Hans-Thomas Tillschneider (AfD) im Landtag
Bislang als Bildungspolitiker in Erscheinung getreten: Hans-Thomas Tillschneider soll für die AfD den Vorsitz im Rechtsausschuss übernehmen. (Archivbild) Bildrechte: imago images / Christian Schroedter

Andere Fraktionen diskutieren bereits Abberufung Vom Verfassungsschutz überwachter AfD-Abgeordneter Tillschneider soll Verfassungsausschuss leiten

26. Juli 2021, 17:54 Uhr

Die AfD-Fraktion darf in dieser Legislatur den Rechtsausschuss des Landtags leiten. Das Amt soll der Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider übernehmen, der selbst im Visier des Verfassungsschutzes steht. In den fünf anderen Fraktionen wird bereits offen über eine Abberufung des Politikers nachgedacht. Die CDU will dabei auf die Verbände hören, die Grünen prüfen ein Vorgehen noch vor der ersten Ausschusssitzung.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Hans-Thomas Tillschneider (AfD) soll der neue Vorsitzende des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung im Landtag von Sachsen-Anhalt werden. Das hat die AfD-Fraktion beschlossen. Ihr steht der Vorsitz in dem Ausschuss zu. Die Vorbehalte im restlichen Landtag sind allerdings groß.

Linke und Grüne streben eine schnelle Abberufung Tillschneiders an. Die CDU meldet dafür verfassungsrechtliche Bedenken an, will einen späteren Abberufungsantrag aber unterstützen, sofern sich etwa betroffene Verbände gegen Tillschneider aussprechen würden. SPD und FDP wollen abwarten, was der AfD-Mann im neuen Amt tut.

Verfassungsschutz überwacht Tillschneider

Tillschneider steht für diverse Äußerungen in der Kritik. In seinen Reden nannte er Staat und Demokratie in Deutschland "deformiert" oder setzte die Bundesrepublik mit einer Diktatur gleich. Den Islam bezeichnete der Abgeordnete als "Baumpilz" an der "deutschen Eiche", die westliche Gesellschaft als "sozial zersetzt" und "krank".

Für diese und andere Aussagen hat Tillschneider sich bis heute nicht entschuldigt. Er hat sie lediglich präzisiert, nachdem sie in einem Gutachten des Verfassungsschutzes auftauchten. Vor zwei Jahren hatte die Behörde Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der AfD zusammengetragen. Tillschneider wird darin dutzendfach erwähnt, auch weil er enge Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung pflegt.

Der Verfassungsschutz schätzt die von Tillschneider ausgehende Gefahr derart hoch ein, dass er ihn seit vergangenem Jahr mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. Im Landtagswahlkampf stellte der Politiker die Corona-Politik als weltweite Verschwörung dar und drohte Gegendemonstrierenden offen mit Gewalt.

Andere Fraktionen lehnen Personalie geschlossen ab

"Hans-Thomas Tillschneider ist völlig ungeeignet für das Amt des Ausschussvorsitzenden", sagte SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben MDR Sachsen-Anhalt. Eine Abberufung käme aber erst dann in Frage, wenn Tillschneider sich im Amt eine Verfehlung leiste. "Man muss jetzt kein Politiktheater veranstalten", so Erben.

Ähnlich sieht das der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Guido Kosmehl. Er geht aber davon aus, dass Tillschneider neue Gründe für eine Abberufung liefern wird.

Dass es diese überhaupt braucht, bezweifeln Linke und Grüne. Bereits jetzt seien die Voraussetzungen für eine Abwahl gegeben, so Linken-Fraktionschefin Eva von Angern.

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Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Sebastian Striegel, würde gern so früh wie möglich einschreiten. Tillschneider habe sich bereits jetzt klar als "Verfassungsfeind" zu erkennen gegeben. Er solle erst gar nicht in die Lage versetzt werden, möglichen Schaden anzurichten. Striegel prüft derzeit, ob Tillschneider wirklich erst eine Sitzung leiten muss, bevor ein Antrag gestellt werden kann.

Aus Sicht der CDU-Fraktion hätte so ein Unterfangen kaum Erfolg vor dem Landesverfassungsgericht. Der Ausschuss müsse sich erst konstituieren, so Fraktionschef Siegfried Borgwardt. Die CDU würde aber eine Abberufung unterstützen, wenn sich betroffene Verbände offen gegen Tillschneider aussprechen würden, etwa der Bund der Richter und Staatsanwälte. So sei es auch einst bei der Abberufung der Linken-Politikerin und ehemaligen Stasi-IM Gudrun Tiedge aus demselben Amt gewesen.

Um einen Ausschussvorsitzenden abberufen zu können, müssen im Landtag zwei Drittel aller Abgeordneten dafür stimmen. Das ist im derzeitigen Landtag nur mit der CDU möglich.

AfD sieht Diskussion gelassen

Als Ausschussvorsitzender würde Tillschneider möglicherweise sensible Informationen als Erster erhalten. Er wäre aber verpflichtet, diese mit dem Ausschuss zu teilen. Der Verfassungsschutz selbst unterrichtet nicht den Ausschuss, sondern das Parlamentarische Kontrollgremium. Anders sieht es bei Informationen zu strafrechtlichen Ermittlungen aus, auch jenen, bei denen der Staatsschutz ermittelt.

Der Fraktionsvorsitzende der AfD, Oliver Kirchner, hält derweil an der Entscheidung für Tillschneider fest. Ein Ausschussvorsitzender müsse vor allem Sitzungen leiten können, so Kirchner. Tillschneider habe bewiesen, dass er das kann. Einem möglichen Abberufungsantrag sehe Kirchner "sehr gelassen" entgegen.

Der AfD steht neben dem Vorsitz des Rechts- und Verfassungsausschusses auch die Leitung des Innen- sowie des Sozialausschusses zu. Dem Innenausschuss soll künftig Matthias Büttner aus Staßfurt vorsitzen, der gerade erst bei der Wahl zum Landtagsvizepräsidenten durchgefallen war. Den Sozialausschuss übernimmt erneut Ulrich Siegmund.

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Bildungspolitiker Tillschneider war bislang nur stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss gewesen. Nicht zum Zug kommt der bisherige Innenausschussvorsitzende Hagen Kohl, der auch ordentliches Mitglied des Rechtsausschusses war. Laut Kirchner habe Kohl nicht erneut einen Vorsitz übernehmen wollen.

Den Zugriff auf den Rechtsausschuss hat die AfD nur bekommen, weil CDU, Linke und SPD zuvor alle anderen Ausschüsse bis auf diesen und den Umweltausschuss für sich beansprucht hatten. Der FDP blieb nach dem dritten Zuschlag der AfD nur noch der Umweltausschuss.

Angesichts des Widerstands gegen ihn sprach Hans-Thomas Tillschneider in der "Mitteldeutschen Zeitung", die als erste über die Personalie berichtet hatte, von einem "undemokratischen Spiel". Am Wochenende nahm er dann an einer Veranstaltung des Instituts für Staatspolitik (IfS) teil. Das "Institut" der Neuen Rechten wird ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet.

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MDR/Thomas Vorreyer

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 26. Juli 2021 | 19:00 Uhr

120 Kommentare

SZ Rentner am 28.07.2021

@ Jan
Das dürfte doch für einen DENKER wie sie kein Problem darstellen .
Fallls sie wirklich nicht drauf kommen ihre Einstellung und ihre Ignoranz gewissen Problemen gegenüber . Leer ??? als Beispiel .

Erichs Rache am 28.07.2021

@JanoschausLE

In Ihren Kategorien denke ich nicht ... und Höcke geht mir am Ar... vorbei! Traurig genug, das so einer überhaupt in Thüringen rumhampeln kann. Letztlich aber auch die Konsequenz aus den "Fehlern der letzten 30 Jahre" in denen vornehmlich die Schwarzkittel am Ruder waren

SZ Rentner am 28.07.2021

Janoschaus LE
Sie sind ja ein richtiger Dimhi .
Wenn sie schon die Sure 5:32 zitieren doch dann bitte richtig .
"Sure 5, Vers 32: Aus diesem Grunde haben Wir den Kindern Isrāʾīls vorgeschrieben: Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält. Unsere Gesandten sind bereits mit klaren Beweisen zu ihnen gekommen. Danach aber sind viele von ihnen wahrlich maßlos auf der Erde geblieben. "

Den Kindern Israels !
Wie wärs jetzt mal mit Sure 5:33 ???

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