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Versäumnisse von BehördenAnschlag in Magdeburg: Welche Fehler zu der Tat führten

07. Februar 2025, 18:19 Uhr

Nach dem Anschlag in Magdeburg werden Fehler der Behörden diskutiert. Das Innenministerium hatte die Polizei in einem Erlass über die besondere Gefährdungslage informiert – und gebeten, mit Veranstaltern und kommunalen Behörden für Sicherheit zu sorgen, auch durch mobile Sperren. Auch zum Attentäter hatten deutsche Sicherheitsbehörden im Vorfeld mehr als 100 Vorfälle registriert.

Gut anderthalb Monate nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt ist die Aufarbeitung der Gewalttat weiter in vollem Gange. Neben der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg, die zum Täter, der Tat selbst und den Betroffenen ermittelt, haben sich mittlerweile sich mittlerweile mehrere Gremien formiert, um die weiteren Umstände des Anschlags zu untersuchen.

Staatsanwaltschaft ermittelt zu drei Strafanzeigen, Hauptverfahren wird gegen Täter geführt

All diese offenen Fragen beschäftigen nun vor allem die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg: Sie hat die Ermittlungen übernommen. Einem Sprecher der Behörde zufolge liegen mindestens drei Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Stadt, der Polizei und der Gesellschaft zur Durchführung der Magdeburger Weihnachtsmärkte vor. Unter anderem gehe es dabei um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen. Dabei werde in alle Richtungen ermittelt, so ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft.

Die polizeilichen Ermittlungen würden von der Polizeiinspektion Halle geführt. Der Fokus liege allerdings zunächst auf den Ermittlungen im Hauptverfahren gegen den Täter Taleb A.. Am 30. Dezember hatte sich der Innenausschuss des Bundestages erstmals mit den politischen Konsequenzen des Anschlags von Magdeburg befasst.

Die Stadt Magdeburg hat Mitte Januar einen Sonderausschuss dazu eingesetzt. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat einen Untersuchungsausschuss gebildet, in dem mehr als 100 Zeugen befragt werden sollen. Zuvor hatte die Aufarbeitung bereits im Innenausschuss des Bundestages eine Rolle gespielt. Und auf Bundesebene soll ein Parlamentarisches Kontrollgremium den Anschlag auch über die nahende Bundestagswahl hinaus aufarbeiten.

Die wesentlichen Fragen zum Anschlag von Magdeburg

Im Kern lassen sich dabei zwei Themenfelder erkennen, die auf den verschiedenen Ebenen untersucht werden sollen. Zum einen geht es um die Frage, welche Sicherheitsmaßnahmen und -absprachen nicht funktioniert haben und es dem Täter so ermöglicht haben, mit einem Auto auf den Weihnachtsmarkt zu gelangen.

Das zweite große Thema der Aufarbeitung ist der Täter selbst. Der war den Behörden in ganz Deutschland wegen einer Vielzahl von Vorfällen bekannt. Es gab mehrere Gefährderansprachen gegen ihn und internationale Warnungen vor ihm. Warum er seine schreckliche Tat dennoch ausüben konnte, wird ein ganz wesentlicher Punkt der Aufarbeitung sein.

Im Folgenden finden sie aktuelle Diskussionen zu den beiden Aspekten sowie ältere Meldungen im zeitlichen Verlauf:

Wer die Schuld an der Lücke im Sicherheitssystem trägt

Die Polizei Magdeburg war über die besondere Gefährdungslage auf dem Weihnachtsmarkt nicht nur informiert, sondern auch angehalten, den Markt entsprechend abzusichern. Das zeigt ein Erlass des Innenministeriums vom 25. Oktober 2024, in dem explizit die Rede davon ist, dass verhindert werden soll, dass Fahrzeuge auf Weihnachtsmärkte gelangen. Zuerst berichtete die "Volksstimme".

Der Erlass liegt MDR SACHSEN-ANHALT vor. Das Innenministerium bestätigte die Echtheit des Schreibens. Dieses richtete sich demnach an die Polizeibehörden im Land, die Fachhochschule der Polizei und das Landesverwaltungsamt.

Polizei sollte verhindern, dass Fahrzeuge auf Weihnachtsmarkt gelangen

In dem Erlass werden die Polizeiinspektionen Magdeburg, Halle, Dessau-Roßlau und Stendal gebeten, die Veranstalter und kommunalen Sicherheitsbehörden "zu sensibilisieren, ob und wie unter Beachtung der örtlichen Bedingungen durch mobile bzw. feste technische Sperren die Sicherheit der Veranstaltungen verbessert werden kann." Das Ziel: "[...] das Befahren der Veranstaltungsflächen an den Hauptzufahrten zu verhindern bzw. zu erschweren."

[...] ob und wie unter Beachtung der örtlichen Bedingungen durch mobile bzw. feste technische Sperren die Sicherheit der Veranstaltungen verbessert werden kann.

Innenministerium Sachsen-Anhalt | Erlass am 25.10.2024

Die Polizei sollte dort zudem nach eigener Lagebeurteilung mobile Sperren mit ihren Fahrzeugen errichten. Auch Geschwindigkeitsbegrenzungen rund um die Weihnachtsmärkte sollte die Polizei bei den Sicherheitsbehörden der Kommunen anregen. Schon 2023 gab es einen Erlass des Innenministeriums mit diesen Aufforderungen. Auch dieses Schreiben liegt MDR SACHSEN-ANHALT vor. Laut Ministerium gab es in den Vorjahren vergleichbare Erlasse.

Oberbürgermeisterin Borris verweist auf Einschätzung der Polizei

Inwiefern die Polizei und weitere zuständige Behörden den Erlass tatsächlich umgesetzt haben, ist angesichts der bisherigen Erkenntnisse fraglich. Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris hat Anfang Februar betont, weder der Veranstalter noch die kommunalen Sicherheitsbehörden hätten Zugang zu Informationsquellen gehabt, aus denen eine konkrete Gefahr hervorgegangen wäre. Dafür sei man auf die Einschätzungen der Polizei angewiesen.

Borris wies Kritik am Umgang mit dem Sicherheitskonzept zum Weihnachtsmarkt zurück und stellte die Einbeziehung anderer Stellen heraus. Nach Vorlage durch den Veranstalter beim Ordnungsamt sei das Konzept auch an Polizei und Feuerwehr weitergegeben worden, sagte Borris im Innenausschuss des Landtags.

"Keine Hinweise auf erhöhte Anschlagswahrscheinlichkeit"

Im Rahmen der Stellungnahme zum Sicherheitskonzept habe man aber keine Hinweise bekommen auf eine erhöhte Anschlagswahrscheinlichkeit mit Kraftfahrzeugen, sagte die Oberbürgermeisterin. "Auch eine Anpassung oder Verschärfung des Sicherheitskonzepts im Hinblick auf Zufahrtsbeschränkung erfolgte nicht." Deshalb seien sowohl der Veranstalter als auch das Ordnungsamt davon ausgegangen, dass die Maßnahmen "angemessen und geeignet sind".

Borris sagte weiter, seit dem Jahr 2017 sei klar, dass eine breite Zufahrt offen bleiben müsse. "Das Konzept ist auch einmal ins Landesverwaltungsamt geschickt worden." Von Fachaufsicht seien keinerlei Bedenken geäußert worden, so Borris.

Experte zu Zufahrtsschutz: "Ganze Flanken offen gelassen"

Der Zufahrtsschutzexperte Christian Schneider hatte von Fehlern bei der Vorbereitung des Weihnachtsmarktes gesprochen. Im Sicherheitskonzept werde zwar mehrfach auf die Gefahr von Überfahrtaten hingewiesen, so Schneider. Es werde aber nicht beschrieben, wie dieser Bedrohung begegnet werde. "Der Ersteller hat sich nicht an die Regeln gehalten und dabei ganze Flanken offen gelassen", so Schneider.

Die Betreibergesellschaft hat sich auf Anfrage bisher nicht dazu geäußert. Der Täter war an einem breiten Gehweg zwischen einer Fußgängerampel und einer Betonblocksperre hindurchgefahren.

Sonderausschuss der Stadt soll Vertrauen zurückgewinnen

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg soll von einem Sonderausschuss des Stadtrates aufgearbeitet werden. Oberbürgermeisterin Simone Borris hat dafür Ende Januar beim Stadtrat einen Eilantrag eingereicht. Das Parlament stimmte zu. Demnach soll der Ausschuss die Ereignisse rund um den Anschlag genau analysieren und Akteneinsicht bei der Stadt sowie bei externen Quellen bekommen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse ist geplant, dass die Mitglieder Handlungsempfehlungen für zukünftige Sicherheitskonzepte bei Großveranstaltungen erarbeiten.

Eine Zusammenarbeit mit der Weihnachtsmarkt GmbH der Stadt, die den Weihnachtsmarkt organisiert, ist dem Antrag zufolge Pflicht. Bis spätestens September sollen erste Ergebnisse vorliegen und dem Stadtrat präsentiert werden. Oberbürgermeisterin Borris betonte in ihrem Antrag die Notwendigkeit einer transparenten Aufarbeitung, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sicherheitsvorkehrungen der Stadt wiederherzustellen und zu stärken.

Zieschang sieht Verantwortung weiter beim Veranstalter

Die Verantwortung dafür, dass der Attentäter mit einem SUV auf den Weihnachtsmarkt gelangen konnte, wies die Innenministerin im bereits im Januar erneut zurück. Die Polizei sei hierfür nicht zuständig gewesen. So hätten die Polizeifahrzeuge rund um den Magdeburger Weihnachtsmarkt nicht die Aufgabe gehabt, Zufahrten dauerhaft zu sperren, so Zieschang. Das Polizeikonzept habe ständig sichtbare Präsenzstreifen auf dem Marktgelände vorgesehen – und nur gegebenenfalls mobile Sperren an den Zufahrten. Die Ministerin räumte jedoch ein, dass ein Polizeifahrzeug zum Tatzeitpunkt nicht – wie im Polizeikonzept vorgesehen – auf dem Gehweg an der Ernst-Reuter-Allee stand.

Für den Schutz des Weihnachtsmarktes sei in erster Linie allein der Veranstalter verantwortlich, die Gesellschaft zur Durchführung der Magdeburger Weihnachtsmärkte mbH. In dessen eigenem Sicherheitskonzept könne nicht auf Einsatzkräfte der Polizei zurückgegriffen werden, so Zieschang. Die Innenministerin betonte, dass auch die Platzierung von Betonblöcken und Stahlketten dem Veranstalter obliege. Nach bisherigem Kenntnisstand sei jedoch keine der Zufahrten mit Stahlketten gesperrt gewesen. Ebenfalls ungeklärt sei, warum es an der Ecke Ernst-Reuter-Allee/Breiter Weg zwei etwa sechs Meter große Lücken in der Absperrung gegeben habe. Das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes sah laut Zieschang eine Zufahrtsbreite von vier Metern vor.

Der Veranstalter stellt den Sachverhalt anders dar. Aus seiner Sicht waren Polizeifahrzeuge im Sicherheitskonzept als mobile Sperren vorgesehen, hätten aber teils nicht an den vorgesehenen Stellen gestanden.

Stadtrat verspricht Aufarbeitung

Nicht nur der Landtag, auch der Stadtrat von Magdeburg fordert Antworten, wie es zu der Tat kommen konnte. Große Teile des Stadtparlaments versprechen Aufarbeitung. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Stadtratsfraktionen hervor, die kurz nach dem Beginn des neuen Jahres veröffentlicht worden war. Unterzeichnet wurde sie von vier der insgesamt sieben Fraktionen im Magdeburger Parlament.

Darin heißt es, der Stadtrat werde alles daran setzen, die Aufarbeitung des Verbrechens zu begleiten. Man wolle nicht nur die Ereignisse selbst untersuchen, sondern auch mögliche Versäumnisse analysieren. "Dazu gehört die Überarbeitung bestehender Sicherheitskonzepte, um künftig besser vorbereitet zu sein", heißt es.

Bericht: E-Mail von Veranstalter an Polizei aufgetaucht

Bereits zum Ende des Jahres 2024 hatte es Vorwürfe gegen die Polizei gegeben: Die Volksstimme berichtete am 30. Dezember, das Problem fehlender mobiler Polizeisperren an den Hauptzugängen des Weihnachtsmarktes sei bereits drei Wochen vor dem Anschlag bekannt gewesen.

Der Zeitung zufolge hatte der Veranstalter des Weihnachtsmarktes das Polizeirevier Magdeburg bereits am 29. November in einer E-Mail über die Sicherheitslücke informiert. Demnach standen Polizei-Mannschaftswagen, die im Sicherheitskonzept der Weihnachtsmärkte GmbH als mobile Sperren vorgesehen waren, schon Ende November nicht an der vorgesehenen Position. Eine Antwort der Polizei auf die E-Mail habe der Veranstalter nie erhalten.

Welche Erkenntnisse es zum Attentäter gibt

Ganze 110 Mal hatten sich Deutschlands Sicherheitsbehörden vor dem Terrorakt von Magdeburg mit dem späteren Täter befasst. Dass Taleb A. den einschlägigen Behörden des Bundes und mehrerer Länder kein Unbekannter war, ist schon spätestens seit der vorherigen Sitzung des Innenausschusses des Bundestags bekannt. 

Doch knapp vier Wochen nach der Todesfahrt von Magdeburg wird nun immer klarer, wie kontinuierlich die zuständigen Stellen über Jahre mit dem späteren Attentäter befasst waren. Auf 16 klein bedruckten Seiten listet eine Chronologie insgesamt 110 Vorfälle auf. 

Behörden öfter mit Taleb A. befasst als bisher bekannt

Der neue Bericht stammt vom Bundesinnenministerium und beruht auf Daten, die Bundesbehörden und -länder dem Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt hatten. Die akribische Feinarbeit ist ausdrücklich eingestuft als "Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch". Der "Spiegel" berichtete zuerst in seiner Online-Ausgabe darüber.

Der Bericht zeigt, dass die Zahl der mitgeteilten Behörden-Vorgänge rund um Taleb A. vor dessen Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt deutlich höher liegt als bislang bekannt. Von 80 Vorfällen war nach der Sitzung des Innenausschusses des Bundestags Ende Dezember die Rede. Jetzt sind es 30 mehr.

Saudi-Arabien warnte schon 2023

Das in Tabellenform erstellte Ministeriumspapier zeigt etwa, dass Saudi-Arabiens Behörden am 27. November 2023 das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) anschrieben. Die Saudis meldeten ein Posting von Taleb A. auf seinem X-Account. "Something big will happen in Germany", schrieb der spätere Attentäter – etwas Großes werde in Deutschland passieren. Die deutschen Behörden bewerteten Taleb A.s Nachricht als "unspezifischen Gefährdungssachverhalt mangels konkreter Hinweise" und baten um konkrete Anhaltspunkte, so solche vorliegen sollten.

Der Bericht des Bundesinnenministeriums zeigt auch, wie es mit dem "unspezifischen Gefährdungssachverhalt" um Taleb A. weiterging. Zwei Monate vor dem grausamen Anschlag des Psychiaters erhielten Deutschlands Verfassungsschützer wieder Post von den Saudis – so steht es in der Chronologie. Diesmal beließen sie es bei einem Erinnerungsschreiben, ausdrücklich erinnerten sie an ihre Mitteilung vom 27. November 2023. Der Bericht merkt an: "Keine neuen Inhalte, lediglich Verweis auf Bezugsschreiben und Bitte um Zusendung von Informationen zu ergriffenen Maßnahmen". 

"Das Schreiben wurde im BND bearbeitet"

Im nächsten Kästchen der chronologischen Tabelle steht, was dann geschah. Es ist der vorletzte Eintrag. Seine Farbe: gelb. Gelb steht für Sachbearbeitung durch den BND. Dorthin hatte das BfV die saudischen Infos übermittelt. Das Erinnerungsschreiben geht also beim BND ein. "Das Schreiben wurde im BND bearbeitet." Mehr Aufschluss gibt der Eintrag nicht.

Sechs Länder und der Bund waren mit Taleb A. befasst

Insgesamt zeigt der Bericht mit den vom BKA gesammelten Informationen, dass in mindestens sechs Bundesländern und im Bund Behörden mit Taleb A. beschäftigt waren. Das waren neben Sachsen-Anhalt auch Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hamburg und Bayern. Hinweise auf mögliche Straftaten kamen auch aus Großbritannien und Kuwait. Mehr als ein Dutzend Ermittlungsverfahren liefen in den Jahren vor dem Anschlag gegen ihn in Deutschland, die meistens eingestellt wurden. 

Parlamentarisches Kontrollgremium im Bundestag um Aufklärung bemüht

Das Parlamentarische Kontrollgremium erklärte am Freitag (17. Januar), dass der Terrorakt auf allen politischen Ebenen mit Hochdruck weiterverfolgt werden müsse. "Die Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 dürfen nicht dazu führen, dass die dringend notwendige Sachaufklärung nicht zeitnah erfolgt. Sie ist nötig, um auch bei diesem Anschlag offen zu Tage tretende sicherheitspolitische Defizite schnellstmöglich abstellen zu können", hieß es in einer Pressemitteilung.

Trotz der anstehenden Bundestagswahl bleibt das Parlamentarische Kontrollgremium darüber hinaus bestehen. Die Bundesregierung wurde gebeten, kurzfristig weitergehende Fragen des Gremiums zu beantworten und in den folgenden Sitzungen über Erkenntnisse zu unterrichten und Unterlagen vorzulegen. Am Donnerstag hat sich das Parlamentarische Kontrollgremium erneut von der Bundesregierung umfassend zum Sachverhalt und über die Erkenntnisse und Maßnahmen zur Person Taleb A. unterrichten lassen. Dies sei hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes wie dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erfolgt. Nach Angaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums gibt es im Bund großen Aufklärungsbedarf.

Untersuchungsausschuss zu Anschlag in Magdeburg soll Versäumnisse aufarbeiten

In Sachsen-Anhalt wird sich unterdessen ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den zahlreichen vor Ort zu beantwortenden Fragen beschäftigen. Damit sollen die Untersuchungen des Landtags Sachsen-Anhalt zum Weihnachtsmarkt-Attentat in Magdeburg ausgeweitet werden. Das Gremium mit 13 Abgeordneten kann Zeugen anhören. Die CDU-Abgeordnete Karin Tschernich-Weiske wird den Ausschuss leiten. Start ist Im Februar.

Ziel des geplanten Untersuchungsausschusses ist es, den Tathergang und mögliche Versäumnisse von Behörden und Institutionen umfassend aufzuarbeiten. Dabei geht es um das Sicherheitskonzept des Magdeburger Weihnachtsmarkts, Erkenntnisse der Behörden zum Attentäter und den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Stellen.

Innenausschuss: Neue Details zu Attentäter von Magdeburg

Zuvor waren bereits im Innenausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt weitere Details zum Attentäter bekannt geworden. Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) hatte am 9. Januar im Ausschuss mitgeteilt, das Polizeirevier Dessau-Roßlau habe im Dezember 2023 ein Ermittlungsverfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten eingeleitet. Auf Twitter hatte der Täter Taleb A. unter anderem auf Englisch gedroht: "Etwas Großes wird in Deutschland passieren."

Polizei stellte Ermittlung nach fünf versuchten Gefährderansprachen ein

Zuvor hätten sich die saudi-arabischen Behörden an den Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes (BKA) gewendet. Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt habe dem BKA daraufhin mitgeteilt, dass keine Hinweise auf eine radikale oder extremistische Gesinnung vorlägen, sagte Zieschang. Einen Tag später war nach Angaben des Innenministeriums das Ermittlungsverfahren gegen Taleb A. eingeleitet worden. Ein Durchsuchungsbeschluss sei jedoch durch den Bereitschaftsrichter abgelehnt worden. In der Folge habe es fünf Versuche einer Gefährderansprache gegeben. Schließlich sei das Strafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt worden, da der Sachverhalt keinen Straftatbestand erfülle.

Kritik im Innenausschuss

Kritik an den früheren Ermittlungen äußerte im Innenausschuss des Landtages der Linken-Abgeordnete Andreas Henke. "Hier erschreckt mich doch die Aussage unserer Ermittlungsbehörden, es gebe keine Hinweise auf Radikalisierung", sagte Henke im Ausschuss. "Was muss denn passieren, damit ein Anfangsverdacht einer Radikalisierung vorliegt?"

Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel kritisierte, dass potenzielle Attentäter durchs Raster der Behörden fielen, wenn ihre Gesinnung nicht eindeutig eingeordnet werden könne. Wäre Taleb A. ein Islamist gewesen, wären die Sicherheitsbehörden viel sensibilisierter gewesen, so Striegel. Ähnlich äußerte sich auch die parteilose Abgeordnete Henriette Quade.

Täter nutzte Sechs-Meter-Lücke an Fußgängerampel

Taleb A., der Täter von Magdeburg, hatte vor seiner Todesfahrt eine sechs Meter breite Lücke genutzt und war an der Fußgängerampel an der Kreuzung Ernst-Reuter-Allee/Breiter Weg rechts über einen Gehweg auf den Weihnachtsmarkt gefahren.

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Alle aktuellen Entwicklungen zum Fall haben wir hier für Sie gebündelt:

Mehr zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg

dpa, epd, MDR (Fabienne von der Eltz, Marius Rudolph, Luca Deutschländer, Engin Haupt, Daniel Salpius, Maximilian Fürstenberg, Anne Gehn-Zeller, Lars Frohmüller, Maren Wilczek) | Zuerst veröffentlicht am 27. Dezember 2024

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. Februar 2025 | 16:00 Uhr

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