Hype ums GesternWarum Retro und Vintage so beliebt sind
Tische aus den 1950ern, Schlaghosen aus den 2000ern oder Omas altes Kaffeegeschirr – Retro- und Vintage-Stücke sind gerade wieder im Trend. Das zeigen auch die Ergebnisse einer MDR-Umfrage. Trendbeobachter erklären die Liebe zum Gestern und ein Restaurator aus Wernigerode schätzt den Wert von Möbeln aus der DDR.
- Eine alte Blumenbank aus Spanplatten ist plötzlich wieder mehr als 100 Euro wert, weil Retro im Trend liegt, sagt ein Restaurator aus Wernigerode.
- Eine Umfrage zeigt: Mehr als zwei Drittel der Menschen haben Retro- oder Vintage-Stücke in ihrer Wohnung, sehr beliebt sind alte DDR-Werkzeuge.
- Experten sehen die Liebe zum Gestern als Gegenpol zum schnellen Heute.
Ein Besuch auf Schloss Wernigerode ist wie eine Reise durch die Zeit. Hier findet man zum Beispiel eine Holztruhe aus der Gotik, ein Sofa aus dem Biedermeier und andere historische Stücke. Viele von ihnen landen in der Werkstatt von Hartmut Meier, der seit mehr als 30 Jahren Möbel aus unterschiedlichen Epochen restauriert.
Meier weiß, welchen Reiz und Wert Retro-Möbel derzeit haben. So schätzt er, dass eine Blumenbank aus der DDR der 1950er-Jahre, die aus Sprelacart und Spanplatten gefertigt ist, heute für 150 bis 200 Euro gehandelt wird. Der Preis hängt dabei nicht von den Materialien oder deren Verarbeitung ab, sondern von Angebot und Nachfrage, sagt Meier: "Das hat nichts mit der Handwerkskunst zu tun, sondern mit dem Zeitgeist", sagt Meier.
Viele mögen Dinge aus den 1950er-Jahren, daher kommt der Preis zustande.
Hartmut Meier | Restaurator
Mehr als zwei Drittel besitzen Retro-Stücke
Dass Retro und Vintage derzeit ein Comeback erleben, zeigen auch die Ergebnisse einer Umfrage von MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland. 69 Prozent der Teilnehmenden gaben an, selbst Retro-Teile wie Möbel, Geschirr oder Kleidung in ihrer Wohnung zu haben.
Die allermeisten verbinden damit Erinnerungen und persönliche Geschichten (75 Prozent). Außerdem gaben viele an, dass sie die Stücke noch aus einer Zeit haben, als sie noch nicht als "retro" galten (62 Prozent). Dass Retro-Stücke gerade wieder im Trend sind, spielt eher eine untergeordnete Rolle. Zwölf Prozent besitzen sie, weil sie gerade "modern" sind.
Weitere Gründe, die häufig für Retro-Teile genannt wurden, sind außerdem das Design (41 Prozent) oder der Punkt, dass die Stücke etwas Besonderes sind (40 Prozent). Für 30 Prozent spielen zudem Umweltgründe wie Nachhaltigkeit eine Rolle, für 22 Prozent auch Kostengründe.
Viele Stücke aus der DDR noch in Gebrauch
Auch etliche Gegenstände aus der damaligen DDR befinden sich heute noch in den Wohnungen der Befragten. Über drei Viertel der Teilnehmenden (77 Prozent) sind noch im Besitz von DDR-Klassikern. Dabei ist ein wichtiger Aspekt auch die Langlebigkeit: 61 Prozent gaben an, dass ihre Küchen- und Elektrogeräte aus DDR-Produktion noch in Gebrauch sind. Und 80 Prozent der Teilnehmenden nutzen noch ihr DDR-Werkzeug.
Meine Oma hatte bequeme Sessel, auf denen ich schon als Kind gesessen hatte, und deshalb wollte ich diese behalten!
49-jähriger Teilnehmer aus Anhalt-Bitterfeld
Hinter jedem Teil steckt eine Geschichte
Mit dem Retro-Trend haben sich auch viele Studien beschäftigt. Trendbeobachter Mathias Haas sieht mehr als Nostalgie dahinter: "Wenn Stücke, ob Möbel oder Jeans tatsächlich abgenutzt sind, weil sie eben schon benutzt wurden, ist das noch mal eine höhere Qualitätsstufe."
Menschen lieben eben Geschichten.
Mathias Haas | Trendbeobachter
Marktforscher und Psychologinnen vermuten hinter diesen Trends auch das Bedürfnis nach Identität und nach einer Art "Verschnaufpause" – sozusagen als Gegenmodell zur schnellen digitalen Welt.
Noch mehr Retro-Gegenstände und Vintage-Verliebte aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sehen Sie in der exactly-Reportage "Secondhand, Vinyl, Bulli: Warum lieben wir Retro und Vintage?"
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MDR (Ines Klein, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Exakt - Die Story | 26. Januar 2022 | 20:45 Uhr
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