Erste Politiker aus Sachsen-Anhalt sind schon dabei Welche Rolle das soziale Netzwerk "Clubhouse" im Wahlkampf spielen kann

29. Januar 2021, 12:51 Uhr

Userinnen und User von Twitter werden den Hype schon mitbekommen haben: Seit einigen Tagen wird im Kurznachrichtendienst über "Clubhouse" diskutiert – ein soziales Netzwerk, in dem Menschen live miteinander diskutieren können. Schon sind auch erste Landespolitikerinnen und Landespolitiker dabei, diskutieren über Politik in Sachsen-Anhalt. Fragt sich: Wird "Clubhouse" mehr als nur ein Hype? Und: Kann es Auswirkungen auf den Wahlkampf haben?

Luca Deutschländer
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Symbolfoto Clubhouse Netzwerk und Audio App auf einem Smartphone
Die App "Clubhouse" erlebt in den sozialen Netzwerken in diesen Tagen einen regelrechten Hype. Bildrechte: imago images / Political-Moments

Daniel Krüger ist ein durch und durch digital denkender Mensch. Kein Wunder also, dass der Magdeburger einer der ersten in Sachsen-Anhalt war, die die politische Komponente der US-App "Clubhouse" für sich entdeckt hat. Krüger, Chef einer Agentur für digitale Kommunikation, diskutierte zu Beginn dieser Woche über Landespolitik in Sachsen-Anhalt. Die Sozialdemokratin Katharina Zacharias diskutierte mit, ebenso Henriette Quade von den Linken. Für die CDU war der Landtagsabgeordnete Tobias Krull dabei, für die Grünen Sebastian Striegel. Wenige Tage später bilanziert Krüger: "Clubhouse" kann im Landtagswahlkampf durchaus eine Rolle spielen – wenn die Betreiber das soziale Netzwerk weiterentwickeln.

Das ist "Clubhouse"

Markenzeichen der US-App "Clubhouse": Es geht allein um Audioinhalte. Bilder und Videos (wie bei Instagram oder Facebook) spielen keine Rolle, ebenso geschriebene Texte. Kern der App sind sogenannte Rooms, in denen sich Menschen aufhalten, um miteinander über Themen aller Art zu diskutieren. Es gibt eine Art digitale Bühne mit Gästen, Moderatoren und ein Publikum. Gemeinsam halten sie eine Art digitale Podiumsdiskussion ab – ohne sich dabei zu sehen. Doch nicht jeder kann die App bislang nutzen: Nur Nutzer per Einladung können sich aktuell beteiligen – und nebenbei auch nur solche, die ein iPhone oder iPad besitzen.

"Clubhouse ist aktuell noch sehr elitär", sagt Krüger. Nur, wer ein Gerät von Apple hat, kann Diskussionen zuhören und sich einmischen. Anroid-Nutzer sind, Stand jetzt, per se ausgeschlossen. Die Betreiber der App haben zwar angekündigt, das ändern zu wollen – noch aber ist nicht endgültig klar, wann auch Besitzerinnen und Besitzer eines Samsung-Smartphones in das "Clubhouse" einsteigen können. "Wenn man aber einmal drin ist", sagt Krüger, "nehme ich 'Clubhouse' als sehr partizipativ und demokratisch wahr."

Digital-Experte: App kann digital übliche Blasen durchbrechen

Krüger schätzt an der App, dass sie imstande ist, die digital üblichen Blasen zu durchbrechen. Als Beispiel: Wer auf Twitter oder Facebook aktiv ist, landet fast automatisch in einer solchen Blase – indem er oder sie von Algorithmen die Beiträge angezeigt bekommt, die auf hohe Zustimmung treffen. Bei "Clubhouse" sei das anders, sagt der Digitalexperte, der über die App vor wenigen Tagen einer englischsprachigen Debatte über weibliche Lkw-Fahrerinnen in den USA zuhörte. "Es gibt vieles zu entdecken", sagt er.

Mit Blick auf den Wahlkampf bedeutet das aus Krügers Sicht Folgendes: Wer unkompliziert ins Gespräch mit Abgeordneten kommen möchte, der kann das via "Clubhouse" theoretisch tun. Für den Magdeburger ist dennoch klar: Die Betreiber der App müssen daran arbeiten, Beleidigungen und Hetze zu reglementieren und kontrollieren. Schließlich gibt es aus den USA schon jetzt Berichte über rassistische wie extremistische Entgleisungen in der App.

Der Ton bei 'Clubhouse' ist in Deutschland nach meiner Wahrnehmung noch sehr höflich, freundlich und zuvorkommend – so wie auf Twitter 2009. Inzwischen sehen wir ja, wie sich Twitter entwickelt hat.

Daniel Krüger Digital-Experte aus Magdeburg

Kann "Clubhouse" also mehr sein als nur ein Hype? "Schwierig zu sagen", meint Krüger. "Das wird maßgeblich davon abhängen, in welche Richtung der Content der App sich entwickelt." Das Potenzial ist in jedem Fall da, sagt Julien Bremer, Audiostratege von MDR SACHSEN-ANHALT. Auch er sieht aber die vielen Probleme, die "Clubhouse" aktuell hat. Beispiel: Datenschutz. Noch sei zum Beispiel nicht endgültig geklärt, wie mit illegal mitgeschnittenen Diskussionen umgegangen werde.

"Clubhouse" in der Kritik: Verbraucherschützer mahnen gravierende rechtliche Mängel an

Die App "Clubhouse" sorgt bei Daten- und Verbraucherschützern alles andere als für Begeisterung: So mahnte der Bundesverband der Verbraucherzentralen am Mittwoch "gravierende rechtliche Mängel" an. Grund: In Deutschland werde der Dienst ohne erforderliches Impressum betrieben, Datenschutz-Hinweise lägen zudem nicht wie vorgeschrieben auf Deutsch vor. Die App verstoße zudem gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), hieß es.

Ähnlich hatte sich zuvor der Datenschutzbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Kugelmann, geäußert. "Clubhouse" sei ersten Erkenntnissen zufolge aus "Datenschutzperspektive höchst problematisch". Bei der Verwendung von Clubhouse werde von den Nutzern verlangt, "die auf ihrem Gerät gespeicherten Kontaktdaten anderer Personen zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese dem zustimmen müssten", sagte Kugelmann. Zudem sei in keiner Weise transparent, welche Daten die App dauerhaft speichere, etwa Mitschnitte von Gesprächen, und wie diese in Zukunft genutzt würden.

Und der Nutzen aus politischer Sicht? Durchaus vorhanden, sagt Bremer. "Clubhouse kann Dinge bieten, die andere Apps oder Medien nicht unbedingt bieten können: Ich höre, wie Politikerinnen und Politiker sprechen. Das ist etwas anderes, als wenn ich ein Interview lese. Ich höre, wie Person X oder Y was meint. Ich höre, ob mir das sympathisch ist oder nicht."

Dazu kommt: Das Angebot sei extrem niedrigschwellig – dann jedenfalls, wenn man die App einmal installiert hat. "Nach der Installation kostet es mich wenige Klicks, bei einem Talk mitzumachen und mit Politikerinnen und Politikern zu sprechen", sagt Bremer. "Das ist etwas, das es so in der Form bislang nicht gibt."

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In unserem Briefing zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt geben unsere Redakteure einen Überblick über die wichtigsten politischen Entwicklungen – und ordnen sie ein.

Recherche/Redaktion: MDR/Luca Deutschländer, Katja Luniak

1 Kommentar

Realist62 am 31.01.2021

Man kann doch eher davon ausgehen, daß was die Politiker nach AUSSEN vertreten, eher wählt als das, was da im ,,Clubhouse" geschrieben wird. Dazu sind doch die hiesigen Politiker doch zu bekannt.

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