Ein grüner Traktor mäht Getreide auf einem Feld.
Mehr als die Hälfte der Gesamtfläche Sachsen-Anhalts wird für die Landwirtschaft genutzt. (Symbolbild) Bildrechte: MDR/Unsplah/Randy Fath

Tag des offenen Hofes Wachsender Ökolandbau, fehlender Nachwuchs: Fünf Fakten über die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt

11. Juni 2022, 07:38 Uhr

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Biobetriebe und die ökologische Landwirtschaftsfläche in Sachsen-Anhalt haben sich seit 2009 verdoppelt. Analysen von MDR Data zeigen aber: Viele der landwirtschaftlichen Betriebe haben aktuell keine Nachfolge. Fünf Fakten zum Zustand der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt.

Julia Bartsch
Bildrechte: Susen Heyder

1. Die ökologische Landwirtschaft hat sich in den vergangenen zwölf Jahren verdoppelt.

Die Anzahl der ökologischen Betriebe hat sich in Sachsen-Anhalt in den Jahren 2009 bis 2021 verdoppelt. Während Ende 2009 noch 324 Betriebe ökologischen Landbau betrieben haben, waren es Ende 2021 schon 650 Betriebe. Damit wirtschaften 15,8 Prozent der landwirtschaftlichen Unternehmen ökologisch.

Was ist ökologischer Landbau?

Ökologischer Landbau ist eine ressourcenschonende, umweltverträgliche und nachhaltige Wirtschaftsform. Dabei wird ein möglichst geschlossener Betriebskreislauf angestrebt, in dem Ackerbau und Viehhaltung aneinander gekoppelt sind. Im Fokus stehen vor allem Boden-, Gewässer-, Arten- und Tierschutz. Deutschland ist der größte Markt für Bio-Lebensmittel in Europa und der zweitgrößte weltweit. Die Bundesregierung will bis 2030 eine Ausweitung der ökologischen Landwirtschaft auf 30 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche erreichen.

Auch der Anteil der ökologisch genutzten Landwirtschaftsflächen verzeichnete in den vergangenen Jahren einen hohen Anstieg. So hat sich die Fläche, auf der ökologischer Landbau betrieben wird, in der analysierten Zeitspanne mehr als verdoppelt, zeigen Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die MDR Data ausgewertet hat. Vor allem in den Jahren ab 2017 nahm die Fläche enorm zu, sodass im Jahr 2021 bereits 9,9 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ökologisch bewirtschaftet wurden. Von den Ambitionen der damaligen Landesregierung im Jahr 2018, den Ökolandbau mittelfristig auf 20 Prozent der Flächen zu erweitern, ist Sachsen-Anhalt indes noch weit entfernt.

Zwar wurde unter der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen) der Ökolandbau enorm gefördert, sodass gegenwärtig die Biolandwirte für jeden Hektar 273 Euro pro Jahr bekommen – als Ausgleich, um den konventionellen Betrieben wirtschaftlich gleichgestellt zu sein. Allerdings könnte diese Förderung künftig deutlich kleiner ausfallen.

Der jetzige Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) sprach im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT mit März 2022 von etwa 200 Euro, die die Landwirte in der nächsten Förderperiode pro Hektar und Jahr bekommen werden. Der Agrarpolitische Arbeitskreis Ökologischer Landbau rechnet dadurch mit einem Rückgang des ökologischen Landbaus.

2. In allen Landkreisen stieg der ökologische Landbau stark an, besonders Wittenberg und Halle stechen hervor.

Die Landwirtschaft spielt in Sachsen-Anhalt ökonomisch und ökologisch, aber auch gesellschaftspolitisch eine große Rolle. In vielen ländlichen Gebieten ist sie der einzige bedeutende Wirtschaftsfaktor. Im Vergleich zur konventionellen braucht die ökologische Landwirtschaft mehr Arbeitskräfte, weshalb sie in besonderem Maß Arbeitsplätze sichert und schafft.

Wie sich die Entwicklung des Ökolandbaus auf regionaler Ebene in Sachsen-Anhalt entwickelt hat, ist aus Daten des Statistischen Landesamtes ablesbar. Allerdings werden dort nur Betriebe mit einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von mindestens fünf Hektar berücksichtigt. 2020 wurden dadurch beispielsweise 57 Betriebe in Sachsen-Anhalt aus der Statistik ausgeschlossen, was neun Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe des Bundeslands sind.

Die anteilig meiste ökologische Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt wird mit jeweils knapp einem Drittel aller Betriebe im Landkreis Wittenberg sowie in Halle betrieben. Im Landkreis Stendal gibt es die meisten landwirtschaftlichen Betriebe mit mindestens fünf Hektar Fläche. Insgesamt sind es dort 602 Betriebe, von denen rund 20 Prozent ökologisch bewirtschaftet werden.

Den geringsten Anteil ökologischer Betriebe gibt es in Magdeburg und im Burgenlandkreis mit jeweils nur knapp fünf Prozent.

Die enorme Zunahme der Ökolandwirtschaft auf Länderebene zeigt sich in den Jahren 2010 bis 2020 auch in den Landkreisen. Die Anzahl der ökologischen Betriebe hat sich in Halle, dem Landkreis Stendal und dem Salzlandkreis teilweise mehr als verdoppelt, im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und dem Saalekreis sogar mehr als verdreifacht. Den mit Abstand größten Zuwachs verzeichnete aber Dessau-Roßlau.

3. Die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche fällt auf den Getreideanbau.

Im Jahr 2020 wurden rund 60 Prozent von Sachsen-Anhalts landwirtschaftlich genutzter Fläche als Ackerland bestellt. Die Hälfte davon ist Getreide, wie Weizen, Roggen oder Gerste, gefolgt von 21 Prozent Pflanzen zur Grünernte, also Grünmais oder Pflanzen zur Verwendung für Futter oder zur Biogaserzeugung.

Laut Statistischem Bundesamt werden im deutschen Durchschnitt eher Dauergrünkulturen, also Wiesen und Weiden, ökologisch bewirtschaftet. In Sachsen-Anhalt allerdings wird zu 64 Prozent Ackerland ökologisch bewirtschaftet. Das kann an dem hohen Anteil von Getreide im Ackerbau liegen. 73 Prozent des Getreideanbaus sind ökologisch, während es deutschlandweit gerade einmal knapp die Hälfte sind.

4. Die Viehhaltung ist seit Jahren rückläufig.

Knapp 53 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen-Anhalt halten Vieh. Laut Erik Hecht, Pressesprecher des Bauernverbands Sachsen-Anhalt, ist die Viehhaltung in den vergangenen Jahren wegen wachsender politischer Vorgaben und Mehrkosten bei gleichen Erzeugerpreisen stark zurückgegangen. Seit 2012 hat sich beispielsweise die Zahl der Milchbauern halbiert und ist weiter rückläufig.

13 Prozent der Höfe in Sachsen-Anhalt betreiben ökologische Viehhaltung, regional sind die Unterschiede allerdings recht groß. Tiere aus ökologischer Haltung bekommen ökologisch erzeugtes Futter und können ihren natürlichen Bedürfnissen in Ruhe nachgehen. Anatomische, physiologische oder psychische Schäden bei den Tieren werden vermieden.

5. Unsichere Zukunft: Zwei Drittel der Höfe haben keine Nachfolge.

30 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen-Anhalt haben Inhaber, die 55 Jahre und älter sind. Zwei Drittel dieser Höfe haben keine oder eine ungewisse Hofnachfolge.

Die Struktur der Landwirtschaft und ihrer Betriebe in Sachsen-Anhalt hat sich maßgeblich in der Nachwendezeit gebildet. Dementsprechend sind viele Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter auf der Suche nach einer Nachfolge.

Erik Hecht Pressesprecher des Bauernverbands Sachsen-Anhalt

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt weiß, dass das in vielen Betrieben am anstehenden Generationenwechsel liegt. Es müsse nicht nur fachlich und menschlich passen, auch viele rechtliche Anforderungen müssten beachtet werden. Das Problem ist vor allem in Dessau-Roßlau und Halle präsent. Dort haben 90 bzw. sogar 100 Prozent der Höfe keine oder keine gesicherte Nachfolge. Aber auch der Altmarkkreis Salzwedel sowie die Landkreise Mansfeld-Südharz, Stendal und Wittenberg sind besonders betroffen.

Selbst in Magdeburg, wo der niedrigste Wert festgestellt wurde, haben die Hälfte aller Betriebe mit Inhabern, die 55 Jahre oder älter sind, keine gesicherte Nachfolge.

Die Betriebe stehen als Ausbildungsanbieter und Arbeitgeber in Konkurrenz zu anderen Branchen, in denen es beispielsweise keine arbeitsreichen Phasen wie die Erntesaison gibt.

Erik Hecht Pressesprecher des Bauernverbands Sachsen-Anhalt

Nur 160 junge Menschen haben im September 2021 eine Ausbildung zum Landwirt begonnen, was nicht ausreicht. Um mehr junge Menschen für die Landwirtschaft zu begeistern, werden zum Beispiel Tage des offenes Hofs veranstaltet.

MDR (Julia Bartsch)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Juni 2022 | 17:00 Uhr

5 Kommentare

Flum am 13.06.2022

Das aber alleine auf die "woke" Jugend zu schieben ist zu einfach. Alle genannten Berufsgruppen haben ihre Berechtigung. Jedoch glänzt die Landwirtschaft nicht gerade mit tollen Arbeitsbedingungen und guter Bezahlung. Seit Jahrzehnten wird es der Landwirtschaft durch diverse Gründe immer schwerer gemacht, wirtschaftlich zu arbeiten. Der Stellenwert eines Landwirts oder einer in der Landwirtschaft Angestellten Fachkraft ist gering. Da kann ich es niemandem verübeln, sich einen anderen Job zu suchen.
Es würde natürlich helfen, wenn man unseren Landwirten mehr Respekt zollt, sowohl in wertschätzender, als auch in finanzieller Hinsicht. Wo erledigen Sie denn Ihren Wochenendeinkauf? Bei Aldi, Lidl, Rewe Edeka oder Kaufland werden Sie diesen Respekt jedoch nicht erreichen. Beim Hofladen um die Ecke (sofern es sie noch oder wieder gibt) schon eher. Da hat der Landwirt auch die Möglichkeit langfristig zu überleben oder einen Nachfolger zu finden.

Anni22 am 12.06.2022

@ Denkschnecke Das finde ich nicht, denn Tatsache ist, dass zu viele jungen Leute nicht mehr Handwerker, Arbeiter, Pfleger, S-Bahnfahrer werden wollen. Körperliche Arbeit, womöglich im Schichtbetrieb, ist für viel unvorstellbar geworden. Home-office , dass wird erträumt. So wird der Staat aber nicht funktionieren.

Euphemismus am 12.06.2022

Liebe MDR Redaktion: Sicher ist es noch niemanden so direkt aufgefallen, die Rettung der Galaxie des Klimas, Euros, Diesel, Haltung usw. haben die Aufmerksamkeit abgelenkt. Sicher hat das auch nichts mit der Diffamierung der Landwirte zu tun. Aber eventuell sollten einige der Weltwetter doch mal anfangen sich damit zu beschäftigen etwas zu schaffen statt die Berufung darin zu suchen alle zu kritisieren, forderungen zu stellen,
jene die arbeiten möchten es doch schneller tun. all die Ankündigungen und 30 Jahrpläne bringen halt kein Getreide vom Feld oder ein Ei in den Becher.
Die engagierten könnten doch in der Landwirtschaft helfen.
dann kann der Dieselschlepper auch im Stall bleiben.
Wenn die Bauern keine Nachfolger haben, wär das für alle auch irgendwie doof.
sapere aude

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