LehrermangelModellprojekt aus Sachsen-Anhalt wirbt internationale Lehrkräfte an
Im Kampf gegen den Lehrermangel wirbt Sachsen-Anhalt Personal aus dem Ausland an. 46 Lehrkräfte konnten so schon gewonnen werden. Das Programm soll fortgesetzt werden. Die Lehrergewerkschaft GEW fordert allerdings, bessere Bedingungen für Lehrkräfte zu schaffen.
- Sachsen-Anhalt sucht im Ausland nach Lehrkräften.
- Die GEW kritisiert das und fordert stattdessen eine bessere Bezahlung für Lehrer.
- Eine Argentinierin, die über das Programm eine Stelle in Merseburg gefunden hat, ist glücklich mit ihrem neuen Job.
Schon als Kind wollte Mariana Castillo Hermanowski Lehrerin werden. In ihrer Heimat Argentinien hat sie ein Studium als Lehrerin und Übersetzerin absolviert. Heute steht sie in Merseburg (Saalekreis) vor einer Grundschulklasse. Über eine Agentur ist sie online auf das Stellenangebot aus Sachsen-Anhalt aufmerksam geworden. Seit eineinhalb Jahren rekrutiert das Land auf diese Weise internationale Lehrkräfte.
Mit dem "Headhunter"-Programm geht das Bildungsministerium neue Wege im Kampf gegen den Lehrermangel. Als erstes Bundesland sucht Sachsen-Anhalt im europäischen Ausland nach Personal. 46 Lehrer konnten auf diese Weise bislang verpflichtet werden. Pro Person kostet das rund 12.000 Euro.
Was bedeutet ein "Headhunter"-Programm?Der Begriff "Headhunter" bedeutet wortwörtlich "Kopfjäger". Auf dem Arbeitsmarkt meint dieser Begriff Personalberater, die gezielt nach Fachkräften suchen. Das Headhunting-Verfahren ist in der Wirtschaft mittlerweile gang und gäbe. Im Bereich der staatlichen Lehrersuche ist es tatsächlich ein Novum. Die Auszahlung an die Headhunter erfolgt in drei Schritten: bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrags, bei Antritt des Dienstes und nach Ende der Probezeit von sechs Monaten.
Im Vergleich zu den Ausbildungskosten sind die Kosten für die Rekrutierung wesentlich geringer, sagt Bildungsministerin Eva Feußner.
Wir brauchen mindestens 1.000 Lehrkräfte pro Jahr. Wir bilden auch theoretisch 1.000 aus, aber nicht alle bleiben im Land bzw. schaffen das Studium, sodass wir uns über jede Kraft freuen, die wir zusätzlich im Inland, aber auch im Ausland gewinnen können.
Eva Feußner, CDU | Bildungsministerin
GEW kritisiert Rekrutierung im Ausland
Man hätte von vornherein mehr und flexibler ausbilden müssen, kritisiert Eva Gerth von der Lehrergewerkschaft GEW. Zudem sollten vor allem die Lehrkräfte an den Grundschulen hierzulande höher eingestuft, also besser bezahlt werden. "Jetzt geht man los und versucht, mit Geld Menschen ins Land zu locken, die möglicherweise gar nicht bleiben, weil die Bedingungen am Ende gar nicht so sind, wie man sich das vorstellt", sagt Gerth.
Wir müssen uns nicht die Leute irgendwoher zusammensuchen, sondern tatsächlich die Ausbildung so gestalten, dass wir am Ende genügend Lehrkräfte im Land haben. Das hat man versäumt.
Eva Gerth | GEW-Landesvorsitzende
Zu wenig Bewerber auf offene Stellen
Tatsächlich ist man auf herkömmlichen Wegen bisher nicht weitergekommen. In der letzten Ausschreibungsrunde von Dezember bis Januar meldeten sich gerade mal 414 Bewerber auf 916 freie Stellen. Auch umgeschulte Seiteneinsteiger können dieses Loch nicht stopfen. Nun wird international nach qualifiziertem Personal gesucht. Die Bewerber kommen unter anderem aus Österreich, Polen, Finnland oder der Schweiz. Zum Teil leben sie bereits in Deutschland.
Argentinierin arbeitet an Merseburger Grundschule
Eine von ihnen ist Mariana Castillo Hermanowski. Sie ist 2015 der Liebe wegen aus Argentinien nach Deutschland gezogen. Damals war Unterrichten für sie keine Option. Ihre Deutschkenntnisse waren nicht ausreichend und ein passendes Zweitfach hatte die Englischlehrerin auch nicht. Da die Lehramtsanforderungen hierzulande sehr hoch sind, entschied sie sich, ihre Anglistikausbildung auszubauen, um an der Uni zu unterrichten. 2019 bekam sie die Zusage für einen Lehrauftrag in Kalifornien. Dann kam Corona.
Dass sie unterrichten kann, noch dazu in ihrer jetzigen Heimatstadt Merseburg, ist für Mariana eine Riesenchance. Auch ein knappes halbes Jahr später fällt ihr manches schwer.
Wenn man in eine andere Grundschule kommt, dann sind die Regeln komplett anders. Von meinen Kolleginnen bekomme ich so viele Fragen. Und sehr oft heißt es: Das müssen Sie so und so machen. Ich fühle mich immer noch so, dass ich unglaublich viel zu lernen habe.
Mariana Castillo Hermanowski | Grundschullehrerin
Unterrichtsversorgung in Merseburg gerade so abgedeckt
Dennoch ist das "Headhunter"-Programm ein Glücksfall für die 34-Jährige. Und auch ihre Kollegen an der Grundschule "Am Geiseltaltor" in Merseburg freuen sich über die Verstärkung. Mit aktuell zwölf Lehrkräften können sie die Unterrichtsversorgung für 218 Kinder gerade so abdecken. Krank werden darf trotzdem niemand.
Die Anfangszeit war eine echte Herausforderung, auch für unsere Kinder. Manchmal verwendet Frau Hermanowski Worte, die die Kinder nicht verstehen. Sie hatte auch ein bisschen Probleme, sich in unser deutsches Schulsystem hineinzuarbeiten. Aber sie macht gute Fortschritte, und ich denke mal, dass das Projekt klappen wird.
Heike Paukstadt | Schulleiterin
30 weitere Anwärter werden geprüft
Das Projekt läuft weiter. Insgesamt 750.000 Euro hat das Land dafür insgesamt bereitgestellt. 30 Anwärter werden aktuelle geprüft. Unter ihnen sind sowohl ausgebildete Lehrer als auch Seiteneinsteiger. Doch auch sie werden das landesweite Lehrermangel-Problem auf Dauer nicht lösen. Zumindest dort, wo sie eingesetzt werden, können sie aber eine wichtige Lücke schließen. Mariana Castillo Hermanowski zum Beispiel ist in Merseburg angekommen und sagt: "Es ist wirklich eine sehr schöne Arbeit, ich bin hier sehr glücklich."
MDR (Stefan Bauerschäfer, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm:SACHSEN-ANHALT HEUTE | 31. März 2022 | 19:00 Uhr