Umgang mit dem Sterben Letzte-Hilfe-Kurs: "Beim Tod meiner Freundin wollte ich es besser machen"
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17. Juni 2022, 10:08 Uhr
Einen Erste-Hilfe-Kurs hat sicherlich jeder schon einmal besucht. Doch wie man am Lebensende einen Sterbenden würdevoll begleiten kann, überfordert die meisten. Mit Letzte-Hilfe-Kursen soll die Angst vor dem Tod genommen werden. Wissen und Gespräch sollen deutlich machen, dass der Tod zum Leben dazugehört.
- Der Tod sei kein Tabu mehr, trotzdem sei eine häufigere Auseinandersetzung mit dem Sterben hilfreich, sagen Experten.
- Viele Volkshochschulen oder soziale Träger bieten so genannte Letzte-Hilfe-Kurse an, wo hilfreiches Wissen rund um das Thema Tod und Sterben vermittelt werden.
- Neben der Wissensvermittlung geht es meist auch darum, über das Lebensende ins Gespräch zu kommen.
Der bevorstehende Tod einer befreundeten Kollegin ließ in Gudrun Junghans (52) aus Weißenfels einen Entschluss reifen. Immer mal wieder in der Vergangenheit hatte Junghans schon dieses Gefühl gehabt: Befangenheit; wie richtig umgehen mit dem Sterben von Angehörigen, Freunden oder Bekannten?
Befangenheit beim Umgang mit dem Tod
"In meinem persönlichen Umfeld ist es mir passiert. Ich habe mich sehr hilflos gefühlt im Umgang mit jemandem der wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Die Situation war mir immer sehr unangenehm, weil ich nie wusste, wie verhält man sich angemessen", erzählt Gudrun Junghans an einem sonnigen Donnerstag Mitte Juni auf einer Parkbank im Schloss Weißenfels im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.
Beim Erste-Hilfe-Kurs bekommt man alles Wichtige beigebracht. Was mir fehlte war ein Letzte-Hilfe-Kurs.
Bei dem nahenden Tod der Kollegin wollte Junghans es besser machen und meldete sich bei der Volkshochschule in Weißenfels zu einem Letzte-Hilfe-Kurs an. "Ich wusste nicht dass es solche Kurse gibt. Ich schaue aber relativ häufig auf der Seite der Volkshochschule und da ist mir der Kurs aufgefallen", sagt Junghans.
Was sind Letzte-Hilfe-Kurse?
In vierstündigen Seminaren sollen Interessierte Grundlagen über das Sterben lernen.
Was kommt auf mich zu, wenn ich Angehörige beim Sterben begleite? Wie kann ich ihr Leiden lindern? Wo kann ich mir Hilfe holen, wenn ich nicht weiter weiß? Darauf will der Crashkurs Antworten geben.
Vor allem soll das Seminar ins Gespräch bringen.
In Halle organisiert Notburga Wirth vom Hospiz am St. Elisabeth-Krankenhaus diese Kurse gemeinsam mit der Volkshochschule. Wirth arbeitet seit zehn Jahren im Hospiz. Inzwischen ist die 55-jährige Leiterin des ambulanten Hospiz- und Kinderhospizdienstes. "Wir als Erwachsene haben oft Hemmungen, uns mit dem Tod auseinanderzusetzen." Trotzdem habe jeder immer wieder mit dem Tod zu tun. Kinder würden die ersten Sterbefälle der eigenen Großeltern oder von Mitschülern teilweise schon in der Grundschule erleben. Später würden Unfälle oder andere Tragödien immer wieder dazu zwingen, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen.
Wenn man in dieser Situation ist, mit dem Sterben konfrontiert zu sein, dann ist es eben auch ganz gut, etwas darüber Bescheid zu wissen.
Dabei gebe es keinen richtigen Zeitpunkt, um sich mit dem Tod oder Sterben zu beschäftigen, meint Wirth. "Gedanken an das eigene Lebensende immer mal wieder in das eigene Leben zu integrieren – damit kann man nicht früh genug anfangen." Und diese Gedanken mit dem Wissen zu unterfüttern, dabei will Wirth mit den Letzte-Hilfe-Kursen helfen.
Kurse vermeiden blinde Flecken
Die einzelnen Kurse bestehen aus vier Teilen. Dabei werden Grundlagen über Palliativversorgung und Sterbebegleitung vermittelt. Teilnehmende erhalten Informationen und erlernen Fähigkeiten, um Schwerkranken und Sterbenden beizustehen. "Natürlich informieren wir auch über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, die Punkte sind ja vielen bekannt. Wir klären aber auch Punkte wie 'Leiden lindern'. Geben einen Überblick über Essen und Trinken am Lebensende und erläutern, wie sich die Atmung verändern kann", sagt Wirth.
Die einen haben ihr Leben gelebt, Kinder gekriegt, Enkel, haben Häuser gebaut und Bäume gepflanzt – die anderen haben ihr Leben noch vor sich. Was muss man erlebt haben? Und was kommt danach? Lasst uns reden über: Tod.
Bis die Weißenfelserin Gudrun Junghans an einem Letzten-Hilfe-Kurs teilnehmen konnte, musste sie noch einige Hürden überwinden. Mehrmals ist er abgesagt worden, zu wenige Anmeldungen, hieß es von der Volkshochschule. "Nach dem Kurs war ich erleichtert. Die Angst, etwas falsch zu machen, war mir genommen." Die todkranke Kollegin kann Junghans noch besuchen bevor sie stirbt. Es sei ein guter Besuch gewesen, sagt sie.
MDR (Hannes Leonard)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 16. Juni 2022 | 16:30 Uhr
geradeaus am 17.06.2022
Tabuthema Sterben. Kann mich nicht erinnern mich jemals mit der Familie oder Freunden darüber unterhalten zu haben. In der Schule erst recht nicht. Es wird unterdrückt. Man versucht das gedanklich ganz tief einzubuddeln. Nur konfrontiert werden wir täglich damit. Es sei denn man verweigert sämtliche Nachrichtendienste und weiß nicht/will nicht wissen was in dieser Welt alles geschieht.
Man hat naturgemäß Angst vorm Tod. Wir setzen Tod nämlich mit einem Ende gleich. Jedoch ...
Das Ende endet nie. Auch nicht am ... Ende !