Mann um die 50 Jahre mit dunklen kurzen Haaren in schwarzer Jacke sitzt auf einer Bank.
Trotz zweifacher Impfung und Booster ist Frank Schiller an Long Covid erkrankt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Reportage Wie sich ein Long Covid-Betroffener zurück ins Leben kämpft

26. Januar 2023, 12:37 Uhr

Frank Schiller ist an Long Covid erkrankt und seitdem arbeitsunfähig. Mit einem begleiteten Trainingsprogramm des VSB Magdeburg möchte er seine alte Leistungsfähigkeit zurückerlangen. Für 2023 wünscht sich der Magdeburger, endlich wieder ein normales Leben führen zu können.

Immer mindestens 110 Prozent geben: Es ist noch kein Jahr her, dass sich Frank Schiller so beschrieben hat. Jetzt hat der 57-Jährige Angst davor, einen Antrag auf Frühverrentung stellen zu müssen. Die Corona-Infektion erwischte ihn, obwohl er zweifach geimpft und sogar geboostert war. Damals, Anfang 2022, wurde in Deutschland schon über Lockerungen und die Rückkehr in den normalen Alltag debattiert.

Ob es die Delta-Variante oder doch schon die Omikron-Variante war, interessiert Frank Schiller heute nicht mehr. Er hat mit den täglichen Folgen zu kämpfen. Im Sommer erlitt er zwei kleinere Schlaganfälle, die er auch nach einer Operation an der Halsschlagader gut überstanden hat.

Stichwort: Long Covid & Post Covid Long Covid und Post Covid beschreiben die Langzeitfolgen, die nach einer Sars-CoV-2-Infektion bei Erwachsenen, manchmal auch bei Kindern und Jugendlichen, auftreten können.

Long Covid steht für Symptome, die mehr als vier Wochen nach der Infektion noch nicht abgeklungen sind.

Das Post-Covid-Syndrom (PCS) beschreibt Beschwerden, die mehr als 3 Monate nach der Infektion immer noch bestehen oder neu auftreten, mindestens zwei Monate anhalten und anderweitig nicht erklärbar sind.

Studien haben bereits über 200 verschiedene Symptome mit Long Covid und Post Covid in Verbindung gebracht. Dazu gehören zum Beispiel chronische Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen oder Depression. Auch Schäden an Organen wie Herz, Lunge, Nieren und Gehirn sind möglich.

Long Covid-Symptome: Nicht mehr arbeitsfähig wegen Erschöpfung

An die inzwischen chronisch gewordene Müdigkeit kann und will sich Frank Schiller nicht gewöhnen. "Es gibt gute und es gibt weniger gute Tage", sagt der Vater von zwei Söhnen. "An guten Tagen gehe ich mit meiner Frau spontan mal eine kurze Runde spazieren. An schlechteren Tagen muss sie alleine gehen." Das sei leider sehr häufig so, erzählt Schiller.

Ich hätte nie gedacht, dass sich Corona so auswirken kann.

Frank Schiller, Long Covid-Betroffener

Der Angestellte einer Magdeburger Immobilienfirma ist seit seiner Corona-Infektion nicht mehr arbeitsfähig. Ein paar Treppenabsätze, ein kurzer Spaziergang oder zwei, drei längere Telefonate erschöpfen ihn schon.

"Ich hätte nie gedacht, dass sich Corona so auswirken kann." Nach den Impfungen und spätestens nach der Booster-Impfung habe er geglaubt, dass Corona nicht schlimmer sei als ein normaler Schnupfen, der nach ein paar Tagen wieder weggeht.

Training als Behandlung für Long-Covid-Patienten

Inzwischen ist Frank Schiller froh, wenn er in der Schwimmhalle sechs oder auch mal acht Bahnen schafft. Immer mit Pausen, immer schon am Limit. Der Mann mit der Figur eines Wasserballspielers hat ein betreutes Trainingsprogramm für Long Covid-Patienten angefangen.

Wir haben hier auch junge Patienten, die erst 30 sind, und die mitten aus ihrem Lebensalltag gerissen wurden.

Jörg Möbius, Geschäftsführer des VSB 1980 Magdeburg

Zweimal pro Woche trainiert er dafür im Verein für Sportherapie und Behindertensport Magdeburg (VSB), einem von 20 Reha-Sportvereinen in Sachsen-Anhalt, die sich dem Programm des Landesverbandes angeschlossen haben. Sachsen-Anhalt hat hier eine Vorreiter-Rolle, denn dieses auch von den Reha-Kliniken in Flechtingen und Barby begleitete Programm gibt es so noch nirgendwo in Deutschland.

Das Post-Covid-Projekt zum Aufbau von Rehasport-Gruppen für Betroffene wurde vom Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Sachsen-Anhalt (BSSA) im Juni 2022 ins Leben gerufen. Es läuft noch bis Ende des Jahres.

Die Betroffenen sollen in den Vereinen gemeinsam mit anderen Long Covid-Erkrankten gezielt trainieren, aber auch zusammen mit anderen Reha-Gruppen, erklärt Jörg Möbius, Geschäftsführer des VSB Magdeburg. Er ist seit mehr als 20 Jahren Trainer im Reha-Bereich. "Wir haben hier auch junge Patienten, die erst 30 sind, die mitten aus ihrem Lebensalltag gerissen wurden und nicht mal bei 50 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit sind", erzählt er.

Long Covid beeinflusst Gewebe und Gefäße

Diesen Menschen könne keine konkrete Prognose gegeben werden, wann und ob sie wieder auch nur ansatzweise den Bereich ihrer alten Lesitungsfähigkeit erreichen könnten. Zu komplex, zu neu und zu unerforscht sei das Krankheitsbild Long Covid, sagt Jörg Möbius.

"Einen Muskel können wir so trainieren, dass er wieder ökonomischer mit Sauerstoff versorgt wird und besser arbeitet." Bei Long Covid-Patienten seien aber die Gewebestrukturen und die Gefäße häufig mitbetroffen. Die Gründe dafür müssten noch erforscht werden. Unklar sei auch, warum die Betroffenen unterschiedlich stark an den Symptomen litten. Mögliche Therapieansätze könnten erst entwickelt werden, wenn es darauf Antworten gebe, so Möbus.

Leopoldina diskutiert Forschungsstand

Um Long Covid besser verstehen zu können, wurden und werden auf nationaler und internationaler Ebene verschiedene Studien durchgeführt. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halledas International Virtual Panel (LIVP) ins Leben gerufen. Diskutiert werden hier aktuelle Forschungsergebnisse zur Vorbeugung und Behandlung von Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion.

Leistungsfähigkeit nimmt wieder zu

Frank Schiller schwimmt einmal die Woche 15 bis 20 Minuten und kommt dann noch einmal zum Cardio-Training der Herz-Kreislaufgruppe ins neue VSB-Vereinsgebäude in der Diesdorfer Strasse in Magdeburg. Ansonsten bleibt ihm nur der monatliche Gang zu seinem Hausarzt und der quartalsweise Lungenfunktionstest bei einem Facharzt.

Mittlerweile hat sich Frank Schillers Lungenleistungsfunktion von 43 auf über 60 Prozent gesteigert. Ein Fortschritt, aber wirklich besser geht es ihm nicht. Sein Hausarzt muss die Krankschreibung immer wieder verlängern.

Sportgruppe in einem Studio mit mehrere alten Männern die im Kreis stehen.
Das gemeinsame Training macht Frank Schiller Hoffnung. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Das regelmäßige Training beim VSB Magdeburg hilft Frank Schiller, wieder mehr Vertrauen in die eigene körperliche Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Auch wenn eine Viertelstunde bei 70 Watt auf dem Fahrradergometer für Frank Schiller vor einem Jahr nicht viel gewesen wären. Damals machte er gerne lange Harz-Wanderungen mit seiner Frau und ging im Winter in Österreich Skifahren.

An solche Dinge ist im Moment nicht zu denken. Frank Schiller hat für das neue Jahr deshalb eigentlich nur einen Wunsch: "Endlich wieder arbeiten gehen und so gesund werden, dass ich wieder ein normaleres Leben führen kann."

Post Covid-Projekt des BSSA Kontakt für Betroffene:
BSSA-Geschäftsstelle in Halle (Saale)
(0345) 517 08 24
www.bssa.de

Am Projekt beteiligen sich landesweit 21 Vereine:

Halle (Saale):
GSV Halle e. V.
RPG Halle e. V.
tango mio halle e. V.
USV Halle e. V.

Magdeburg:
VSB 1980 Magdeburg e. V.
VGBS Magdeburg e. V.
HSV Medizin Magdeburg e. V.

Dessau-Roßlau:
AdipoHilfe e. V.
PSV 90 Dessau-Roßlau e. V.
rehaVital - Ihr Rehasportverein für medizinisches Gesundheitstraining e. V.

LK Wittenberg:
Physioaktiv e. V.
Sport plus Gesundheit e. V.
Gesundheitssportverein Wittenberg e. V.

LK Harz:
BRSV SINE-CURA e. V. (Quedlinburg, OT Gernrode)
Natur und Reha-Sportverein Harz e. V. (Nordharz, OT Stapelburg)
Präventions- & Rehasportverein "Balance" e. V. (Blankenburg)

LK Mansfeld-Südharz:
ASV Sangerhausen e. V.
SVGR Sangerhausen e. V.

Bördekreis:
Reha-Sportverein Hohe Börde Fit und Gesund e. V.

LK Jerichower Land
SV Chemie Genthin e. V.

Burgenlandkreis
SV Gesund und Fit Südliches Sachsen-Anhalt e. V.

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Wissen

 Das Forschungsteam (v.l.): M. Sc. Stefanie Linnhoff, Studienleiterin Magdalena Mischke und Prof. Dr. phil. Tino Zähle, Arbeitsgruppenleiter der Abteilung für Neuropsychologie an der Universitätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Das Forschungsteam (v.l.): M. Sc. Stefanie Linnhoff, Studienleiterin Magdalena Mischke und Prof. Dr. phil. Tino Zähle, Arbeitsgruppenleiter der Abteilung für Neuropsychologie an der Universitätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Bildrechte: Sarah Kossmann/UMMD

MDR (Michael Brandt, Annekathrin Queck) | erstmals veröffentlicht am 24.01.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 24. Januar 2023 | 19:00 Uhr

6 Kommentare

kleiner.klaus77 am 25.01.2023

Stimmt aus welchem konkreten Gründen sollte man sich jetzt noch gegen Corona impfen lassen? Weil die Impfung gegen einen schweren Verlauf bzw gegen einen tödlichen Verlauf schützen könnte und gegen Long-Covid gar nicht hilft?

DermbacherIn am 25.01.2023

Wenn sie keine anderen Probleme haben! Glück gehabt, zu den schweren Erkrankungen und Todesfällen trotz mehrfacher Impfungen fehlen ja glücklicherweise die Daten!

WegWeiser am 25.01.2023

Ihr Deutsch ist ja entsetzlich. Die Impfung schützt vor schweren Verlauf - ggf. vor dem Tod. Das die Impfung gegen Long Covid schützt, wurde nie behauptet.

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