Quinoa
Quinoa – eigentlich in Südamerika zu Hause, inzwischen aber auch in Schleibnitz in der Börde. (Symbolbild) Bildrechte: imago images / Cord

Landwirtschaft Klimawandel bringt Quinoa in die Börde

22. Juli 2022, 12:25 Uhr

Von der Magdeburger Börde aus kann man an vielen Stellen den Harz mit dem Brockenmassiv sehen. Das wirkt sich auch aufs Wetter aus. Zusätzlich sorgt der Klimawandel nach Einschätzung von Meteorologen für einen immer längeren Regenschatten. Landwirte in der Börde müssen perspektivisch wohl umdenken. Ein Bio-Bauer tut das bereits. Er setzt auf neue Feldfrüchte wie Quinoa.

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Besucht man den Hof von Jonas Schulze Niehoff in Schleibnitz bei Wanzleben, dann landet man Ende der Dorfstraße an einer Halle. Der erste Eindruck ist eher wenig landwirtschaftlich. Große Maschinen zur Metallbearbeitung stehen an den Wänden, es gibt Schweißgeräte und jede Menge Werkzeug. Hier wird offenbar viel gehämmert und geschraubt.

Als selbständiger Landwirt gehört Jonas Schulze Niehoff zu jenen Bauern, die versuchen, andere Wege in der Nahrungsmittelproduktion zu gehen. Und deshalb müssen die landwirtschaftlichen Geräte gelegentlich auch mal unkonventionell umgerüstet werden. Zu welchem Zweck, das zeigt sich auf einem Acker bei Schleibnitz.

"Was da wächst, ist kein Unkraut"

Steckt man hier einen Schippenstiel in den Boden, dann treibt er aus, so sagt man wegen des fruchtbaren Bodens in der Gegend. Doch auf dem Acker bei Schleibnitz wachsen keine Schippenstiele, dafür aber andere merkwürdige Pflanzen. Gelegentlich würden Autofahrer bremsen und ein Foto machen, erklärt Landwirt Schulze Niehoff, der hier das Feld bestellt hat. Und auch im Dorf wurde er schon gefragt, ob er jetzt Unkraut züchte.

Doch es handelt sich dabei um eine Nutzpflanze: Quinoa. "Sieht erstmal aus wie Unkraut, ist es aber nicht", sagt Schulze Niehoff. "Aber was man hier schon sieht, dass wir wirklich einen Blütenstand haben, der deutlich größer ist, als wir das von einer Wildform kennen. Davon wachsen jetzt hier vier Hektar."

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Aus dem Andenhochland in die Börde

Vier Hektar Quinoa, mitten in der Börde. In der Werbung wird Quinoa als sogenanntes Superfood angepriesen: kleine Körner, die an Bulgur erinnern und Vorteil haben, glutenfrei zu sein. Ursprünglich ist Quinoa in den Anden in Südamerika beheimatet und wächst dort, wo der Mais keine Chance mehr hat, nämlich auf 4.000 Metern Höhe.

Jetzt also stehen die Pflanzen im Flachland bei Magdeburg und Jonas Schulze Niehoff glaubt, dass der Anbau in Börde eine Zukunft hat: "Die Pflanze ist sehr anpassungsfähig. Und ich glaube, dass wir solche Kulturen mehr brauchen. Ob es am Ende diese Quinoa ist oder eine andere Pflanze, das kann ich heute noch nicht sagen. Aber sie hat auf jeden Fall sehr, sehr viel Potenzial."

Skepsis unter Landwirten

Solche Form der "Nahrungsmittel-Zuwanderung" ist keinesfalls neu. Nur wenige Kilometer von den Quinoa-Pflanzen entfernt stehen Kartoffeln auf dem Acker. Auch sie kommen ja eigentlich aus Südamerika. Der preußische König Friedrich der Große versuchte seinerzeit, die Bauern zum Anbau der Kartoffeln zu bewegen.

Aber schon damals war man gegenüber neumodischem Zeug skeptisch. Inzwischen gehört die Kartoffel zur deutschen Küche. Die Skepsis gegenüber neuen Anbaumethoden sei aber geblieben, so Schulze Niehoff: "Ich glaube, dass viele in ihren alten Strukturen so fest eingebunden sind, dass sie nicht kreativ genug sind, neue Wege zu finden", sagt er. Langfristig sei das aber die einzige Chance. "Wir merken die Veränderungen des Klimas deutlich. Und wir merken auch, dass Erträge der klassischen Getreide damit zurückgehen."

Die Schattenseite des Biobooms

Als Salat oder Beilage, ähnlich wie Reis, spielt Quinoa eine Rolle vor allem bei Menschen, die sich bewusst ernähren wollen. Und so wundert es nicht, dass Jonas Schulze Niehoff einen Bio-Hof betreibt. Während die ökologischen Folgen der Landwirtschaft hier in Deutschland zunehmend in den Blick geraten, werden jedoch die ökonomischen und sozialen Probleme oft ausgeblendet.

Das zeigt sich beispielhaft beim Thema Quinoa, so der Landwirt: "Die Quinoa, die wir aus Südamerika importieren, bezahlen wir in Südamerika so gut, dass die Südamerikaner, deren Grundnahrungsmittel das eigentlich ist, sich das selber nicht mehr leisten können." Der Preis für Quinoa sei dort so stark gestiegen, dass sich die Einheimischen die Pflanzen nicht mehr leisten könnten. Sie importierten stattdessen billigen Weizen vom Weltmarkt, sagt Schulze Niehoff.

Globalisierung neu gedacht

Es geht also um eine andere Art der Globalisierung. Eine, die auf dem Acker stattfindet und die Transportwege reduziert. Wenn man weiß, wohin man schauen muss, dann sieht man in der Magdeburger Börde am Horizont den Höhenzug des Harzes mit dem Brockenmassiv. Die Börde liegt schon immer im Regenschatten des Harzes, doch die Schatten sind in den vergangenen Jahren deutlich länger geworden.

Für Jonas Schulze Niehoff ist das Grund genug, mit neuen Kulturpflanzen zu experimentieren: "Wenn wir uns in der Kornkammer Magdeburger Börde irgendwann weiterhin ernähren wollen und der Regen aber ausbleibt, um guten Weizen zu produzieren, muss irgendjemand den Schritt gemacht haben, zu forschen: 'Was funktioniert denn alternativ?' Und Forschung ist nun mal nicht umsonst."

Soll heißen: Dass die Preise für Nahrungsmittel die tatsächlichen Kosten auch wiedergeben sollten. Das allerdings dürfte noch einige Überzeugungsarbeit kosten. Spargel- und Erdbeerbauern der Region klagten diesem Jahr über den Preisdruck durch Importware in den Supermärkten – nicht auf den Äckern und in den Töpfen, auch in Köpfen muss sich etwas ändern.

MDR (Uli Wittstock, Luca Deutschländer)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR – Das Radio | 13. Juli 2022 | 13:47 Uhr

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