap sieht sie derzeit bei drei Prozent. Ausgeschlossen ist ihr Einzug also nicht. Und dann wären sie ein interessanter Mehrheitsbeschaffer – mit oder ohne Koalitionsvertrag.

Minderheitsregierungen

Denkbar ist auch, dass Sachsen-Anhalt nach der Wahl von einer Minderheitsregierung geführt wird. Erfahrung hat das Land damit, in den 1990er-Jahren praktizierten SPD und Grüne das Magdeburger Modell mit Tolerierung durch den Linken-Vorgänger PDS. Ein Blick ins Nachbarland zeigt, dass ein Tolerierungsmodell länger als gedacht funktionieren kann. Doch während in Thüringen die CDU der Regierung ihre Bedingungen für ein Zustimmen diktieren kann, müsste sie in Sachsen-Anhalt selbst schauen, wen sie als Partner für ihre politischen Projekte findet.

Hintergründe und Aktuelles zur Landtagswahl – unser multimediales Update

In unserem Update zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt geben unsere Redakteure einen Überblick über die wichtigsten politischen Entwicklungen – und ordnen sie ein.

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MDR

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Juni 2021 | 19:00 Uhr

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