"Himmelpforte"Hobby-Archäologen graben vergessenes Kloster in Wernigerode aus
Das klingt mystisch: Ein verschwundenes Kloster, von dem man nicht mehr wusste, wo genau es lag und jeder der Lust hat, kann dabei helfen, es suchen und auszugraben. Genau das passiert gerade in einem Waldstück bei Wernigerode. Dort graben Archäologen gemeinsam mit rund 20 Helfern aus der Region das ehemalige Kloster Himmelpforte aus.
- Das Kloster wurde 1525 im Bauernkrieg zerstört.
- Entdeckt wurde unter anderem die Grabplatte mit dem Relief einer jungen Frau.
- Die Funde sollen im Harzmuseum ausgestellt werden.
Die äußeren Bedingungen sind alles andere als gemütlich an diesem Tag. Es nieselt, es ist neblig, und es ist kalt. Alltag derzeit für die rund 30 Archäologen und Grabungshelfer im Wald bei Wernigerode. Zu ihnen gehört auch Lena Neubauer. Sie hockt unter einem roten Regenponcho in einer schlammigen Grube und kratzt und schippt. Zentimeter für Zentimeter legt sie eine Mauer frei.
Scherben von einem Teller und Teile eines Gefäßes habe sie gefunden. "Das ist cool", sagt die 22-jährige Studentin, die aus dem Nachbarort Elbingerode kommt und eigentlich Mathematik und Biologie auf Lehramt studiert. Doch derzeit opfert sie drei Wochen ihrer Semesterferien, um dabei zu helfen, das Kloster Himmelpforte auszugraben.
Die Geschichte des Klosters
Der Name dieses einstigen im Jahr 1253 gegründeten Augustiner-Eremitenkloster ist im Wernigeröder Geschichtsbewusstsein sehr präsent. Eine in Wernigerode sehr bekannte und als Veranstaltungsort genutzte Wiese in der Nähe heißt Himmelpforte. Martin Luther weilte im Jahr 1516 in dem Kloster zum Disput. Doch neun Jahre später wurde das Kloster im Bauernkrieg verwüstet. Am 30. April oder 1. Mai 1525 stürmten und plünderten aufrührerische Bauern und mehrere Bürger der Stadt Wernigerode das Kloster. Als Rädelsführer wurde ein Barbier aus Wernigerode verhaftet und zum Tode verurteilt, kurze Zeit darauf aber begnadigt und aus der Grafschaft verbannt.
Die Ruinen des Klosters wurden erst als Lager für Baumaterial genutzt, überwucherten später und gerieten in Vergessenheit. Am Ende wusste niemand mehr die genaue Lage, erst recht nicht, wie das Kloster aussah. Das habe sich nun geändert, freut sich Grabungsleiter Professor Felix Biermann vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie. Es sei nun gelungen, alle wesentlichen Elemente des Klosters nachzuweisen, so Biermann. Bei einer einwöchigen Grabungsaktion im vergangenen Jahr die Lage des Klosters und erste Mauern nachgewiesen worden. Spektakulär war damals der Fund von vier Goldmünzen.
Viele Funde in nur drei Wochen
In diesem Jahr nun wurden unter anderem Teile der Kirche freigelegt. "Eine dreischiffige Pfeilerbasilika von wenigstens 40 Metern Länge", so Archäologe Biermann. Besonders bemerkenswert findet er entdeckte Grundmauern, bis zu zwei Meter hoch und teilweise mit Putz versehen, sowie zwei bestens erhaltene verzierte Grabplatten aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert. Eine Grabplatte zeige das Relief einer jungen Frau. Eine Claudia von Königstedt wurde hier im Jahr 1520 bestattet. Die Frau wurde in zeitgenössischer Tracht, mit langem geflochtenem Haar und mit Rosenkranz dargestellt.
Überhaupt wurden bei der in diesem Jahr dreiwöchigen Grabungsaktion zahlreiche Funde gemacht. Reste von Ofenkacheln gehören dazu, auch Buchschließen, Glas- und Keramikscherben, bronzene Schreibgriffel für Wachstafeln sowie Pressblechbeschläge von sakralen Textilien, sogenannten Paramenten.
Besonders hübsch ist ein metallenes Pilgerzeichen, eine Art Harzer Wandernadel des späten 15. Jahrhunderts. Die kleine münzähnliche Medaille zeigt auf der Vorderseite Madonna mit dem Jesuskind und auf der Rückseite ein Kreuz. Ein solches Pilgerzeichen hätte man sich damals wohl an die Mütze oder an ein Kleidungsstück genäht, als äußeres Zeichen, dass man an der Pilgerstätte gewesen sei, so Archäologe Normen Posselt, der als stellvertretender Grabungsleiter vor Ort ist.
Ausstellung im Harzmuseum
Die Funde sollen im kommenden Jahr ausgestellt werden, unter anderem im Wernigeröder Harzmuseum. Dann sollen auch die Grabungen am ehemaligen Kloster Himmelpforte fortgesetzt werden, und zwar noch umfangreicher als bisher. Sie gehören zu einem umfangreichen Projekt, das vom Bund mit rund 540.000 Euro und vom Land Sachsen-Anhalt mit rund 360.000 Euro gefördert wird. Wenn es im nächsten weitergeht, wäre auch Lena Neubauer wieder dabei. Sie versichert: "Wenn es wieder stattfindet, definitiv ja. Das macht solchen Spaß und ist so spannend."
Mehr zum Thema Archäologie
MDR (Carsten Reuß, Max Schörm) | Erstmals veröffentlicht am 04.10.2024
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 04. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
Kommentare
{{text}}