"Dorfgespräche" Wie ein Dorffest in Dodendorf zum Engagieren animiert

13. September 2022, 19:27 Uhr

Wer durch das kleine Örtchen Dodendorf im Sülzetal spazieren geht, wird das Gefühl nicht los, das Dorf sei ausgestorben. Kein Mensch und keine Gaststätte weit und bereit. Das soll sich in Zukunft ändern. Mit dem Format "Dorfgespräche" sollen Neuzugezogene und Alteingesessene ins Gespräch kommen.

Das Kuchenbuffet ist aufgebaut, der Kaffee ist gekocht und die Hüpfburg füllt sich allmählich mit Luft. Nein, das sind keine Vorbereitungen zu einem normalen Dorffest, sondern zu einem Event der besonderen Art.

Wir sind in Dodendorf im Sülzetal, mit dem Auto nur 25 Minuten von Magdeburg entfernt. Es ist Sonntagnachmittag, kurz vor halb drei auf der Wiese direkt hinter der Kirche. Dort findet heute zum zweiten Mal ein sogenanntes Dorffest statt. Eine dreiteilige Veranstaltung, um das Zusammenleben im Ort zu verbessern.

Kennenlernen und Vernetzen

"Wir haben viele Zugezogene, viele Neubürger und die kennen sich im Dorf noch nicht so gut aus, wissen nicht, wer hier wofür Ansprechpartner und wer überhaupt wer ist", erklärt Bürgermeister Uwe Banz. Die Bewohner sollen beim Dorfgespräch zusammenkommen, sich untereinander kennenlernen und vernetzen.

Zusammenhalt hat unter Corona gelitten

Für Susanne Hildebrandt, Vorstandsmitglied des Heimatvereins in Dodendorf, ist das Dorfgespräch auch wieder nötig. Denn der Zusammenhalt im Ort sei vor allem in den letzten zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie stark zurückgegangen.

Viele kennen nicht einmal die Nachbarn in ihrer eigenen Straße.

Susanne Hildebrandt Vorstandsmitglied Heimatverein Dodendorf

"Ich habe den Eindruck, dass viele nur zum Schlafen nach Hause kommen. Die fahren morgens zur Arbeit, manche kommen erst am Abend wieder zurück und verlassen dann das Haus nicht mehr. Viele kennen nicht einmal die Nachbarn in ihrer eigenen Straße."

Erste Gespräche als Erfolg

Das soll sich nun durch die Dorfgespräche ändern. Schon die erste Veranstaltung hier auf der Wiese hinter der Kirche im Juli 2022 war ein großer Erfolg. Damals ging es in erster Linie darum, sich untereinander erst einmal kennenzulernen und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Von Hannover nach Dodendorf

Auch Anja und Andreas Eichentopf waren mit ihren beiden Kindern Marlon (10) und Marie (4) dabei. Die junge Familie ist vor zwei Jahren nach Dodendorf gezogen. Anja und Andreas Eichentopf kommen gebürtig aus Magdeburg. Nach 12 Jahren in Hannover wollten sie wieder zurück in ihre alte Heimat nach Magdeburg ziehen, um sich dort besser um ihre Eltern kümmern zu können.

Doch direkt in die Stadt wollten sie nicht, erzählt Anja Eichentopf: "Wegen der Kinder! Die können sich hier freier bewegen als in einer Stadt. Und hier müssen wir die Kinder auch nicht erst 20 Minuten durch die Gegend fahren, um sie zum Sport oder zu ihren Freunden zu bringen. Das ist alles in der Nähe."

Aktiv im Jugendtreff

Die Eichentopfs wollten sich schon länger im Ort engagieren, wussten aber nicht wie oder wo. Die Dorfgespräche sind für sie darum eine gute Gelegenheit, sich darüber zu informieren. Ihr 10-jähriger Sohn Marlon ist inzwischen sehr aktiv im Ort, im frisch gegründeten Jugendtreff. "Da kümmern wir uns um das Dorf, mähen zum Beispiel die ganzen Rasenflächen", erzählt Marlon.

Spielplatz, Chor und Arbeitseinsätze

Am meisten freut sich Marlon gerade auf den Spielplatz, der gebaut werden soll. Er ist eines der Ergebnisse des ersten Dorfgesprächs. Auch ein Chor hat sich durch das Dorfgespräch gegründet. Bürgermeister Uwe Banz hat auch festgestellt, dass es wieder mehr Engagement in Dodendorf gibt. Zum Beispiel bei ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen am Wochenende auf dem Sportplatz.

Nahverkehr und Hundekot

Beim heutigen zweiten Dorfgespräch ist Familie Eichentopf wieder mit dabei. Dieses Mal geht neben Fragen wie: Was ist uns wichtig? Es geht auch um Konflikte und aktuelle Probleme im Ort, über die sich die Bewohner austauschen und darüber reden sollen, wie sie damit umgehen wollen.

Dabei geht es auch um den immer schlechter werdenden öffentlichen Nahverkehr, die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten im Ort oder die herumliegenden Hundehaufen, die von Hundebesitzern nicht weggeräumt werden.

Gefühl des "Abgeschnitten-Seins"

Tanja Schnurre vom Verein Diskurs aus Jena moderiert und leitet die Dorfgespräche hier in Dodendorf. Für sie ist gerade das "Abgeschnitten-Sein" von den Städten in fast allen Dörfern, die der Verein begleitet, ein Dauerbrenner: "Nahverkehr, Schulen, Ärzte, Cafés und Restaurants fallen weg, weil sie nicht mehr haltbar sind. Es wird weggespart."

Nahverkehr, Schulen, Ärzte, Cafés und Restaurants fallen weg, weil sie nicht mehr haltbar sind. Es wird weggespart.

Tanja Schnurre Verein Diskurs

Alles Orte, an denen Kommunikation stattfindet. Für Tanja Schnurre ist eine oft fehlende Kommunikation mit schuld, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. Mit dem Dialog-Projekt "Dorfgespräche" soll in einer Gemeinschaft wieder mehr miteinander gesprochen werden.

Verstehen und miteinander reden

"Einander zu verstehen, ist ein wichtiger Punkt", meint Schnurre. Verstehen könnte sich die Menschen aber nur, wenn sie miteinander reden. "Wir haben in den Dörfern in Thüringen und Sachsen, die ebenfalls an dem Format teilgenommen haben, gemerkt, dass sich dadurch tatsächlich in den Dörfern etwas bewegt", erklärt Schnurre.

Es ist kurz vor 18 Uhr und der offizielle Teil des zweiten Dorfgespräches ist zu Ende. Jetzt beginnt der gemütliche Teil mit Bier und Bratwurst. Rund dreieinhalb Stunden hat die Veranstaltung gedauert. In wenigen Wochen soll bereits das dritte und vorerst letzte Dorfgespräch stattfinden. In Dodendorf hat das Format schon einiges Neues in Gang gebracht. Vor allem aber hat es die Dodendorfer näher zusammenrücken lassen. Ein Gefühl von Gemeinschaft liegt heute Abend hier in der Luft.

Der Verein Diskurs e.V. Der Verein hat bereits in mehreren Dörfern in Sachsen und Thüringen Dorfgespräche veranstaltet. Dodendorf ist das erste Dorf in Sachsen-Anhalt, gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung. Unter dem Motto mehr Demokratie und Demokratieförderung im ländlichen Raum soll auch der Zusammenhalt durch Teilhabe in Dörfern gestärkt werden.

MDR (Falko Schuster, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 13. September 2022 | 19:00 Uhr

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