#LTWLSA-Landtagswahl-Briefing | Freitag, 29. Januar 2021 Gut vier Monate bis zur Wahl: Die politisch heiße Phase hat längst begonnen

22. Januar 2021, 19:57 Uhr

In Ausgabe 3 unseres Briefings zur Landtagswahl: Die AfD Sachsen-Anhalt ist endgültig ins Visier des Verfassungsschutzes gerückt – und wähnt politische Motive hinter der Entscheidung. Ebenfalls Thema: Verändert die Pandemie, wie wir wählen? Und: Wen die CDU anstelle von Holger Stahlknecht ins Rennen um die Landtagswahl schicken will.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Guten Abend, liebe Politikinteressierte,

hinter uns liegt eine erneut spannende politische Woche. Und ich lehne mich ganz bestimmt nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: In diesem Takt wird es in den kommenden Monaten bis zur Landtagswahl am 6. Juni weitergehen. In unserem multimedialen Briefing wollen wir Sie deshalb immer freitags auf den aktuellen Stand bringen. So auch heute. Wer hier von Beginn an angemeldet ist, weiß schon, was nun folgt. Wer neu dabei ist – das hier ist schließlich erst die dritte Ausgabe unseres Briefings – kann sich in folgendem Video ansehen, was genau wir Ihnen mit diesem Angebot eigentlich an die Hand geben möchten.

Worum wird's heute gehen? Großes Thema in diesem Briefing wird natürlich sein, dass die AfD in Sachsen-Anhalt nun vom Verfassungsschutz beobachtet wird – wir hatten das in der vergangenen Woche ja schon kurz angerissen. Außerdem schauen wir auf die SPD, die vor wenigen Tagen ihr Programm für die Landtagswahl beschlossen hatund dabei doch recht deutlich gegen Koalitionspartner CDU geblasen hat. Ebenfalls Thema: Kann die Pandemie verändern, wie wir wählen? Am Ende dieses Briefings finden Sie natürlich noch den Überblick über das, was in den nächsten Tagen politisch wichtig wird.

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Die Woche kompakt

  • Die CDU-Fraktion im Landtag wird nach der Wahl sehr wahrscheinlich mindestens ein neues Gesicht bekommen: Eileen Koch. Die 30-Jährige soll auf dem aussichtsreichen zweiten Listenplatz der CDU stehen – anstelle des früheren Innenministers Holger Stahlknecht. So hat es in dieser Woche der Kreisvorstand der Börde-CDU vorgeschlagen (der sowohl Koch als auch Stahlknecht angehören). Wir erinnern uns kurz: Stahlknecht hatte seine Partei in der Vorwoche mit der Ankündigung überrascht, den zweiten Platz auf der CDU-Landesliste zugunsten einer "Frau mit Zukunft" zur Verfügung zu stellen. Er selbst will als Direktkandidat wieder ins Parlament einziehen. Eileen Koch ist bislang Schatzmeisterin der Börde-CDU. Ab Sommer wird sie höchstwahrscheinlich dem neuen Landtag angehören. Voraussetzung: Die CDU stimmt der Personalie intern zu. Wird Zeit, sagt die Frauen Union und betont: Das reicht noch nicht. Lesenswert dazu die heutige Geschichte aus der Mitteldeutschen Zeitung (€).

  • Die SPD in Sachsen-Anhalt bläst zum Angriff: Dass Parteien sich im Wahlkampf voneinander abgrenzen – obgleich sie gemeinsam regieren – ist nicht ungewöhnlich. Die deutlichen Worte von SPD-Spitzenkandidatin Katja Pähle voriges Wochenende können aber dann doch als Absage einer weiteren politischen Zusammenarbeit mit der CDU verstanden werden – jedenfalls für die Zeit nach der Landtagswahl und falls die Wählerinnen und Wähler das zulassen. Beim Programm-Parteitag beklagte Pähle unter anderem die "Verhinderungshaltung" ihres Koalitionspartners – und dass die CDU damit zwar die Landespresse beschäftigen, aber nicht das Land voranbringen könne.

  • Corona verändert vieles – auch die Arbeit von Parteien. Der oben genannte Programm-Parteitag der SPD war der erste in Sachsen-Anhalt, der komplett digital abgehalten wurde – eine Mammut-Aufgabe, vor allem angesichts der 337 (!) Änderungsanträge. Ich habe in dieser Woche mit Parteivertretern gesprochen, wie es denn so lief – und was ein digitaler Parteitag nicht bieten kann. Davon können Sie hier lesen.

  • Jörg Bohne – eines der Gründungsmitglieder der AfD im Bund und des Landesverbandes in Sachsen-Anhalt – hat die Partei verlassen. Das hat Kollege Christian Fuchs von ZEIT ONLINE erfahren. Bohne sagt demnach, sowohl inhaltlich als auch wegen der handelnden Personen entspreche die AfD von heute nicht mehr der Partei, die er im Februar 2013 mitgegründet habe. "Ich kann nicht erkennen, was die AfD bisher geleistet hat – außer Skandale." Bohne war dem Bericht zufolge schon einmal aus der Partei ausgetreten, 2019 aber wieder in die AfD zurückgekehrt.

  • Michael Hoffmann (CDU), Vorsitzender des Stadtrats in Magdeburg, sorgt derzeit für Unruhe in seiner Partei – und bei manchem politischen Mitbewerber. Grund: Hoffmann hat bei Facebook zuletzt scharf gegen die Corona-Politik der Bundesregierung gewettert – und Kanzlerin Angela Merkel unter anderem mit dem Zentralkomitee der SED verglichen. Warum? Das hat ihn der Kollege Timo Lehmann vom SPIEGEL gefragt. Er hat auch recherchiert, wie Hoffmanns Äußerungen innerhalb der CDU ankommen. Tobias Krull, Chef des CDU-Kreisverbands Magdeburg, hat uns heute gesagt, dass die Fraktion Hoffmann kommenden Montag eine Stellungnahme ermöglichen wird. Krull weiter: "Sollte es einen Abwahlantrag geben, werden wir uns auch damit auseinandersetzen."

Das Zitat der Woche

Das ist ausgesprochen ärgerlich.

Michael Richter, CDU Innenminister

Die AfD in Sachsen-Anhalt wird seit 12. Januar vom Verfassungsschutz beobachtet. Das hat zu Beginn der Woche die Mitteldeutsche Zeitung öffentlich gemacht. Und bevor ein falscher Eindruck entsteht: Der Satz von Sachsen-Anhalts Innenminister Michael Richter (CDU) bewertet nicht die Entscheidung des Verfassungsschutzes (dazu äußert Richter sich nämlich nicht). Vielmehr ärgert den Minister, dass die Entscheidung nach außen gedrungen ist. Denn: Was im Parlamentarischen Kontrollgremium, das dem Vernehmen nach vorigen Montag von der Entscheidung der Verfassungsschützer erfahren hatte, besprochen wird, ist eigentlich vertraulich.

Was bedeutet die Entscheidung des Verfassungsschutzes?
Der gesamte AfD-Landesverband ist nun stärker im Visier der Verfassungsschützer. Sie können die 1.400 Mitglieder der Partei in Sachsen-Anhalt nun mit geheimdienstlichen Mitteln überwachen – also zum Beispiel Mails mitlesen, Telefonate abhören oder V-Leute einsetzen.

Wie hat die AfD darauf reagiert?
Die Partei wähnt einen politischen Hintergrund. Landeschef Martin Reichardt argumentierte wie Fraktionsvorsitzender Oliver Kirchner, auf diese Weise wolle man der AfD im Superwahljahr 2021 schaden.

Und wie geht es weiter?
Die AfD will sich rechtlich wehren. Nach Mitteilung der AfD von Donnerstag hat die Landtagsfraktion Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Es gehe um üble Nachrede, Verleumdung und Geheimnisverrat. Informationen über eine mutmaßliche Beobachtung des AfD-Landesverbandes seien trotz Vertraulichkeits-Verpflichtung aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium an die Presse weitergegeben worden. Laut Fraktionschef Kirchner soll die Staatsanwaltschaft schnellstmöglich klären, wer dafür verantwortlich ist. Er sprach von einem Regelbruch.

Zu diesem Thema möchte ich Ihnen noch die Einschätzung unseres Hauptstadt-Korrespondenten Tim Herden ans Herz legen. Er sagt: Dass die AfD nun stärker ins Visier des Verfassungsschützes gerückt ist, darf in der Partei niemanden überraschen. Herden kommentiert außerdem, warum die Entscheidung der AfD am Ende sogar nützen könnte. Tipp! 

Die Geschichte der Woche

Verändert Corona die Art und Weise, wie wir wählen? Diese Frage habe ich mir zu Beginn der Woche gestellt. Darauf gebracht hat mich die doch recht niedrige Beteiligung bei der Landratswahl im Salzlandkreis vorigen Sonntag (22,07 Prozent). So mancher Wahlhelfer hat die Vermutung geäußert, die Beteiligung sei wegen der Pandemie geringer – weil Wählerinnen und Wähler aus Sorge vor einer Ansteckung gar nicht erst ins Wahllokal gegangen seien.

Mit Blick auf die Landtagswahl wäre das, sollte die Vermutung zutreffen, bedenklich. Mit dem Politikwissenschaftler Benjamin Höhne habe ich in dieser Woche per Zoom unter anderem über diese Frage gesprochen – und ihn gefragt (zugegeben etwas zugespitzt), ob es einen Punkt gibt, ab dem eine Wahl nicht mehr repräsentativ ist. Hier können Sie Auszüge unseres Gesprächs nachhören:

Für unseren Podcast "Was bleibt" hat mir mein Kollege Marcel Roth noch einige weitere Fragen zu diesem Thema gestellt – können Sie hier hören.

Der Ausblick auf die nächsten Tage

Die Linke in Sachsen-Anhalt will morgen ihre Landesliste für die Landtagswahl im Juni aufstellen – in Präsenz. Geht nicht anders, argumentiert die Partei – und verweist darauf, dass die Listenaufstellung auch nach Ansicht der Landeswahlleiterin zeitlich nicht mehr aufzuschieben ist. Für uns wird am Wochenende meine Kollegin Marie-Kristin Landes berichten. Sie sagt: "Die Linke hat sich für die Landtagswahl ein klares Ziel gesetzt: mindestens 20 Prozent. Vor allem aber will sie es besser machen als 2016, als mit Wulff Gallert als Spitzenkandidat der Wahlkampf nach hinten los ging. 2021 setzt die Partei auf zwei Dinge: Eva von Angern und eine frische Landesliste. Neben gestandenen Abgeordneten finden sich in den Top 20 des Listenvorschlags vom Landesvorstand, über den am Samstag abgestimmt werden soll, auffällig viele Gesichter aus Stadträten. Darunter der ehemalige Oberbürgermeister Halberstadts, Andreas Henke, der derzeit auf Platz 8 steht.

Gleichzeitig schickt die Linke mit Eva von Angern zum ersten Mal seit 2006 eine Frau als Spitzenkandidatin ins Rennen. Ein Vorschlag, der im Sommer noch für ein wenig Ärger sorgte. Einige Kreisverbände fühlten sich in Sachen Mitsprache vom Landesvorstand übergangen. Jetzt am Samstag wird sich zeigen, ob von Angern es schafft, ihren ersten Platz auf der Wahlliste zu legitimieren.

MDR-Reporterin Marie-Kristin Landes

Den Bericht von Marie-Kristin Landes sehen Sie am Sonnabend bei uns im MDR-Fernsehen.

Übrigens: Nicht auf der Liste steht der frühere Fraktionschef der Linken, Swen Knöchel. Kollege Hagen Eichler von der Mitteldeutschen Zeitung hat auch erfahren, warum. Knöchel will Landrat im Landkreis Anhalt-Bitterfeld werden, schreibt Eichler.

Anders als die Linke hat die CDU ihre für dieses Wochenende geplante Landesvertreterversammlung abgesagt. Sie soll in der zweiten Februar-Hälfte wiederholt werden. Ebenfalls gestrichen ist die Präsentation des CDU-Landtagswahlprogramms, die eigentlich für kommenden Montag geplant war. Grund, laut Partei, auch hier: die Corona-Pandemie.

Zum Schluss

Nachträgliche Geburtstagsgrüße gehen an dieser Stelle an Wolfgang Böhmer. Sachsen-Anhalts früherer Ministerpräsident (CDU) ist am Mittwoch nämlich 85 geworden. "Er war tatsächlich ein Landesvater", würdigte CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt Böhmer diese Woche. Und nicht nur er hat sich geäußert: Kollege Fabian Albrecht von der Deutschen Presse-Agentur hat mit Weggefährten von Wolfgang Böhmer gesprochen – davon können Sie hier bei der Mitteldeutschen Zeitung lesen. Auch von uns: Alles Gute und vor allem Gesundheit!

Eine letzte Frage: Haben Sie schon von der App "Clubhouse" gehört? Über die wird vor allem bei Twitter gerade besonders viel gesprochen. Ich habe mich gefragt, ob "Clubhouse" Auswirkungen auf die Art des Wahlkampfs haben könnte. Hier können Sie mein Gespräch mit Kollege Julien Bremer – unserem Experten für alles rund um das Thema Audio – hören.

Sie wollen Kontakt aufnehmen?

Mich persönlich erreichen Sie auch über luca.deutschlaender@mdr.de und auf Twitter unter @LDeutschlaender.

Das war es für diese Woche von mir, nächsten Freitag begrüßt Sie an dieser Stelle wieder mein Kollege Thomas Vorreyer. Genießen Sie bis dahin das Wochenende und bleiben Sie gesund. Fehlt  noch eine Info: Bis zur Landtagswahl am 6. Juni 2021 bleiben 128 Tage.

Luca Deutschländer

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Recherche/Redaktion: MDR/Luca Deutschländer

3 Kommentare

ralf meier am 30.01.2021

Pünktlich zu Begin des Wahlkampfes wird die Landes AFD vom Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt eingeordnet. Die Veröffentlichung dieser Entscheidung ist zwar gesetzeswidrig, aber was solls. Nicht nur der Verfassungschutz wird den Erwartungen eines Herrn Stegner gerecht und deshalb auch schon mal von Kritikern Regierungsschutz genannt. Auch die Qualitätsmedien incl. MDR sind sich Ihrer Verantwortung bewußt und so bleibt die Veröffentlichung zwar nicht legal aber aus Sicht politisch korrekter Journalisten sicherlich legitim. Ich wünsche der AFD und ihren Wählern im Umgang mit dem Regierungs- pardon Verfassungschutz die bewundernswerte Gelassenheit, die die Linken und ihre Wähler schon seit Jahrzehnten beweisen.

Pollux am 30.01.2021

Ich freue mich schon darauf, wählen zu dürfen. Und ich bin auf die Wahlergebnisse gespannt. Stichwort: Corona-Politik.

jackblack am 29.01.2021

Die AfD hatte noch keine politische Verantwortung- wie kann man ihr da Fehler in die Schuhe schieben, andere Parteien haben schon manches VERBOCKT.

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