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FachkräftemangelAzubi aus Indonesien: Was Joanna an ihrem Job liebt und welche Probleme sie hat

19. Juni 2024, 19:50 Uhr

Weil Unternehmen der Nachwuchs fehlt, gehen sie gezielt im Ausland auf Azubi-Suche. Für viele Bewerber ist die berufsspezifische Sprache die größte Hürde. Der Bund hilft beim Erlernen der Sprache – mit einem Förderprogramm namens "AzubiPilot". Hier bekommen die Arbeitskräfte aus dem Ausland Hilfe in speziellen Kursen. Für verschiedene Branchen finden sie in Magdeburg, Halle oder online statt.

Mit einem freundlichen Lächeln begrüßt Joanna Margaretha die Gäste an der Rezeption. Die Frau ist 23 Jahre alt und kommt aus Indonesien. Im Magdeburger Herrenkrug Parkhotel erlernt sie den Beruf einer Hotelfachfrau. "Es war immer mein Traum, ins Ausland zu gehen", sagt die selbstbewusste junge Frau, die auf der Insel Sumatra aufgewachsen ist. Dort betreiben ihre Eltern ein Reisebüro. Über eine Recruiting-Agentur kam Joanna nach Sachsen-Anhalt.

Voraussetzung für den Ausbildungsvertrag: ein Schulabschluss und ein Deutsch-Zertifikat, das sie am Goethe-Institut erworben hat. Ein halbes Jahr hat sie dafür Deutsch gebüffelt, ganz intensiv. Joanna weiß, was sie will und spricht die Sprache inzwischen sehr gut – neben Indonesisch, Englisch und Spanisch.

Gleich in der ersten Woche musste Joanna an der Rezeption arbeiten. Sprachlich hat sie hier große Fortschritte gemacht. Bildrechte: Annette Schneider-Solis

Bei Joanna hat es einfach gepasst.

Simone Sander, Direktorin des Dorint Herrenkrug Parkhotels in Magdeburg

Win-Win-Situation für Unternehmen und Azubis

Joanna wurde gezielt angeworben, erzählt Simone Sander, Direktorin des Dorint Herrenkrug Parkhotels in Magdeburg. Wie so vielen anderen Unternehmen fehlt es dem Herrenkrughotel an Nachwuchs. Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen, in Schichten und die anstrengende Arbeit sind im Hotel- und Gaststättengewerbe normal. Viele Schulabgänger wollen das nicht, erzählt Sander. "Wir haben uns vor zwei Jahren fürs Ausland geöffnet und haben mit unseren Azubis sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt die Chefin im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.

So setzen inzwischen etliche Unternehmen auf Auszubildende aus dem Ausland. Insbesondere im asiatischen Raum werden gezielt junge Leute angeworben – sie seien fleißig, diszipliniert und ehrgeizig, knien sich wie Joanna mit ganzer Kraft in die Ausbildung, berichtet Sander. Eine Agentur geht auf die Suche, sammelt die notwendigen Papiere und Zeugnisse, dann gibt es ein Gespräch zwischen künftigem Ausbildungsbetrieb per Videoschalte mit den Kandidaten. "Ich mache mir immer selbst einen Eindruck", erzählt Sanders. "Bei Joanna hat es einfach gepasst."

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Große Hürde: die Sprache

Joanna fühlt sich an ihrer Ausbildungsstätte seit dem ersten Tag wohl, hat immer eine erfahrene Fachkraft in der Nähe, die sie unterstützt. Viel hat sie inzwischen gelernt, erzählt sie. Am liebsten arbeitet die junge Frau an der Rezeption oder im Management. Auch schwere Tabletts balanciert sie inzwischen sicher durchs Restaurant. "Ich muss immer doppelt so oft gehen wie die Männer", verrät sie. "Sie können immer die großen Tabletts nehmen, mir sind die zu schwer."

In speziellen Klassen lernen die ausländischen Azubis deutsch. Bildrechte: Annette Schneider-Solis

Ihre erste Station im neuen Beruf war die Rezeption, was ihr geholfen hat, ihr Sprachniveau deutlich zu steigern. "Viele Azubis scheitern an mangelnden Sprachkenntnissen und fallen deshalb durch die Prüfung", sagte Sabine Will. Sie kennt dieses größte Problem. Sie leitet die KAUSA-Landesstelle, die seit 2016 jungen Menschen mit Migrationsgeschichte und Unternehmen mit zugewanderten Fachkräften hilft.

Es geht nicht ohne ausländische Fachkräfte

Das Bundesamt für Migration unterstützt mit seinen berufsbegleitenden Sprachkursen die Sicherung von Fachkräften im Land. In Sachsen-Anhalt laufen derzeit sieben Kurse, zwei in Magdeburg im Hotel- und Gaststättengewerbe, ein Online-Kurs in der Pflege mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Halle, Dessau und Magdeburg, zwei Kurse für Lebensmitteltechniker in Burg.

Deutsch fürs Hotel- und Gaststättengewerbe - vierzehntäglich pauken Joanna und ihre vietnamesischen Mitschülerinnen für den Beruf. Bildrechte: Annette Schneider-Solis

Zusätzlich werden derzeit zwei Kurse in Halle für Azubis aus dem Hotel- und Gastrobereich angeboten, die einen ähnlichen Ansatz haben: Azubis verwandter Berufsgruppen in einem Kurs gemeinsam in der berufsspezifischen Sprache fitmachen. Jeweils acht bis 15 Azubis verbringen alle zwei Wochen einen Tag gemeinsam im Klassenraum. Die Ausbildungsbetriebe stellen sie dafür frei.

Deutschlehrerin bietet speziellen Unterricht an

Dafür wurden spezielle Lehrpläne ausgetüftelt. Deutschlehrerin Annika Fröhlich hat dafür in der Berufsschule hospitiert, sich Prüfungsaufgaben angeguckt und weiß, worauf es ankommt und was die Azubis wissen müssen.

Schwierig ist das unterschiedliche Sprachniveau.

Annika Fröhlich, Deutschlehrerin

Sie erklärt geduldig ihren vietnamesischen und indonesischen Schülerinnen den Unterschied zwischen Ausbildendem und Auszubildendem, übt die Ableitung von Worten und das Erarbeiten einer Speisekarte. Auch für sie, die aus der Erwachsenenbildung stammt, keine einfache Sache: "Schwierig ist das unterschiedliche Sprachniveau", gesteht sie. "Einige sprechen so gut, dass man denkt, sie brauchen doch gar keine Nachhilfe. Andere müssen sich erst die Sprache erarbeiten."

Joanna will bleiben, aber auch andere Länder kennenlernen

Joanna hat noch Zeit bis zur Prüfung. Die deutsche Sprache bereitet ihr auch nach zwei Jahren in Magdeburg noch Probleme, obwohl sie gut versteht und flüssig spricht. "Die Wortbildung", gesteht sie. "Wenn ich das Wort Bildung nehme, dann gibt es Ausbilder und Auszubildender, das ist ganz schwer zu verstehen." Lehrerin Fröhlich kann das gut nachvollziehen. Insbesondere die schriftlichen Prüfungsaufgaben sind eine Herausforderung für die angehenden Prüflinge.

Mein Hotel gefällt mir gut.

Joanna, Azubi aus Indonesien

"Da hat schon mancher Muttersprachler ein Problem mit", weiß sie. Joanna lernt mit jeder Lektion dazu, saugt alles Wissen begierig auf. Nach ihrer Ausbildung will sie gern bleiben, vielleicht auch noch andere Länder kennenlernen. In Mexiko hatte sie bereits eine weitere Station. "Mein Hotel gefällt mir gut", strahlt sie.

"Wir haben immer Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt, können immer jemanden fragen. Vielleicht bleibe ich hier, vielleicht gehe ich auch in eine andere Stadt, vielleicht in die Schweiz." Simone Sander wird sie dabei unterstützen. "Wir investieren in die Ausbildung für unser Unternehmen. Wenn wir Joanna in ein anderes Haus der Dorint-Familie vermitteln können, dann haben wir auch etwas davon." Wie viele der Azubis bleiben, kann sie noch nicht sagen. Joanna gehört zum ersten Jahrgang und wird im nächsten Jahr ihre Prüfung machen.

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MDR (Annette Schneider-Solís)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 17. Juni 2024 | 13:40 Uhr

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