Diskurs um Tierschutz Warum in Haldensleben über streunende Katzen diskutiert wird

16. Dezember 2022, 18:14 Uhr

In Haldensleben kümmert sich eine Gruppe Frauen um streunende Katzen. Viele der Tiere sind krank. Deshalb sollen sie eingefangen und versorgt werden. Sachsen-Anhalts Tierschutzbeauftragter spricht sich für eine Kastrationspflicht für freilaufende Katzen aus. Nur so könne das Problem behoben und die Tierheime entlastet werden.

Max Hensch Reporter MDR SACHSEN-ANHALT
Bildrechte: MDR/André Plaul

Ein Parkplatz im Norden von Haldensleben, direkt hinter dem Rolli-Schwimmbad. Am Rande der Betonlandschaft erstrecken sich, getrennt durch einen Rasenstreifen, mehrere strüppige Grundstücke. Aus einem Loch im Drahtzaun schauen Katzenaugen hervor. Etwas mehr als ein Dutzend streunende Katzen sollen hier leben. Wie sie hierhergekommen sind, ist nicht bekannt. Passanten und Kunden der gegenüberliegenden Läden drehen sich in die Richtung des Mauzens.

Zwei Frauen füttern die Streuner. "Im Sommer waren sie völlig abgemagert", sagt eine von ihnen und zeigt Fotos. Sie hat nach eigenen Angaben schon mehrere Hundert Euro in Futter investiert. Eine weitere Frau schneidet fast im Sekundentakt Scheiben von einer Fleischwurst und wirft sie den Tieren hin. Der Stadt und auch dem zuständigen Tierheim sei das Problem seit Jahren bekannt, sagt sie. Nur so richtig kümmern will sich nach ihrer Auffassung niemand. Beide Frauen möchten anonym bleiben.

Katzen leiden unter Krankheiten

Viele der Katzen sehen krank aus. Die meisten wirken verschnupft. Andere haben kahle Stellen im Fell oder zeigen Anzeichen von Wurmbefall.

Sachsen-Anhalts Tierschutzbeauftragter König sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Diese Tiere sind über Generationen Haustiere gewesen, die haben nie gelernt in der freien Wildbahn zu leben." Sie seien deshalb auf menschliche Hilfe angewiesen. Gerade bei den ausgewilderten Hauskatzen gebe es großes Leid, weil sie sich nicht immer selbst versorgen können.

Schwierigkeit beim Einfangen der Tiere

Hungern müssen die Katzen hinter dem Haldensleber Schwimmbad zumindest nicht mehr. Dafür sorgt die Gruppe Frauen fast schon mit Übereifer. So sieht es auch das zuständige Ordnungsamt. Das ist in erster Instanz für Fundtiere verantwortlich, hat aber für solche Fälle einen Vertrag mit dem Tierheim in Satuelle abgeschlossen.

Auch Leiterin Kathrin Behrends ist die Katzen-Kolonie schon länger bekannt. Sie erzählt, sie habe selbst bereits drei Tiere eingefangen, die untersucht und kastriert werden sollen. Ihre Versuche, sich den Tieren anzunähern würden allerdings durch das Füttern der Frauen erschwert. So ließen sich die Tiere schwerer locken.

Außerdem wirft Behrends den Frauen vor, sich unrechtmäßig für Mitarbeiterinnen des Tierschutzes ausgegeben zu haben. Die Parteien liegen über Kreuz.

Fallen sollen zerstört worden sein

Laut Behrends sollen Unbekannte sogar die Katzen-Fallen ihres Tierheims zerstört und andere beschädigt haben. Die Frauengruppe kritisiert, dass die Fallen ohne Beobachtung aufgestellt wurden. Sie sprechen von einer Ausrede.

Bei einem Vorort-Termin mit dem MDR locken sie binnen weniger Minuten drei Katzen in Lebendfallen. Später dann eine weitere. "Warum das die Leute vom Tierheim nicht können, soll mir mal jemand erklären", meint eine von ihnen.  

Auch Privatpersonen dürfen Katzen einfangen

Aber dürfen Privatpersonen einfach so Katzen einfangen? Sachsen-Anhalts Tierschutzbeauftragter König sagt grundsätzlich: Ja. Laut Fundtiererlass des Landes sei es erlaubt, aufgefundene Haustiere, wie es die Katzen in Haldensleben einmal waren, zu füttern und in Obhut zu nehmen.

Das sollte jedoch stets in Absprache mit der zuständigen Behörde, also dem Ordnungsamt, passieren. Tierheime stünden nicht in der Pflicht, jedes Tier aufzunehmen. Verletzte oder kranke Tiere sollten in jedem Fall zu einem Tierarzt gebracht werden.

Dort würde dann ein Fundtierbogen ausgefüllt und das Tier nach einem Mikrochip untersucht. Zunächst trage der Finder die Kosten. Ein möglicher Besitzer hätte Anspruch darauf, sein Tier zurück zu erhalten. Dazu müsse er allerdings einen Teil der Kosten übernehmen.

Katzen in Tierheim untergebracht

Mittlerweile haben die Frauen acht Katzen eingefangen. Die Hälfte ist im Wolmirstedter Tierheim, die andere Hälfte in Satuelle untergebracht. Kathrin Behrends hatte zunächst mitgeteilt, sie selbst hätte keine Anfrage erhalten um die Tiere aufzunehmen. Am Freitag waren dann die Frauen, zu ihrem eigenen Unmut, doch in Satuelle vorstellig geworden. Es gab Absprachen unter den Tierheimen, auch weil Wolmirstedt nicht bereit war, die volle finanzielle Last zu schultern. Die Tierschutzvereine erhalten von ihren Kommunen keine Vergütung pro aufgenommenem Tier, sie müssen mit einer Jahrespauschale auskommen, die viele unvorhergesehene Fälle nicht einkalkuliert. Auch das sei ein Grund, warum Tierschützer häufig die Bevölkerung um Spenden bitten müssen, um ihre Arbeit fortzuführen.

Der Wolmirstedter Tierheimleiter und Landeschef des Deutschen Tierschutzbundes, Otfried Müller, hatte sich zuvor sehr unzufrieden mit der Situation gezeigt. Sein Verein übernimmt nun die Kosten für die tierärztliche Behandlung und Unterbringung der vier geretteten Streuner. Alle Katzen seien erkältet, zum Teil schwer, eine Katze muss sogar an den Tropf. Das sei insbesondere im Zuge der gestiegenen Tierarztkosten eine Belastung. Es gelte nun aber die Tiere aufzupäppeln und schließlich zu kastrieren, um eine weitere Vermehrung zu verhindern.

Sowohl die eifrige Frauengruppe als auch Kathrin Behrends vom Tierheim Satuelle wollen weitere Tiere von dem Grundstück holen.

Kastrationspflicht für freilaufende Katzen

In einem Punkt sind sich die Tierfreunde aber einig: Den Katzen muss geholfen und die Ursache des Problems angegangen werden. Die Tiere sollen kastriert werden, um eine weitere Ausweitung des Problems zu vermeiden. Das kostet die Tierheime allerdings einiges an Geld.

Es gebe stattdessen auch die rechtliche Möglichkeit, die Eingriffe für Besitzer von freilaufenden Katzen verpflichtend zu machen. Doch die kommt nur sehr schleppend voran. Denn darüber entscheidet jede Kommune selbst. Nur ein Bruchteil der Städte und Gemeinde in Sachsen-Anhalt hat bislang Maßnahmen in diese Richtung getroffen.

Tierschutzvereine entlasten

Der Tierschutzbeauftragte Marco König wirbt weiter dafür. Er meint, der Aufwand sei überschaubarer, als sich das viele Kommunen ausmalten. Eine weniger unkontrollierte Vermehrung der Katzen würden die Tierschutzvereine entlasten und den Kommunen auf lange Sicht weniger Kosten entstehen. Er erkenne aber auch an, dass es keine populäre Entscheidung sei, Katzenbesitzern Tierarztkosten von 100 Euro aufwärts aufzubrummen.

MDR (Max Hensch, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 13. Dezember 2022 | 12:40 Uhr

2 Kommentare

Wuschel am 18.12.2022

Tiere auch Katzen töten nicht zum Spaß
Es sind Menschen!!!

Shantuma am 17.12.2022

Man sollte nicht vergessen, dass Katzen jedes Jahr Millionen von Vögel töten und dies häufig nur aus Spaß.

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