
Fünf Tote und viele Verletzte Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt: Mutmaßlicher Täter in U-Haft
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22. Dezember 2024, 07:32 Uhr
Nur vier Tage vor Heiligabend ist der Weihnachtsmarkt in Magdeburg zum Schauplatz eines Anschlags geworden. Ein Auto raste in eine Menschenmenge und hinterließ eine Spur des Schreckens: Fünf Menschen starben, darunter ein neun Jahre altes Kind. Insgesamt sind mehr als 200 Menschen verletzt. Der mutmaßliche Täter, ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien, wurde festgenommen. Die Ermittlungen laufen. Was aktuell bekannt ist.
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat das Amtsgericht Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Täter erlassen. Wie die Polizei in der Nacht zu Sonntag mitteilte, wird dem 50 Jahre alten Mann aus Saudi-Arabien fünffacher Mord, mehrfacher versuchter Mord und mehrfache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Der Tatverdächtige sei in ein Gefängnis gebracht worden.
Bei der Tat waren am Freitagabend – vier Tage vor Heiligabend – sind mindestens fünf Menschen getötet worden, unter ihnen ein neun Jahre altes Kind. Die Polizei berichtete, bei den anderen Getöteten handele es sich um Menschen im Alter von 45, 52, 67 und 75 Jahren. Wegen der hohen Zahl an Schwerverletzten – am Samstagnachmittag hatten die Behörden von 41 berichtet – sind weitere Todesopfer aber nicht auszuschließen. Insgesamt seien mehr als 200 Menschen verletzt worden. Sie wurden in insgesamt 15 Krankenhäusern behandelt.
Polizei: Mutmaßlicher Täter hat Rettungs- und Fluchtweg genutzt
Laut Polizei war der 50 Jahre alte Mann mit dem Auto aus Richtung der Strombrücke in die Ernst-Reuter-Allee in Richtung Hauptbahnhof gefahren. An der Ampel sei er nach rechts mit "langsamer Geschwindigkeit" durch den Flucht- und Rettungsweg auf den Weihnachtsmarkt gefahren. Dort seien bereits erste Menschen verletzt worden. Auf dem Alten Markt angekommen, habe der Fahrer stark beschleunigt. Eine genaue Geschwindigkeit nannten die Beamten nicht.
Den Angaben nach war Freitagabend um 19:02 Uhr der erste Notruf bei der Polizei eingegangen. Der erste Anrufer war demnach noch von einem Unfall ausgegangen, sagte der Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg, Tom-Oliver Langhans. Aus weiteren Notrufen sei aber schnell klar geworden, dass das Auto gezielt in die Menschenmenge gesteuert wurde. Die Tat selbst habe nur wenige Minuten angedauert, der mutmaßliche Täter sei 19:05 Uhr festgenommen worden.
Wie am Samstag Tom-Oliver Langhans von der Polizeiinspektion bestätigte, war bereits vor rund einem Jahr versucht worden, den mutmaßlichen Täter einer Gefährderansprache zu unterziehen. Man habe den Mann aber nicht angetroffen.
Stadt: Sicherheitskonzept für Weihnachtsmarkt war bereits verschärft worden
Der Ordnungsbeigeordnete der Stadt Magdeburg, Ronni Krug (CDU), sprach am späten Samstagnachmittag auch über das Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt. Es war den Angaben zufolge zuletzt Ende November angepasst und im Vergleich zum Vorjahr verschärft worden, sagte Krug. Wie es dennoch zu der Tat habe kommen können, müsse geklärt werden, sagte Krug. Der Beigeordnete sagte, der mutmaßliche Täter habe insbesondere Orte ausgenutzt, die als Rettungsgassen und Fluchtwege ausgewiesen worden seien. Man habe mit so einem Fall "in dieser Dimension" nicht rechnen können.
Ähnlich äußerte sich am Samstagabend Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang. Die CDU-Politikerin sagte MDR SACHSEN-ANHALT, der Magdeburger Weihnachtsmarkt sei mit Betonklötzen abgesichert worden. "Wir können unsere Weihnachtsmärkte nicht einbetonieren." Man brauche Fluchtwege, man brauche Rettungswege.
Wir können unsere Weihnachtsmärkte nicht einbetonieren.
Sachsen-Anhalt hat nach ihren Worten die gesetzlichen Möglichkeiten genutzt, um anlasslos Taschen und Rucksäcke kontrollieren zu können. Dabei sei es darum gegangen, das Waffen- und Messerverbot auf den Weihnachtsmärkten durchzusetzen. Das sei verbunden gewesen mit einer hohen Polizeipräsenz auf allen Weihnachtsmärkten. Zieschang betonte: "Ich glaube, dass das auch dazu beigetragen hat, dass der Täter innerhalb von drei Minuten gestellt werden konnte."
Haseloff: Tat von Magdeburg ist "Tragödie"
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach am Samstagmittag bei einem Besuch auf dem Alten Markt von einer "Tragödie". Man könne nur hoffen und beten, dass die Schwerverletzten überlebten und es keine weiteren Todesopfer gebe. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Mittag in Magdeburg, er versichere Magdeburg die Solidarität des ganzen Landes. Die Tat gehe "zutiefst zu Herzen", sagte Scholz. "Wir werden und müssen zusammenstehen."
Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland.
Scholz kündigte an, in ganz Deutschland um professionelle Hilfe zu bitten, damit niemand allein gelassen werde. Zudem kündigte er Aufklärung an: "Nichts darf ununtersucht bleiben und so wird es auch sein", erklärte der Kanzler. Gemeinsam mit dem Kanzler waren mehrere Mitglieder des Bundeskabinetts und auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) nach Magdeburg gereist.
Dieser appellierte auf der Plattform "X", dass Politiker verpflichtet seien, zunächst innezuhalten und erst auf der Basis gesicherter Erkenntnisse zu beurteilen, was geschehen ist.
Mutmaßlicher Täter wohl "rechtsradikal und islamfeindlich"
Der mutmaßliche Täter, ein 50-jähriger Mann aus Saudi-Arabien, war unmittelbar am Tatort von Polizisten festgenommen worden. Laut Innenministerin Zieschang handelt es sich um einen Arzt, der in Bernburg lebt und arbeitet. Der Mann sei 2006 erstmals nach Deutschland eingereist und verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Der Verdächtige war den Behörden nicht als Islamist bekannt.
Im Gegenteil betrachten Experten wie der Radikalisierungsforscher Hans Goldenbaum den mutmaßlichen Täter eher als rechtsradikal und islamfeindlich. Goldenbaum sagte am Samstag dem MDR, bei dem Mann fänden sich zentrale Narrative des Rechtsextremismus. Das seien die Erzählung vom angeblichen großen Austausch, Überfremdung westlicher Gesellschaften durch den Zuzug von Migranten sowie die Annahme, dass es eine Islamisierung europäischer Gesellschaften gebe. Mehrere vom MDR ausgewertete Social Media-Posts zeigen zudem eine Nähe des mutmaßlichen Täters zur AfD.
Saudi-Arabien soll deutsche Behörden gewarnt haben
Die Behörden in Deutschland sind offenbar vor dem Mann gewarnt worden: Das berichtete zunächst die Nachrichtenagentur Reuters und verwies auf extremistische Ansichten, die der Mann auf "X" geteilt hatte. Inzwischen meldet auch die Deutsche Presse-Agentur, Saudi-Arabien habe Deutschland vor dem mutmaßlichen Täter gewarnt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur hatte es vor rund einem Jahr eine Art Warnhinweis zu dem Mann an die deutschen Behörden gegeben. Bundesinnenministerin Faeser sagte dazu am Samstag lediglich, derzeit liefen die Ermittlungen.
Zuvor hatten WDR und NDR berichtet, der mutmaßliche Täter sei in der saudischen Exil-Community eine durchaus prominente Figur. Er soll demnach als Ansprechpartner für Asylsuchende, insbesondere Frauen, gegolten haben. Äußerungen, die der Mann bis zuletzt in sozialen Medien getätigt haben soll, liefern Hinweise darauf, dass er sich möglicherweise verfolgt gefühlt haben könnte. Der Recherche des WDR zufolge positionierte er sich im Netz extrem islamkritisch und fürchtete eine Islamisierung Deutschlands. Das deckt sich mit MDR-Informationen.
MDR (Dominik Knauft, Luca Deutschländer)/ dpa, APTN
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 22. Dezember 2024 | 07:00 Uhr