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ErinnerungskulturLichterfest in der Villa Russo in Wernigerode

10. Dezember 2024, 08:54 Uhr

Der Villa-Russo-Verein in Wernigerode hat am Wochenende eingeladen und versucht Antworten zu liefern auf solche und weitere Fragen: Warum zünden wir Kerzen am Adventskranz an? Und warum feiern jüdische Menschen acht Tage lang das Chanukka-Fest? Was verbindet jüdische und christliche Traditionen – auch und gerade zur Weihnachtszeit? In der bunten Stadt am Harz konnte Interessierte das am Wochenende bei einem Lichterfest der besonderen Art herausfinden.

Am Klavier im roten Salon erklingen weihnachtliche Melodien und es flackern Kerzen. Der Villa-Russo-Verein hat in die Wernigeröder Feldstraße zu einem besonderen Lichterfest eingeladen – zu einem christlich-jüdischen Lichterfest. Das hängt mit der Geschichte des Hauses zusammen. So mancher Stammgast ist gekommen. Andere sind neu und neugierig. So wie Monika und Klaus-Werner Bauerfeld. Das Ehepaar aus Wernigerode war hier schon oft bei Konzerten zu Gast.

Am 7. Dezember wurde in den Räumen der Villa Russo ein christlich-jüdischen Lichterfest gefeiert. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

"Jetzt wollen wir die Villa mal von der anderen Seite kennenlernen. Die jüdischen Traditionen, und die Verbindung zur Adventszeit, das ist das, was uns neugierig gemacht hat", sagt Monika Bauerfeld.

Erinnerungsort Fotos: Die Villa Russo in Wernigerode

Das jüdische Ehepaar Clara und Benno Russo wohnte hier bis 1939 und wurde dann von den Nazis im KZ ermordet wurde. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Clara Russo war Opernsängerin. Sie kam 1942 nach Theresienstadt. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Ein Stolperstein erinnert an die 1943 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordete Frau. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Benno Russo war Käsefabrikant. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Beide wurden von den Nazis erst enteignet, dann deportiert und schließlich in Konzentrationslagern ermordet. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Heute ist in der Villa eine musische Begegnungsstätte. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
So auch am 7. Dezember. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Die Villa ist auch ein Erinnerungsort. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß
Vieles wurde in der Villa über die Zeit erhalten. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Das Clara und Benno Russo Haus in Wernigerode

Musikerin Barbara Toppel kümmert sich um den Austausch. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Die Villa Russo ist benannt nach den früheren Besitzern, dem jüdischen Ehepaar Clara und Benno Russo, das hier bis 1939 wohnte. Clara Russo war Opernsängerin. Benno Russo war Käsefabrikant. Beide wurden von den Nazis erst enteignet, dann deportiert und schließlich in Konzentrationslagern ermordet. Heute betreibt die Musikerin Barbara Toppel in der Villa eine musische Begegnungsstätte, wie sie es nennt.

Musisch bedeute nicht nur musikalisch, erklärt die Flötistin am Philharmonischen Kammerorchester Wernigerode. Sie wolle, dass sich in den Räumen die Menschen begegnen und austauschen, dass sie in der Villa Kultur erleben und sich kreativ betätigen. Die Geschichte des Hauses und ihrer Bewohner spiele dabei eine wichtige Rolle.

Musische Begegnungsstätte über Religionen hinweg

Peter Lehmann beantwortet Fragen der Besucher. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Das Lichterfest verbindet nun die Geschichte der Villa und ihre heutige Bestimmung. Was ist ein Dreidel? Was macht man damit? Was bedeuten seine Zeichen? Und was passiert beim jüdischen Chanukka-Fest? Solche Fragen beantwortet an dem Samstagnachmittag Peter Lehmann, Vereinsmitglied und evangelischer Pfarrer im Ruhestand. Er widmet sich in einem Raum der Villa den jüdischen Traditionen.

Das Chanukkafest sei immer zwischen Ende November und Anfang Januar, erklärt er. Das sei auch genau die Zeit des christlichen Lichterfestes. Diese Gleichzeitigkeit habe ihn inspiriert, das einmal zu vergleichen und den Menschen nahe zu bringen. Beim jüdischen Chanukka-Fest werden am achten Tag acht Kerzen am Chanukka-Leuchter angezündet, beim christlichen Advent vier nach vier Wochen. Es wird heller, die Hoffnung wächst. Das ist das Symbol.

Wie ein Verein christliche und jüdische Traditionen verbindet

Regina Schmoock von der örtlichen katholischen Gemeinde Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

In einem anderen Raum der Villa geht es um die christlichen Traditionen der Adventszeit. Regina Schmoock von der örtlichen katholische Gemeinde erklärt, dass Papst Gregor der Große im 6. Jahrhundert die Zahl der Advents­sonntage von sechs auf vier festgelegt habe, dass die Adventszeit die Zeit der Hoffnung sei, und die zunehmende Zahl der Kerzen das Hellerwerden und damit das Wachsen der Hoffnung symbolisiere.

Wer will, kann bei diesem Lichterfest viel erfahren, aber auch genießen. Ein Ensemble junger Balletttänzerinnen tritt auf, es ist ihr erster Auftritt überhaupt. Die Besucher können aber auch naschen, basteln, spielen, singen und sogar tanzen – christlich und jüdisch. Am Ende singen alle gemeinsam Weihnachtslieder. Danach fassen sich alle im Kreis an den Händen an zu einem jüdischen Tanz.

Gesang und Tanz gab es am Wochenende in der Begegnungsstätte auch. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Monika und Klaus-Werner Bauerfeld hat es gut gefallen. Sie habe viel Neues gelernt, sagt Monika Bauerfeld, vor allem über die Adventszeit. Es habe sie erstaunt, was sie dazu alles nicht gewusst habe. Ehemann Klaus-Werner ergänzt, er wisse nun viel mehr über das Dreidel-Spiel und den Chanukka-Leuchter. Sie kämen bestimmt im nächsten Jahr wieder, sind beide überzeugt. Und dass trotz der vielen Angebote während der Adventszeit in Wernigerode. Das Lichterfest in der Villa Russo ist ein Fest der Begegnungen, ganz im ursprünglichen Sinne.

Monika und Klaus-Werner Bauerfeld hat es beim Lichterfest in der Villa Russo gut gefallen. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

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MDR (Carsten Reuß, Susanne Ahrens) | Erstmals veröffentlicht am 08.12.2024

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. Dezember 2024 | 19:00 Uhr

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