neutrale Person mit Trauerkerze 30 min
Laut Medizinstudent Firat Taskaya herrschte in den ersten Stunden nach dem Anschlag im Uniklinikum Chaos und große Hilfesbereitschaft. Im neuen Exactly sehen Sie auch seine Geschichte. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Anschlag in Magdeburg Wie ein Medizinstudent die Stunden nach dem Attentat im Krankenhaus erlebte

11. Januar 2025, 11:50 Uhr

Der Medizinstudent Firat Taskaya macht aktuell sein praktisches Jahr in Magdeburg und kommt kurze Zeit nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt ins Uniklinikum. Er hilft, die Opfer zu versorgen – und erlebt großes Chaos, aber ebenso große Hilfsbereitschaft. Er nimmt seine Follower auf TikTok dabei live mit ohne Details zu zeigen. Die Tage und Wochen nach dem Attentat sind für ihn und seine Familie mit großen Unsicherheiten verbunden.

Es ist der Abend des 20. Dezember 2024. Der Attentäter von Magdeburg reißt, nach heutigem (10. Januar) Stand, sechs Menschen aus dem Leben, hunderte werden verletzt und traumatisiert. Die Stadt steht unter Schock.

Der 24-jährige Firat Taskaya wird über Chatgruppen auf den Anschlag aufmerksam. Er ist Medizinstudent. Als er vom Anschlag hört, macht er sich sofort auf den Weg ins Uniklinikum.

Die Stunden nach dem Anschlag auf TikTok

Auf TikTok nimmt er seine Follower mit, sagt aber auch, dass er kein Blut und keine Verletzten oder ähnliches zeigen werde. "Wir gehen jetzt quasi zur zentralen Notaufnahme, wo wir eingeteilt werden in ein Team und Unterstützung geben. Von neurochirurgischer Seite aus dem Uniklinikum Magdeburg ist gerade jeder Oberarzt auf dem Weg ins Krankenhaus", teilt er seiner Community in einem Video mit.

Neben seinem Studium betreibt Firat Taskaya den TikTok-Kanal DocSensei. Knapp 15.000 Menschen folgen ihm dort. Normalerweise postet Firat zu Fakten und Mythen in der Medizin. Am Abend des Anschlags sind seine Follower live im Krankenhaus dabei.

Ein Mann mit Locken und brauner Jacke steht auf einem Platz hinter einem Baum und spricht in sein Handy.
Rund 15.000 Menschen folgen Firat Taskaya auf seinem TikTok-Channel. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Um 1 Uhr nachts berichtet er auf TikTok davon, was er in den ersten Stunden des Attentats im Krankenhaus erlebt hat. "Ich war an verschiedenen Orten eingeteilt. Es war ein Riesenchaos", sagt er im Video.

Menschen aus 20 verschiedenen Nationen haben in dieser Nacht daran mitgewirkt, mit einem einzigen Ziel: so vielen Menschen so schnell wie möglich zu helfen.

Firat Taskaya, Medizinstudent

Dank gilt allen Helfenden

Nach seinem Einsatz im Krankenhaus postet er ein Video davon auf Twitter. Darauf erhält er nach eigenen Aussagen hundert, wenn nicht tausend Nachrichten. Die Menschen bedanken sich bei ihm für seinen Einsatz und die Hilfe, die er geleistet hat. Ganz annehmen will er den Dank nicht. Er gibt ihn weiter an die Rettungssanitäter, die vor Ort waren, an die Pflegekräfte, die den Ablauf strukturiert haben, an die Menschen in den OPs und die Putzkräfte. "Menschen aus 20 verschiedenen Nationen haben in dieser Nacht daran mitgewirkt, mit einem einzigen Ziel: so vielen Menschen so schnell wie möglich zu helfen."

Menschen mit Migrationsgeschichte sind es auch, die seit dem Anschlag vermehrt rassistisch attackiert werden. So zählt die Mobile Opferberatungsstelle in Magdeburg im Jahr 2023 durchschnittlich etwa eine rassistische oder rechte Gewalttat pro Woche. In den Wochen direkt nach dem Anschlag ist es rund eine pro Tag.

Verständnis für die Wut, Unverständnis für den Rassismus

Firat versteht die Wut der Menschen, es sei selbstverständlich, jemandem die Schuld geben zu wollen. Er stellt allerdings klar: "Aber ich glaube, es ist nicht die Lösung, auf die Straßen zu gehen und gegen Ausländer zu demonstrieren. Und ich glaube, es ist auch nicht die Lösung, Menschen mit ausländischem Aussehen einfach anzugreifen."

Ein Mann stehr vor einem dunklen Hintergrund und schaut in die Kamera 2 min
Journalist Michael Trammer hat mit mehreren Menschen in Magdeburg gesprochen, die Angriffe erlebt haben. Bildrechte: MDR/privat
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https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/audio-interview-trammer-angriffe-migranten-magdeburg100.html

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Der 24-Jährige erzählt davon, wie sich auch seine Familie seit dem Anschlag immer wieder frage, ob sie sich sicher seien, rausgehen zu wollen. Sie hätten Veranstaltungen wegen Sicherheitsbedenken abgesagt, etwa in ihrer Moschee. Weder Religion noch Nationalität will er als Erklärung für die Tat gelten lassen: "Ich glaube keine Religion auf dieser Welt predigt, mit einem Auto in eine Menschenmenge zu fahren und ich glaube auch keine Nationalität korreliert mit so einer wahnsinnigen Tat."

Das sagt auch die Kriminologin und Terrorexpertin Britta Bannenberg von der Universität Gießen in der Fakt ist-Sendung am 8. Januar. Die Migrationsdebatte sei bei dieser Tat völlig fehl am Platz. Die Tat von Magdeburg passe in keinen terroristischen Kontext. Taleb A. erfülle ihrer Wahrnehmung nach die Zuschreibungen eines klassischen Amoktäters: einzelgängerisch, paranoid, narzisstisch, empathielos – psychisch gestört.

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MDR (Emma Mack, David Holland, Sebastian Gall), zuerst veröffentlicht am 08.01.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 08. Januar 2025 | 17:00 Uhr

11 Kommentare

Denkschnecke vor 2 Wochen

Sie lesen in meinen Kommentar Dinge hinein, die ich überhaupt nicht geschrieben habe.
Ich habe nirgendwo "zwei verschiedene Fakten in einem Satz in einen Topf geworfen. Ich habe niemandem "rechte Denke vorgeworfen". (Sie allein haben davon in Ihrem Post geredet.) Und - diese Behauptung finde ich am schlimmsten - die Amokfahrt in Magdeburg war kein islamistischer Anschlag, sondern die Tat eines seit vielen Jahren selbsterklärten Feinds des Islam. So etwas zu behaupten ohne irgendwelche Fakten ist das Gegenteil von "real denkend", nämlich einfach absurd.
Was ich thematisiert habe ist, dass es in Magdeburg einige Menschen gibt, die - mit Ihren eigenen Worten - nicht "normal denkend" sind und Angriffe auf irgendwie arabisch aussehende Bürger nicht verurteilen, sondern tätigen.

pwsksk vor 2 Wochen

@Denk, nicht 2 ganz verschiedene Fakten in einem Satz, in einen Topf werfen.
Es wurde vielfach geschildert, wie sehr viele Menschen sofort selbstlos geholfen haben. Wie nach wenigen Minuten von Polizei und allen Hilfskräften professionell geholfen wurde. Egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Extremisten gibt's in allen Richtungen, sogar richtig Irre.
Aber hören sie auf, hier allen Menschen, die mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sind, eine rechte Denke vorzuwerfen. Das ist Unsinn und genau das meine ich mit "real denkend".
Bei diesem und anderen islamistischen Anschlägen waren die Täter im Vorfeld bekannt und hätten eindeutig "kalt gestellt" werden können/müssen.
Im Talk gestern kam wieder nur heraus, das das Sicherheitskonzept doch Schuld gewesen sein "sollte/müsste". Und das stört viele "real denkende" Menschen in diesem Land.

Denkschnecke vor 2 Wochen

Was er getan hat, ist für Medizinstudierende keine größere Pflicht als für jeden Bürger, und er gibt den Dank dafür weiter an alle, die tatsächlich an diesem Jahren im Rahmen ihres Jobs mitgewirkt haben. Ich habe großen Respekt vor der Hilfe.
Und haben Sie denn seine TikTok-Videos angeschaut? Ich nicht, aber ich lese nichts davon, dass er das Elend publiziert hätte, sondern nur - so wie er sonst über Medizin und Medizinstudium postet - über den Einsatz am Krankenhaus berichtet.

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