Reh frisst an einem dünnen Zweig mit Knospen an einem Busch oder Baum im kargen Wald. Ansicht von vorn. 4 min
Zum Hören: In Sachsen-Anhalt wird darüber diskutiert, ob zum Schutz junger Bäume mehr gejagt werden muss. Der BUND sieht einen problematisch hohen Bestand an hohen Bestand an Rehen, Damm- und Rotwild. Bildrechte: imago/blickwinkel

Flora und Fauna Aufforstung im Harz: Muss jetzt mehr Wild gejagt werden?

31. Mai 2023, 11:42 Uhr

Trockenheit, Waldbrände und Stürme machen dem Harz erheblich zu schaffen. Umso wichtiger ist die Aufforstung des Gebietes. Aber Reh und Rotwild machen Förstern und Waldbesitzern einen Strich durch die Rechnung. Möglicherweise muss jetzt mehr gejagt werden.

Wildverbiss, also wenn Tiere die frischen Triebe kleiner Bäume anknabbern, bereitet derzeit Förstern und Waldbesitzern im Harz große Sorgen. "Das ist tatsächlich der Unsicherheitsfaktor neben Klima, der am allergrößten ist", sagt Eberhard Reckleben, Leiter des Landes-Forstbetriebes in Trautenstein. Dort ist Reckleben dafür verantwortlich, rund 20.000 Hektar zu einem "Wald der Zukunft" umzubauen. Großflächige Neupflanzungen und Aufforstungen sind dafür notwendig.

Später sollen in den Wäldern sieben bis acht verschiedene Nadelbaum-Arten wachsen. Laubbäume sollen daneben einen Anteil von rund 35 Prozent haben. Knapp 700 Hektar werden jedes Jahr neu bepflanzt, erläutert Reckleben. "Es ist völlig klar, dass wir jetzt erhebliche Zuwachsraten haben, hier im Wildbestand - und wenn wir das nicht gestoppt kriegen, dann kriegen wir ein massives Problem und der Wald wird vom Wild entmischt, das ist ganz sicher."

Schwierige Startbedingungen für Jungpflanzen

Denn besonders Rotwild und Rehe lieben die jungen Triebe der neugepflanzten Bäume. Bedeutet: Die besonders klimaresistenten Pflanzungen haben kaum eine Chance. Einige Bäume sind zum Schutz eingezäunt, das aber könne man nur in kleinen Flächen machen. 

Bislang ist unklar, wie auf diese Entwicklung richtig reagiert werden sollte. Einfach zusätzliche Tiere aus dem Wald entnehmen, also mehr Wild jagen, ist kein geeignetes Mittel, sagt Wolf Last, Geschäftsführer des Landesjagdverbands Sachsen-Anhalt. "Die biologischen Eigenschaften von Wildtieren müssen berücksichtigt werden und auch, dass sich Wild nicht nur mit jagdlichen Methoden, sondern auch durch geschickte Schaffung von Ruhezonen lenken lässt."

Gesamtkonzept erforderlich

Außerdem müsse man die Folgen einer verstärkten Jagd für den Gesamtbestand berücksichtigen, gibt Last zu bedenken. Der genetische Austausch zwischen den Tieren könne verloren gehen. Genetische Vielfalt sei eine wichtige Voraussetzung, dass sich Tiere an künftige Klimaveränderungen anpassen könnten.

"Wenn wir jetzt alles erlegen, was wir irgendwie kriegen können, haben wir ein gewisses Risiko, dass man da bleibende Schäden in der Population verursacht." Aus seiner Sicht ist in Sachsen-Anhalt dringend ein Wildkompetenz-Zentrum nötig. Der Bund Umwelt und Naturschutz ist generell über den Bestand an Wildtieren im Land besorgt. Deshalb fordert Vorsitzender Ralf Meyer eine Änderung des Jagdgesetzes. Das Ziel der Waldverjüngung müsse dort aufgenommen werden.

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Der Fleischer und Jäger Michael Reiß serviert auf der Grünen Woche in Berlin Waschbär-Buletten mit Spargel, Süßkartoffeln und Sauerrahm.
Der Fleischer und Jäger Michael Reiß serviert auf der Grünen Woche in Berlin Waschbär-Buletten mit Spargel, Süßkartoffeln und Sauerrahm. Bildrechte: MDR (Anja Nititzki)

MDR (Doreen Jonas, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 30. Mai 2023 | 06:54 Uhr

3 Kommentare

W.Merseburger vor 46 Wochen

Hier beisst sich die Katze sprichwörtlich in den Schwanz. Das Problem des Wildverbisses und damit der Vernichtung der Neupflanzung haben auch unsere Altvorderen gehabt. Ich erinnere mich noch an die Jahre nach 1945. Damals gab es sogenannte Schonungen, wo das Waldstück mit den Neupflanzungen an Laubgehölzen oder Weisstannen mit einem ausreichend hohen Drahtzaun geschützt wurde. Dass wir hier in S-A dringend ein Waldkompetenz Zentrum brauchen ist eher eine ABM Massnahme als eine Notwendigkeit. Was tut eigentlich das Wolf Kompetenzzentrum?? Das könnte sich doch insgesamt um den Wildbestand kümmern.

salzbrot vor 46 Wochen

das ist doch eine Stellvertreterdiskussion. Die wirkliche Gefahr für Aufforstung sind fehlende regelmäßige Niederschläge. D.h. auch Abholzungen aus Klimagründen müssen von Bewirtschaftungsabholzungen abgezogenen werden. Sonst haben wir bald keinen Wald mehr. Pelletheizungen hin oder her.

Basil Disco vor 46 Wochen

Besser wäre es allerdings, wenn sich die Wölfe mehr um das Wild kümmern würden. Und natürlich, wo es sie gibt, auch die Luchse.

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