Ein CH-53 Hubschrauber mit Feuerlöschbehälter der Bundeswehr
Die großen Hubschrauber der Bundeswehr kommen in Sachsen-Anhalt nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. (Archivfoto) Bildrechte: imago/imagebroker

Langwierige Einsätze Waldbrände: Feuerwehren wollen bessere Hilfe aus der Luft

05. Juli 2022, 05:00 Uhr

Extreme Hitze gehört in Sachsen-Anhalt seit einigen Jahren inzwischen genauso zum Sommer wie lang anhaltende Dürren – nach Einschätzung vieler Forscherinnen und Forscher ist beides eine direkte Folge des Klimawandels. Vor allem durch die Trockenheit hat die Zahl der Waldbrände in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen – Tendenz steigend. Für die Feuerwehren heißt das mehr und längere Einsätze. Sie verlangen deshalb eine deutlich bessere Unterstützung aus der Luft.

Eigentlich hatte die Waldbrandsaison noch gar nicht richtig begonnen, als es Ende April auf einer Fläche von etwa einem Hektar direkt am Brocken brannte. Die Löscharbeiten vor Ort gestalteten sich schwierig, weil das Gelände am Hang nur zu Fuß zu erreichen war. Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse zufolge dauerte es einige Stunden, bis das erste Löschwasser den Brand erreichte. Das hätte bei einem stärkeren Wind dramatische Folgen haben können.

Kai-Uwe Lohse, der auch Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes ist, blickt deshalb mit großen Sorgen auch auf die angespannte Waldbrandsituation im benachbarten Brandenburg. Nach dem Großbrand nahe der Kleinstadt Treuenbrietzen befürchtet er, dass auch in Sachsen-Anhalt ein Waldbrand einmal außer Kontrolle geraten könnte – und verlangt deshalb Hilfe aus der Luft. "Wir reden über eine angespannte Löschwassersituation, resultierend aus der langen Trockenheit der letzten Monate, eigentlich schon fast Jahre und ich glaube, das Thema Luftunterstützung spielt für die Feuerwehren zukünftig eine zunehmende Rolle. Und da ist noch gewaltig Luft nach oben, um diese zu optimieren."

Hoher Aufwand für den Einsatz der Polizeihubschrauber

Derzeit verfügt die Landespolizei Sachsen-Anhalts laut Innenministerium über zwei Hubschrauber, die für Löscheinsätze angefordert werden können – vorausgesetzt, sie werden nicht für andere Polizeieinsätze benötigt. Kreisbrandmeister Lohse zufolge fängt aber gerade da das Problem an: "Wir können nicht kontinuierlich mit den Hubschraubern planen. Gleiches gilt natürlich auch für die Polizeihubschrauber, die wir in Thüringen oder Niedersachsen anfordern können. Es sind immer Hubschrauber, die eigentlich andere Aufgaben haben."

Ehe ein solcher Polizeihubschrauber dann wirklich zum Einsatz kommen kann, vergehen Lohse zufolge wertvolle Stunden, in denen sich ein Waldbrand ungehindert ausbreiten kann. Das CDU-geführte Innenministerium räumt den hohen Verwaltungsaufwand für die Beauftragung der Helikopter indirekt ein und erklärt: "Die zuständigen Leitstellen müssen vor dem geplanten Einsatz des Polizeihubschraubers prüfen, ob alle anderen Unterstützungsmöglichkeiten zur Brandbekämpfung ausgeschöpft sind. Dieser Schritt entfällt nur, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben von Personen besteht oder ein Übergreifen eines Feuers auf eine Ortschaft unmittelbar bevorsteht."

Schnelle(re) Genehmigung für Hubschrauber nötig

Diese Prüfung muss Lohse zufolge schnell verkürzt werden – vor allem in Anbetracht der sich zuspitzenden Waldbrandsituation in Sachsen-Anhalt: "Ich möchte eigentlich dort hinkommen, dass unsere Einsatzleiter vor Ort, wenn sie denn die Lage entsprechend festgestellt haben und entsprechend den Entschluss gefasst haben, ein Luftunterstützungsmittel einzusetzen, dass diese Anforderungen dann auch über die Leitstelle, genau wie bei anderen Hilfs- und Rettungsmitteln, lückenlos durchläuft und nicht erst Kostenübernahmebescheide und andere Verwaltungshürden zu nehmen sind."

Rüdiger Erben, 2012
Rüdiger Erben (SPD) kritisiert das "Organisationsproblem" bei der Beauftragung der Hubschrauber Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Kritik am Verwaltungsaufwand kommt auch von Rüdiger Erben, dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Erben erklärt, das Land habe für 23 Millionen Euro zwei neue, moderne Hubschrauber beschafft, die eigentlich auch für Löscheinsätze vorgesehen sind. Dass sie oft erst nach Stunden zum Einsatz kommen, sei daher ein Organisationsproblem. Erben räumt aber auch ein, dass die beiden Helikopter nur ein Tropfen auf den heißen Stein seien: "Alleine mit einer kleinen Hubschrauberflotte lösen Sie das Problem nicht. Die Polizeihubschrauber können ja nur einen verhältnismäßig kleinen Löschwasserbehälter tragen." Laut Innenministerium können die Polizeihubschrauber sogenannte Bambi-Buckets, kleine Löschbehälter mit einem Fassungsvermögen von 500 Liter, transportierten. "Da sind dann Bundeswehr und Bundespolizei gefragt", findet Erben.

Helikopter der Bundeswehr: Teuer und nicht immer einsatzbereit

Auch hier mache die Verwaltung den Feuerwehren aber wieder einen Strich durch die Rechnung, erklärt Lohse: "Der Vorlauf ist gegenüber der Landespolizei noch erheblich länger, weil verschiedene Verwaltungsstufen durchlaufen werden müssen und die Vorbereitungszeit der Maschinen entsprechend größer ist. Nun muss man aber auch dazusagen, dass die Bundeswehr eigentlich die größte und die härteste Waffe in der Hand hat, weil das auch die schwersten und die größten Hubschrauber sind."

Die Rede ist von den Transporthubschraubern Sikorsky CH-53. Dieser Typ gilt derzeit als das leistungsfähigste Einsatzmittel für die Brandbekämpfung aus der Luft. Mit einem großen Außenlastbehälter, Smokie genannt, kann der Helikopter 5.000 Liter Wasser transportieren. Doch der Einsatz ist nicht nur vergleichsweise teuer (mehr als 20.000 Euro pro Flugstunde), die CH-53 gilt unter Experten auch als pannenanfällig. Immerhin steht der Typ seit gut fünf Jahrzehnten in Diensten der Bundeswehr. So fiel auch bei dem Einsatz in Treuenbrietzen eine Maschine des Typs aus und musste auf einem Feld landen. Wann die erst vor wenigen Wochen als Ersatz bestellten Helikopter vom Typ Boeing Chinook einsatzfähig sind, ist derzeit noch nicht absehbar.

Auch eine Anschaffung weiterer Helikopter von Seiten des Landes scheint derzeit nicht geplant. Aus dem Innenministerium heißt es, für die Ausstattung der Feuerwehren seien die Kommunen zuständig, die vom Land lediglich unterstützt würden. Zuletzt habe man aber vor allem in den Ausbau der bodengebundenen Löschtechnik investiert. Ein Vorgehen, das Kreisbrandmeister Lohse zum Teil kritisiert und die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern fordert: "Man muss politisch zu einer Lösung kommen, dass man vielleicht in einem Drei-Länder-Verfahren gemeinsam einen Hubschrauber oder zwei zur Verfügung hat. Denn das minimiert letztendlich die Ausbreitung von Bränden und minimiert im Nachgang auch unseren Aufwand als Freiwillige Feuerwehren."

Löschflugzeug statt Löschhubschrauber?

Löschflugzeug im Einsatz bei Brand in einem Waldgebiet in Barnabas, Griechenland
Michael Goldhahn empfiehlt die Anschaffung kleinerer Löschflugzeuge. Diese kommen auch in anderen Ländern seit Jahren erfolgreich zum Einsatz – so wie dieser Air Tractor in Griechenland. Bildrechte: imago images/ANE Edition

Neben den Helikoptern fordern aber auch immer mehr Experten die Anschaffung von Löschflugzeugen. Michael Goldhahn, Pilot, Fluglehrer und Geschäftsführer der Deutschen Löschflugzeug Rettungsstaffel (DLFR), plädiert seit Jahren für Löschflugzeuge: "Wir brauchen aus meiner Sicht in Deutschland mindestens sechs bis acht Löschflugzeuge. Und wenn ich hier von Löschflugzeugen spreche, rede ich von kleineren Luftfahrzeugen. Es gibt Systeme wie zum Beispiel den Air Tractor. Der kann bis zu drei Tonnen Wasser tragen, ist überall einsetzbar und kann sowohl über Wasser gleiten und das Wasser aufnehmen, als auch von Land operieren. Diese kleinen Löschflugzeuge sollten an verschiedenen Standorten in Deutschland stationiert sein und könnten dann innerhalb von einer Stunde jeden Punkt in Deutschland erreichen."

Neben der Schnelligkeit sprechen Goldhahn zufolge aber auch die Betriebskosten der Löschflugzeuge für deren Anschaffung. "Die Eurocopter, wie sie von der Polizei betrieben werden, kosten pro Flugstunde mittlerweile etwa 5.000 Euro. Diese Hubschrauber fliegen mit maximal 500 Litern Wasser. Wenn ich jetzt einen Air Tractor nehme, der ist mit etwa 4.000 Euro die Stunde zu betreiben, kann 3.000 Liter transportieren und Waldbrände wesentlich effektiver aus der Luft bekämpfen."

Wenn Sie den Waldbrandschutz verbessern und gleichzeitig Steuern sparen wollen, dann muss man jetzt diese Löschflugzeuge anschaffen.

Michael Goldhahn Pilot und Fluglehrer

Den Einsatz von Löschflugzeugen kann sich auch Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse vorstellen: "Wir brauchen entsprechende Wasserflächen für diesen Einsatz. Aber auch die sind bei uns im Bundesland zumindest vorhanden. Ich rede von Arendsee, ich rede von der Goitzsche, ich rede von Talsperrensystemen, und auch von anderen Seen, die einen Einsatz von Löschflugzeugen möglich machen." Die Flugzeuge könnten von der Feuerwehr aber auch am Boden betankt werden, bräuchten nur kurze Start- und Landepisten, erklärt Löschflugzeugexperte Goldhahn: "Der landet, wird von der Feuerwehr in der Regel mit zwei B-Schläuchen mit Löschwasser versorgt und ist dann nach etwa eineinhalb Minuten wieder unterwegs."

Erfahrung mit Löschflugzeugen in Sachsen-Anhalt

Ganz neu wäre der Einsatz von Löschflugzeugen in Sachsen-Anhalt nicht, erinnert SPD-Innenpolitiker Erben: "Wir hatten in unserer Gegend das schon mal. Denn in der DDR war es durchaus üblich, auch mit kleineren Flugzeugen Waldbrände zu bekämpfen." Zum Einsatz kamen damals Maschinen des Agrarflugs der Interflug – eine Abteilung, die nach der Wende aber mangels Bedarf vollständig abgewickelt wurde.

Ein Umstand, der den Aufbau einer Löschflotte in Deutschland erheblich behindern könnte. Denn die Brandbekämpfung aus der Luft, das zielgenaue Absetzen großer Wassermassen, zählt zu den anspruchsvollsten Formen des Fliegens. Hierfür braucht es neben den entsprechenden Zulassungen auch viel Erfahrung, erklärt Goldhahn: "Die Piloten haben grundsätzlich mit erschwerten Bedingungen durch Rauch, durch vertikale Luftströmungen, durch die Hitze und durch das Feuer zu kämpfen." Angehende Löschpiloten müssten daher im Ausland erste Einsatzerfahrungen sammeln, ehe sie dann in Deutschland fliegen könnten. Das brauche aber Zeit, so Goldhahn.

Sachsen-Anhalt muss dabei keine eigene Flotte an Löschflugzeugen anschaffen, meint Goldhahn. Es reiche aus, mit anderen Bundesländern eine gemeinsam Flotte zu betreiben. Die Initiative dafür müsse allerdings sehr wohl von der Landespolitik kommen, findet der Harzer Kreisbrandmeister Lohse: "Wichtig wäre, dass man es immer in einem Mehrfachverbund macht, um es auch entsprechend effektiv zu gestalten und die Kosten entsprechend niedrig zu halten."

Innenministerium setzt auf Brandbekämpfung am Boden

Viel Hoffnung auf eine schnelle Veränderung macht sich Lohse aber nicht. Denn aus dem Innenministerium heißt es, dass Waldbrände grundsätzlich durch die Feuerwehren vom Boden aus gelöscht werden sollen: "Ländereigene oder kommunale Luftfahrzeuge, die ausschließlich zur Brandbekämpfung vorgesehen sind, werden durch die Bundesländer nicht vorgehalten. Das Einsatzgeschehen in Deutschland rechtfertigt bislang die hierfür erforderlichen Investitionen sowie die laufenden Unterhaltungs- und Personalkosten nicht."

Rüdiger Erben von der mitregierenden SPD-Fraktion im Landtag will es dabei aber nicht belassen: "In Anbetracht der Probleme und Herausforderungen, die ja im Bereich Waldbrand in den nächsten Jahrzehnten nicht kleiner werden, wird man diese Debatte noch einmal aufmachen müssen." Bis dahin können die Feuerwehren im Land zunächst nur auf eine schnelle und bessere Alarmierung der Polizeihubschrauber hoffen.

Über den Autor Thomas Tasler arbeitet seit Juni 2019 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Bevor der gebürtige Südthüringer nach Magdeburg kam, hat er in Leipzig bei MDR AKTUELL und mephisto 97.6 Station gemacht. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Luftfahrt und ist bei diesem Thema Ansprechpartner Nummer eins im Funkhaus.

Mehr zum Thema Waldbrand

MDR (Thomas Tasler)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 05. Juli 2022 | 12:00 Uhr

2 Kommentare

Sharis am 05.07.2022

"Dieser Schritt entfällt nur, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben von Personen besteht oder ein Übergreifen eines Feuers auf eine Ortschaft unmittelbar bevorsteht."

Das ist doch völliger Mist! Die Feuerwehren können aus Erfahrung am ehesten einschätzen, wann sie Luftunterstützung brauchen.
Durch die zitierte Regel verbrennen jedoch sinnlos, bzw. schädlich Flächen von Natur & Kultur, die es nicht müssten.
Allein die finanziellen Schäden sind dabei bestimmt größer, als die für die Bereitstellung von Löschflugzeugen oder - hubschraubern.

Simone am 05.07.2022

Wer keine eigenen Wirkmittel hat, der muss ich halt wohl oder übel an die Gepflogenheiten derjenigen halten, die ihm diese Wirkmittel zur Verfügung stellen.

Für planbare zeitkritische Anforderungen sollten deswegen möglichst kurze Entscheidungsstränge eingeführt werden. Am schnellsten verfügt man immer noch über eigene Mittel, bzw. über Mittel die in einem Pool zur Brandbekämpfung zur Verfügung stehen.

PS: Es gibt schon Gründe, warum die Hubschrauberstaffeln der Länder so klein sind.

Mehr aus dem Harz

Ein Mann mit Hut sitzt in einer Kirche. 4 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehr aus Sachsen-Anhalt

Susanne Langhans moderiert das Wetter. 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK