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Klaus Schmeißer fuhr schon Rad, bevor es "in" war. Der 71-Jährige hat die Vision eines Telegraphenradwegs von Berlin bis Koblenz, mitten durch Sachsen-Anhalt. Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Querschnitt: KulturDie Vision vom Ost-West-Radweg quer durch die Börde

27. Juli 2022, 19:55 Uhr

"Querschnitt: Kultur" – MDR SACHSEN-ANHALT und MDR KULTUR erkunden in dieser Woche fünf besondere Kultur-Orte in Sachsen-Anhalt – und erklären, welche Bedeutung sie für die Region haben. Am dritten Tag ihrer Reise waren die Reporter in der Telegraphenstation Nr. 18 in Neuwegersleben. Dort entlang führt auch ein Telgraphenradweg: Kann der auf Sicht den Tourismus ankurbeln?

Er hat das Fahrrad dabei. Wie sollte es auch anders sein? Klaus Schmeißer rollt mit seinem Kombi auf den Schotterparkplatz. Hinten, auf den umgeklappten Sitzen, liegt sein Rad. "Geht ja ums Radfahren heute", sagt er. Der 71-Jährige ist vorbereitet. Die Reporter vom MDR wollen ja vielleicht ein Foto mit ihm und dem Rad machen, hat er sich gedacht – und soll Recht behalten. Und auch sonst: Schmeißer, helle Kopfbedeckung, ein Klemmbrett unter dem Arm, Magdeburger Dialekt, ist bereit.

Er soll jetzt über seine Vision erzählen: der von einem Radweg, 1.000 Kilometer entlang eines technischen Denkmals, verteilt auf sechs Bundesländer. Um zu verstehen, was es auf sich hat mit dieser Geschichte, hilft ein Blick auf deren Schauplatz: Es ist Mittwochmittag und Klaus Schmeißer hat sein Auto vor der Telegrafenstation Nr. 18 geparkt. Das kleine Museum zu Ehren der Optischen Telegraphie liegt ein paar Autominuten vom Börde-Dorf Neuwegersleben entfernt, direkt neben dem Friedhof.

Radweg vorbei an der Telegrafenstation Nr. 18

Doch das hier ist nicht die Geschichte vom Aussterben eines Dorfes im ländlichen Raum – im Gegenteil. Es ist eine Geschichte über Engagement, Eigeninitiative und einen großen Traum. Mittendrin: die Telegrafenstation Nr. 18 und Klaus Schmeißer. Der schloss sich vor ein paar Jahren mit ein paar anderen Telegrafie-Begeisterten zusammen und gründete den Verein "Optische Telegrafie in Preußen". Erinnern wollen sie an ein technisches Denkmal – oder, um es mit den Worten Schmeißers zu sagen, an die "ganz frühe Form digitaler Nachrichtenübermittlung".

Die Telegraphenstation Nr. 18 in Neuwegersleben

Die Telegrafenstation Nr. 18 in Neuwegersleben stand über viele Jahre leer und war dem Verfall preisgegeben. 2001 wurde sie, frisch saniert, wieder für die Öffentlichkeit freigegeben. Dazu hatte maßgeblich der Heimatforscher Peter Fuchs beigetragen. Heute ist das technische Denkmal am Ortsrand des Börde-Dorfs Neuwegersleben eines der wohl kleinsten Museen in Sachsen-Anhalt. Erhalten und gepflegt wird es von einer Interessensgemeinschaft um Henning Fuchs und den früheren Bürgermeister Dietmar Hobohm.

Nun sind die Telegrafenstationen wie in Neuwegersleben die eine Seite der Medaille. Die andere Seite aber soll im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen. Es ist die über einen Radweg auf den Spuren der Telegrafie: dem Telegraphenradweg. An die 15 Jahre ist es jetzt her, dass die Idee dafür geboren wurde. Peu a peu haben sich Klaus Schmeißer und seine Mitstreiter seitdem vorgearbeitet. Sie haben den Verein gegründet, Schilder aufgehängt, dem Radweg eine Website verpasst, Geodaten inklusive. Wer will, kann schon jetzt auf insgesamt 285 Kilometern entlang von 19 Stationen radeln. Auf den Spuren der Telegrafie.

Radweg soll "technisches Denkmal" erlebbar machen

Was sie damit wollen? "Das technische Denkmal der Telegrafie wieder erlebbar machen", so sagt es Klaus Schmeißer. Dazu muss man wissen, dass von den einst 62 Stationen auf der Preußischen Telegrafenlinie heute nur noch drei in einem Zustand sind, der mit dem Mitte des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist, als mit den Telegrafenstationen militärische Nachrichten zwischen Berlin und Koblenz übermittelt wurden. Die meisten anderen Stationen wurden über die Jahre abgerissen. Heute erinnern Infotafeln an sie, aufgestellt von Klaus Schmeißer und Co.

Die Idee mit dem Radweg wurde geboren, da diskutierte kaum jemand über Verkehrswende, Klimaschutz und Co. Wenn man so will, waren sie im Verein "Optische Telegrafie" also Vorreiter. Dass sie heute Pläne schmieden, den Radweg auszubauen, passt in die Zeit. Das bestätigt auch die Kreisverwaltung in der Börde – jenem Landkreis, in dem damals alles anfing. "Der Radverkehr nimmt eine wachsende Bedeutung im Tourismus für den Landkreis Börde ein", schreibt ein Kreissprecher auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Und dass man als auf Nachhaltigkeit bedachter Kreis den sanften Tourismus – also Wander-, Natur- oder Radtourismus – in den Mittelpunkt der touristischen Vermarktung stelle.

Klar: Durch die Börde führen allerlei Radwege. Der Elberadweg ist dabei, der Holunderradweg, der Allerradweg, der Börderadweg. Aber eben auch der Telegraphenradweg.

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Im Landkreis sagen sie, dass ihnen Synergieeffekte wichtig sind. Das soll heißen: Ein guter Radweg führt vorbei an touristischen Highlights, bietet Radtouristen Gelegenheiten zum Essen und Übernachten. Genau hier sieht Klaus Schmeißer aber das Problem. "Die Infrastruktur wird doch immer schlechter", sagt er. Gerade hier in und um Neuwegersleben haben die Gasthäuser in der Vergangenheit eher geschlossen, als dass neue entstanden wären. "Ein Radweg aber braucht Infrastruktur."

Die Infrastruktur wird immer schlechter. Ein Radweg braucht aber Infrastruktur.

Klaus Schmeißer | Verein "Optische Telegraphie in Preußen"

Kann die Telegrafenstation Nr. 18 einen Teil beitragen, in Zukunft für Aufschwung zu sorgen? Die Antwort von Henning Fuchs legt nahe: wohl kaum. Und Fuchs muss es wissen, denn er ist nicht nur so etwas wie der Kopf hinter der Station – sondern obendrein auch Vorstandsmitglied im Verein "Optische Telegrafie". Irgendwie hängt in dieser Geschichte alles zusammen. Warum also die skeptische Antwort? Nun ja: Das Museum in der Telegrafenstation ist einmal monatlich geöffnet. Alle machen sie das hier ehrenamtlich. Und wenn die Radtouristen herkommen sollen, müsste die Station schon geöffnet sein.

Das Potenzial aber sei da, ist Fuchs überzeugt – vor allem, weil die Bedeutung des Radtourismus wächst. Klaus Schmeißer kann dem nur zustimmen. Er verweist darauf, dass auch der Elberadweg – mehrfach gewählt zum beliebtesten Radweg der Deutschen – nicht vom einen auf den anderen Tag entstanden ist.

Der Magdeburger Schmeißer hofft, dass wachsender Radtourismus der Gastronomie helfen kann und umgekehrt. Wo die Nachfrage steigt, wächst auch das Angebot – so die Hoffnung. Der Zahl der Gästeübernachtungen im Landkreis Börde würde es nach den Corona-Jahren gewiss gut tun.

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Dass es da noch Arbeit gibt, wissen alle Beteiligten. Klaus Schmeißer weiß es, Henning Fuchs ebenso und auch der Landkreis Börde teilt mit: "Der Telegraphenradweg spielt, aus touristischer Sicht, für den Landkreis bisher nur eine kleinere Rolle." – nicht aber, ohne darauf zu verweisen, welches "Kleinod" man mit dem Telegraphenradweg besitze.

Den Telegraphenradweg bekannter machen

Nun geht es darum, den Radweg bekannter zu machen. Klaus Schmeißer macht das schon seit Jahren: Als Tourenführer im Allgemeinen Deutschen Fahrradclub in Magdeburg wird er Anfang August wieder zur Radtour auf dem Telegraphenradweg einladen. 50 Kilometer wird es dann von Magdeburg aus – die Johanniskirche in der Landeshauptstadt war einst ebenfalls Telegrafenstation – ins Umland gehen. Demnächst planen sie, sich in Brandenburg und Niedersachsen um die Beschilderung des Radwegs dort zu kümmern.

Es dauert, aber es geht voran mit der Vision. "Klar", sagt Klaus Schmeißer, "irgendwann von Berlin nach Koblenz auf dem Telegraphenradweg fahren zu können, ist das Ziel." In Zahlen hieße das: 1.000 Kilometer, vorbei an 62 früheren Telegraphenstationen durch sechs Bundesländer. Berlin-Koblenz.

Mittendrin: Neuwegersleben. Dort ist es inzwischen Nachmittag geworden und die Juli-Sonne knallt. Klaus Schmeißer packt sein Rad wieder in den Kombi. Dann fährt er zurück nach Magdeburg. Mit im Gepäck hat er: seine Vision.

Reise geht weiter in Rotta

Am Donnerstag werden MDR KULTUR und MDR SACHSEN-ANHALT nach Rotta bei Kemberg fahren. Dort, im Landkreis Wittenberg, steht ein Besuch des Ferienhauses Kulturscheune Gassmühle an – einem ganz besonderen Kultur-Ort mitten in wunderschön idyllischer Natur. Dort sind die MDR-Reporter Florian Leue und Luca Deutschländer unter anderem mit Simone und Torsten Sielaff verabredet, die das Ferienhaus betreiben und in den letzten Vorbereitungen für ihr Kulturfest am 29. Juli stecken.

Außerdem ist ein Treffen mit Ortsbürgermeister Edelfried Schimmel geplant, der den Reportern erzählen wird, wie wichtig dieser kleine Kultur-Ort für den ebenso kleinen Ort Rotta ist.

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MDR (Florian Leue, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Juli 2022 | 09:30 Uhr

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