Klimafreundlicher Treibstoff Wie grüner Wasserstoff "Made in Blankenburg" funktionieren soll
Hauptinhalt
Mit Wasserstoff lässt sich klimafreundlicher Treibstoff erzeugen. In Blankenburg im Harz soll grüner Wasserstoff produziert werden – mit dem Grubenwasser des ehemaligen Berkwerks. Wie das funktionieren soll.

Zerborstene Scheiben, abblätternde Fassaden, verwahrloste Flächen: Das Gelände der ehemaligen Harzer Werke Blankenburg fristet seit Jahrzehnten ein trostloses Dasein. Abgesehen von kleineren Betrieben, die sich hier angesiedelt haben, kann die Industriebrache getrost als "Lost Place", als verlorener Ort, bezeichnet werden.
Doch es regt sich was: Genau hier soll grünes Gestrüpp weichen – für sogenannten grünen Wasserstoff. Die SSC Hydrovent AG Blankenburg ist in der ersten Phase eines Elektrolyse-Vorhabens – und hat dafür die Siemens AG mit ins Boot geholt. "Ein solches Unternehmen für unsere Idee hier im Harz zu begeistern, hat schon was", freut sich der SSC Hydrovent-Chef Lars Gottschligg und verweist auf "exzellente Standortfaktoren".
"Mit der A36 und einem Gleisanschluss vor der Haustür sind wir optimal an Straße und Schiene angebunden", meint Gottschligg. "LKW wären von diesem Standort ruckzuck auf der Autobahn und müssten auf ihren Wegen in Ballungszentren oder zum Hamburger Hafen nicht etwa durch die Blankenburger Innenstadt donnern."
Grubenwasser: Gestern ein Fluch, morgen ein Segen?
Doch die Industriebrache kann mit einem weiteren Pfund wuchern, das die Produktion grünen Wasserstoffs überhaupt erst ins Rollen bringen kann. Ganz in der Nähe entwässert die ehemalige Eisenerzmine "Braunesumpf". Und an einem Teil davon habe sich SSC Hydrovent die Wasserrechte gesichert, erklärt Gottschligg.
Die seit mehr als 50 Jahren stillgelegte Grube "Braunesumpf" ist ein kilometerlanges Stollengeflecht, mehrere der bis zu 400 Meter tiefen Sohlen sind geflutet. Zehn Millionen Liter täglich rauschen unterhalb des Eichenberges durch den Walter-Hartmann-Stollen zutage.
Wasserentnahme beeinflusst Lebensraum geschützter Tierarten nicht
Seit Jahren gehe dieses Grubenwasser ungenutzt den Bach runter, erzählt Ralf Selle vom Berg- und Naturschutzverein zu Blankenburg. "Früher hat uns das Wasser vor riesige Probleme gestellt", erinnert sich der ehemalige Bergmann. "Dass es plötzlich von großem Nutzen bei der Energiewende sein kann, hätte ich nie im Leben gedacht."
Während er auf die reine Trinkwasserqualität schwört, denkt er auch an die Umwelt. "Durch die Wasserentnahme wird nichts beeinflusst, auch nicht die Habitate seltener Höhlenkrebse oder Bechsteinfledermäuse." Naturschützer Selle ergänzt: "Wir nehmen niemandem etwas weg, senken keinen Grundwasserspiegel, und das Grubenwasser muss nicht aufwendig gepumpt werden."
Grubenwasser für die Elektrolyse
Das in seiner CO2-Bilanz unbelastete Wasser eigne sich hervorragend als Prozesswasser, ist sich Projektleiter Thorsten Ducke sicher. Das Wasser werde der Elektrolyse zugeführt, für die grüner Strom von Windanlagen aus dem Netz und von eigenen Solaranlagen bezogen werden solle. "Diese Komponenten machen unseren Wasserstoff grün", erklärt Ducke.
Doch mit dem Wasser könne man noch viel mehr anstellen, sagt der Projektleiter. Vorstellbar sei etwa, im ehemaligen Speisesaal der Harzer Werke ein Rechenzentrum zu betreiben und mit dem zwölf Grad kalten Grubenwasser die Server zu kühlen. "Das würde enorm viel Energie sparen. Und das Wasser wäre für die anschließende Elektrolyse schon mal auf Temperatur gebracht. Das würde auch wieder Energie sparen", so Ducke.
Das passiert bei der Elektrolyse des Grubenwassers
Bei der Wasserelektrolyse wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespaltet. Dies geschieht mittels elektrischen Stromes. Wenn dieser Strom aus erneuerbaren Energien stammt, also aus Windkraft oder Solaranlagen, spricht man beim Elektrolyse-Produkt von grünem Wasserstoff – und Sauerstoff.
Grüner Wasserstoff soll Industriestandort Harz sichern
Lars Gottschligg und Thorsten Ducke glauben ganz fest an ihre Vision. Und sie erfahren dabei auch Zuspruch. Der Landrat des Landkreises Harz, Thomas Balcerowski (CDU), spricht von einem wichtigen Baustein der Energiewende. Es gehe vor allem darum, den grünen Wasserstoff der verarbeitenden Industrie zur Verfügung zu stellen. "Dazu gibt es derzeit eine ganze Reihe an Gesprächen", sagt er. Es gehe auch darum, den Industriestandort Harz zu sichern. "Das wäre mit einer Investition, die in Blankenburg im Gespräch ist, möglich", meint Balcerowski.
Ähnlich sieht es Blankenburgs Bürgermeister Heiko Breithaupt und bietet dem Vorhaben in Kooperation mit dem Landkreis Unterstützung bei den Genehmigungsverfahren an, beispielsweise für energieintensive Unternehmen, die sich in direkter Nachbarschaft ansiedeln könnten. Auch dafür, so Lars Gottschligg, eigne sich das Areal der Industriebrache. Er ergänzt, dass die Elektrolyse nicht nur Wasserstoff hervorbringe: "Neben Wasserstoff gehören zu unseren Produkten auch Sauerstoff und Abwärme."
Noch im Sommer soll die erste Projektphase finalisiert werden. Im kommenden Jahr, so die derzeitigen Planungen, soll der Baustart erfolgen. Und dannach könnte bereits 2023 grüner Wasserstoff aus Blankenburg kommen.
MDR/Maria Hendrischke, Swen Wutdke
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. Juli 2021 | 19:00 Uhr
Eulenspiegel vor 48 Wochen
Hallo Ule
Hier geht es um Wasserstoff und nicht um Biogas.
Na gut einen kleinen Abstecher zum Biogas.
Biogas kann man aus Mais, aus Gülle und biologischen Abfällen erzeugen.
Ich denke es ist schon eine merkwürdige Landwirtschaft die Biogas aus Mais produziert anstatt aus Gülle plus anderen biologischen Abfällen. Zumal wir ein Gülle -problem haben und die Gülle eine ähnlich hohe Gas-ausbeute bietet wie der Mais.
hansfriederleistner vor 48 Wochen
Im Verkehrsmuseum in München hatte BMW schon vor 15 Jahren eine Ausstellung zu Wasserstoff und Auto.Die Entwicklung war schon ziemlich fortgeschritten. Warum hört man nichts mehr davon?
Jan vor 48 Wochen
Ich freue mich, dass dieses Projekt gestartet wird. Grüner Wasserstoffantrieb gehört genauso die Zukunft wie dem Elektroantrieb. Beide Arten haben ihre Berechtigung