Ein bärtiger Mann in einem verwüsteten Zimmer 2 min
Im Audio: Udo Christiansen hat viel Arbeit im ehemaligen Bahnhof von Hordorf vor sich. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke
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Ein Eisenbahn-Enthusiast will den Hordorfer Bahnhof sanieren. Vor ihm liegt einiges an Arbeit, denn der Bahnhof ist stark verwittert – und hat eine traurige Geschichte.

MDR SACHSEN-ANHALT Mo 21.04.2025 12:51Uhr 02:22 min

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Sanierung mit großen Plänen Was aus dem ehemaligen Bahnhof in Hordorf werden soll

24. April 2025, 09:52 Uhr

Ein Eisenbahn-Enthusiast will den Bahnhof von Hordorf sanieren. Vor ihm liegt einiges an Arbeit, denn der Bahnhof ist nicht nur stark verwittert, sondern hat auch eine traurige Geschichte, die berücksichtigt werden soll.

Swen Wudtke
Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Wer schon mal ein kleines Häuschen saniert hat, weiß, was da auf einen zukommt. Wenn es dann aber gleich ein ganzer Bahnhof ist, dann wird das Vorhaben garantiert zu einem Mammutprojekt. Und vor dem steht nun der neue Eigentümer des ehemaligen Bahnhofs in Hordorf bei Oschersleben.

der alte Bahnhof in Hordorf
Der alte Bahnhof in Hordorf Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Die Bleibe von Udo Christiansen ist momentan noch ein kleiner Wohnwagen mit Vorzelt – direkt an der ehemaligen Bahnsteigkante. Denn in seiner künftigen Wohnung im Dachgeschoss ist der Lack ab – alles muss erstmal von Grund auf Vordermann gebracht werden. Mit einem Spachtel sticht Christiansen gerade die alte Deckenvertäfelung aus Styropor ab – zum Vorschein kommen Wasserschäden im Mauerwerk. "Damit habe ich gerechnet", meint der gelernte Elektriker und begabte Handwerker. Denn er weiß, die Dachziegel sind ein großes Flickwerk, das auch beim Anblick von außen zwischen klassisch rot und stark verwittert wechselt.

Udo Christiansen im ehemaligen Stellwerk in Hordorf
Udo Christiansen im ehemaligen Stellwerk in Hordorf Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Freund der Eisenbahnfreunde

Eine Etage tiefer im ehemaligen Stellwerk will er ein Büro für seinen Hausmeisterservice einrichten, und zwar mit authentischen Elementen. Neben dem Fahrkartenschalter mit seinem typischen Guckloch durch die Glasscheibe will Christiansen auch einen Weichenhebelblock ganz museal aufstellen. "Die Bahn hat zwar alles rausgerissen, aber ich besorge mir die Teile bei Eisenbahnfreunden oder einem Eisenbahnverein", guckt er optimistisch nach vorne.

ein verwüsteter Raum in einem Bahnhof
Noch kann man es sich vielleicht schwer vorstellen, aber hier soll ein Büro entstehen. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

In Hordorf hält schon lange kein Zug mehr. Immerhin: Als er dem Lokführer des vorbeirauschenden RE11 von Magdeburg nach Thale zuwinkt, bekommt Christiansen eine Lichthupe zurück. Da geht ihm sichtlich das Herz auf. Auch, wenn er seinen noch jungen und verspielten Rhodesian Ridgeback ruft, der in Anlehnung seiner doch großen Pfoten "Little Foot" heißt. Beide vertrauen sich blind, so scheint es.

Erinnern an das Unglück 2011

Udo Christiansen kennt die traurige Geschichte um den Bahnhof Hordorf. Dass er an jenem Ort des tragischen Zugunglücks 2011 sein neues Domizil aufbaut, bereitet dem rüstigen Westfalen ein flaues Gefühl. Er wolle sich jedenfalls um den Ort des Erinnerns kümmern. Am Gedenkstein für die Opfer, nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt, "möchte ich einige Krokusse und andere Blumen anpflanzen, damit es einfach schöner aussieht."

Udo Christiansen steht am Gedenkstein für die Opfer des Zugunglücks in Hordorf 2011
Bildrechte: MDR/Swen Wudtke
Einsatzkräfte zwischen Trümmern nach dem Zugunglück von Hordorf
Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Stichwort: Das Zugunglück von Hordorf Beim Zugunglück von Hordorf waren Ende Januar 2011 ein Personenzug und ein mit Kalk beladener Güterzug zusammengestoßen. Zehn Menschen kamen ums Leben, 23 weitere wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Der Lokführer des Güterzugs wurde knapp zwei Jahre später zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte nach Ansicht des Landgerichts Magdeburg zwei Haltesignale übersehen, weshalb es auf der eingleisigen Strecke zum Zusammenstoß beider Züge gekommen war.

Udo Christiansen ist sowas wie eine urige Type. Er stammt aus einer Eisenbahnfamilie, deshalb die Liebe zum ehemaligen Bahnhof in Hordorf. Geboren in Hamm und aufgewachsen in Dortmund, zieht es ihn ganz bewusst nach Sachsen-Anhalt in die Börde. Seine westfälische Herkunft schwingt in jeder Silbe mit: "Die Menschen hier im Osten sind viel freundlicher, zugänglicher", spricht Christiansen aus eigener Erfahrung, wobei er auf Basis der Nachbarschaftshilfe große Unterstützung erfahre.

Aus der alten Güterhalle will er eine Bikerwerkstatt machen, hat er doch nicht nur das Eisenbahner-Gen im Blut, sondern auch jenes der leidenschaftlichen Motorradfahrer. Er erzählt von seiner Vision, nach der Menschen wie er hier kostenlos schrauben und bei Bedarf auch ein Nachtquartier finden könnten.

Alter Schienenbus hängt in der Luft am alten Bahnhof in Hordorf
Dem alten Schienenbus will der gelernte Elektriker aus einer Eisenbahnfamilie wieder Leben einhauchen. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Einem Schrotthaufen Leben einhauchen

Vom Dach bis zur Bahnsteigkante: Am und im einstigen Bahnhof wartet verdammt viel Arbeit. Doch Udo Christiansen scheint nichts über den Kopf zu wachsen. Denn – als ob die Sanierung seines Bahnhofs noch nicht genug wäre, heißt es für einen lange ausrangierten Schienenbus "Letzter Halt: Bahnhof Hordorf". Gleichfalls ein Mammutprojekt, diesem Schrotthaufen Baujahr 1963, wieder Leben einzuhauchen.

Ein Schienenbus wird von einem Kran in die Luft gehoben.
Ein seltenes Exemplar: Mehr Arbeit kommt aus der Luft auf Udo Christiansen zu. Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

Dieser Schienenbus ohne Motor sei äußerst selten, nur drei Exemplare soll es davon geben, sagt Christiansen. Der MAN VB19 sei "ein Geschenk von der Chiemgauer Lokalbahn. Und somit habe ich den Waggon vor der Verschrottung gerettet." Vorerst, denn am Schienenbus gibt es kaum eine heile Fensterscheibe und kaum Interieur – dafür aber Rost an allen Ecken und Enden. Der Lack ist buchstäblich ab. Und so macht der Schienenbus einen eher traurigen Anblick, als ihn ein schwerer Autokran von einem Tieflader über das Dach der Güterhalle auf seinen vorläufigen Stellplatz hebt. Das Stück Abstellgleis für seine endgültige Position müsse erst noch verlegt werden, meint Christiansen. Ihm schwebe vor, aus dem heruntergekommenen Schienenbus ein attraktives Café zu machen. Vor seinem geistigen Auge sehe er schon viele Gäste, die für Kaffee und Kuchen vorbeikämen.

Den Schienenbus komplett zu restaurieren, das wird ein Weilchen dauern. Doch Udo Christiansen ist Optimist und setzt erstmal andere Prioritäten: Seine Wohnung über dem Stellwerk will er noch in diesem Jahr beziehen. Und die Schrauberwerkstatt für Biker – mit Biertresen zum Fachsimpeln – soll im nächsten Jahr eingeweiht sein.

MDR (Swen Wudtke, Max Schörm), zuerst veröffentlicht am 21.04.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. April 2025 | 16:40 Uhr

9 Kommentare

Harzbiker vor 3 Wochen

Schön das es noch Menschen gibt die alte Gemäuer wieder zum Leben erwecken. Ich als Motorradfahrer werde dann bestimmt auch dort vorbei schauen um mich mit anderen Bikern zu treffen. Wünsche auf jeden Fall ganz viel Kraft und Erfolg für alles was dort geschehen wird 🍀

D.L. vor 3 Wochen

Ich freue mich einfach für einen enthusiastischen Menschen mit viel positiver Energie, dass sein Vorhaben gelingt und nicht mehr so viele marode Dinge hinter Styropor auftauchen.
Und dass sein Hausmeisterservice dort Fuß fassen kann.

steka vor 4 Wochen

Tja so schnell konnte ein Unternehmen, das in seiner Komplexität in 150 jahren gewachsen war, durch ein paar politische Möchtegerneisenbahner in den verkehrsministerien zugrundegerichtet werden. Verfallene Bahnhöfe, verspätete Züge, mangelndes Parsonal, es wird noch generationen dauern, bis aus der DB wieder ein anspruchsvolles Unternehmen auch mit sauberen kleinen Unterwegsbahnhöfen, Fahrkartenschaltern und Toiletten wird.
nur dazu muß erst mal der politische Wille des Eigentümers der DBAG da sein.

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