Gegen Gewalt und Ausgrenzung Stark auch ohne Muckis: Dieses Schulprojekt verändert Kinder
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10. Mai 2025, 13:44 Uhr
Mobbing beginnt oft schon in der Grundschule – und hinterlässt tiefe Spuren. In Badersleben zeigt ein Anti-Mobbing-Programm, wie Kinder lernen, ihre Gefühle zu kontrollieren und Konflikte gewaltfrei zu lösen. Ein Drittklässler berichtet, wie er durch das Training vom Täter zum Vorbild wurde.
Schubsen, beleidigen, ausgrenzen – leider ist Mobbing nicht nur weit verbreitet, sondern beginnt oft schon im Kindesalter. Kenny Schulze, ein Drittklässler der Albert-Klaus-Grundschule in Badersleben, hat es selbst erlebt. Nur ungern blickt er auf seine ersten beiden Schuljahre zurück, denn damals war er sowohl Opfer als auch Täter zugleich.
"Früher habe ich immer gleich zugehauen. Jetzt haue ich nicht mehr zu, weil es eigentlich unnütz ist und dann kriege ich ja auch Ärger. Das war in der zweiten und ersten Klasse so, da habe ich immer Ärger gekriegt und Verwarnungen bekommen, weil ich mich eigentlich nur gewehrt habe. Jetzt mache ich das nicht, jetzt gehe ich einfach zum Lehrer und bekomme keinen Ärger mehr", erzählt der aufgeweckte Junge stolz.
Vom Mobbingopfer zum Vorbild für andere Kinder
Kenny musste erst lernen, seine Emotionen zu kontrollieren und gezielter zu lenken. Unterstützung fand er dafür im Anti-Mobbing-Programm "Stark auch ohne Muckis", dass seine Schule anbot. Die Resilienz-Trainerin Raquel Benvenuto besucht mit diesem Projekt Kitas und Grundschulen, um Kinder so früh wie möglich für unnötige Auseinandersetzungen zu sensibilisieren und alternative Lösungswege aufzuzeigen.
"Mir ist aufgefallen, dass in den letzten Jahren die Gewalthemmschwelle drastisch nach unten gegangen ist, dass man nicht mehr normal miteinander redet, sondern schon immer in einem lauteren Ton, so das ruhigere Reden, so wie wir miteinander reden, ist bei den Kindern anders geworden", erklärt die ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie.
„Stark auch ohne Muckis“: Gewaltprävention in der Grundschule Badersleben
In ihrer Arbeit mit den Klassen spricht sie sowohl Täter als auch Mitläufer an. Bei ihren Kursen, die sich über mehrere Tage erstrecken und in zwei Abschnitte unterteilt sind, vermittelt sie den Kindern im theoretischen Teil grundlegendes Wissen für einen respektvollen Umgang. Im praktischen Teil wenden die Schüler das Gelernte an und erkennen sofort die Wirkung.
Der unmittelbare Lerneffekt wird sichtbar, besonders durch Rollenspiele, die zeigen, wie Verhalten angepasst werden kann und welche Auswirkungen das hat. Ziel ist es, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. "Ich vermittele den Kindern, dass Beleidigungen in Ohr rein und in ein Ohr wieder rausgehen, das soll einfach abprallen, dass es nichts mit ihnen zu tun hat, wenn sie geärgert, beleidigt oder auch ausgegrenzt werden. Mir ist wichtig, dass auch schüchterne Kinder mehr aus sich rauskommen. Und dass die, die manchmal auch Täter sind, merken, vielleicht kann ich doch anders auf die Kinder zu gehen."
Resilienztraining hilft Kindern, mit Beleidigungen umzugehen
Raquel Benvenuto verfolgt das Ziel, die Kommunikation unter den Kindern zu optimieren und die bisher niedrige Hemmschwelle anzuheben. Ihr Fokus liegt dabei auf Selbstbehauptung, Resilienz und Aufklärung, wobei sie ihre Arbeit als präventive Maßnahme zur Vermeidung von Selbstverteidigung sieht. Die Kurse werden sowohl von den Kindern als auch vom Kollegium positiv aufgenommen, und die Lehrkräfte beobachten bereits jetzt deutliche Fortschritte durch ihr Engagement.
"Ich finde, seitdem wir dieses Projekt hier machen, sind wir wirklich auf einem sehr guten Weg. Vom letzten Besuch bis heute merkt man das wirklich sehr, dass da gar nicht mehr so viele Konflikte entstanden sind und die Kinder wissen, wie sie sich da zu verhalten haben, wenn eine solche Situation auftritt", resümiert Grundschullehrerin Carolin Wichart.
Langfristige Wirkung: Warum regelmäßige Schulungen entscheidend sind
An der Baderslebener Grundschule führt Raquel Benvenuto bereits im zweiten Jahr ihr Programm "Glückskrieger Academy" durch, das langfristig als Antimobbing-Projekt etabliert bleiben soll. Zum Abschluss des Kurses bekommen die Kinder eine "Glückskrieger Urkunde", die ihr erlerntes Konfliktverhalten bestätigt. Kenny Schulze konnte dadurch seine Impulse besser kontrollieren, und auch seine Mutter freut sich über die Fortschritte ihres Sohnes, der nach dem Kurs mit positiven Rückmeldungen nach Hause kam.
"'Mami weißt du was, wenn mal einer ein böses Wort zu dir sagt oder dir den Stinkefinger zeigt, dann ist das überhaupt gar nicht schlimm; denn das ist doch nur ein Finger und das sind doch nur Worte' – Und dadurch habe ich auch gemerkt, dass das was hier in der Schule passiert auch Hand und Fuß hat und bei den Kindern hängen bleibt", erzählt die junge Mutter überzeugt. Die Wiederholung von Antimobbing-Schulungen ist durchaus effektiv, da erst regelmäßige Auffrischungen die Inhalte nachhaltig im Alltag festigen.
MDR (Janett Scheibe, Hannes Leonard)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. Mai 2025 | 19:00 Uhr
Anni22 vor 2 Tagen
Ich finde solche Kurse gut und hilfreich. Allerdings sollte man den Kindern auch erzählen, dass sie auch auf Leute treffen werden, die den Kurs nicht "belegt" haben und die die körperliche Konfrontation wollen und eventuell auch erzwingen...