Serie: Ein Jahr Corona in Sachsen-Anhalt Kulturmanager aus Magdeburg: "Eine geöffnete Kultur kann Gesundheitsämtern helfen"

07. März 2021, 13:40 Uhr

Am 10. März 2020 wurden in Sachsen-Anhalt die ersten Corona-Fälle offiziell bestätigt. Ein Jahr danach startet MDR SACHSEN-ANHALT eine Reihe, in der Menschen zu Wort kommen, die wir schon zu Beginn der Pandemie sprachen. Wir wollen wissen, wie sich der Alltag seitdem verändert hat und wie die Menschen jetzt in die Zukunft blicken. Teil 2 mit Christian Szibor aus Magdeburg.

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Christian Szibor geht kreativ mit der Corona-Pandemie um. Muss er auch. Er ist der Geschäftsführer der Festung Mark in Magdeburg. In dem Zentrum für Kulturveranstaltungen ist seit März vergangenen Jahres einiges anders. Manches gibt es derzeit nicht, anderes ist dafür neu. Dem Kulturmanager ist klar, dass die Krise nur mit kreativen Ansätzen gemeistert werden kann. "Kultur kann nicht behaupten, sie ist systemrelevant, aber dann ihren Auftrag nicht erfüllen", sagt der 49-Jährige. Die "Schockstarre" einiger Kolleginnen und Kollegen in der Szene hat er bei sich im vergangenen Jahr gar nicht erst aufkommen lassen.

MDR SACHSEN-ANHALT hat Szibor zweimal während der Pandemie besucht. Zu Beginn der Krise schickte er seine Mitarbeiter zum Spargelstechen. "Wir konnten nicht arbeiten, dort wurden aber Leute gesucht. So haben wir wenigstens etwas Sinnvolles gemacht." Gleichzeitig hat Szibor aber im Hintergrund schnell begonnen, an Möglichkeiten seiner Festung weiter zu arbeiten. Im Sommer gab es dadurch rund 70 Open-Air-Veranstaltungen beim sogenannten "Magdeburger Kulturpicknick". Aus ganz Deutschland habe Szibor daraufhin Anrufe erhalten. Kolleginnen und Kollegen haben ihn um Rat gefragt und danach ähnliche Events veranstaltet.

"Ein großer Kahn muss die ganze Zeit im Standgas weitertuckern"

Beide Beispiele zeigen: Szibor fährt zwei Wege in der Pandemie. Er denkt an das große Ganze, stellt sich Fragen zur Zukunft der Kulturszene in Magdeburg. In Deutschland. Und zum Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das ist die eine Seite, über die sich Szibor Gedanken macht. Die andere ist die Festung Mark selbst. "Ich muss auch an meine Mitarbeiter denken", erklärt er.

Und deswegen muss der Laden weiter laufen. "Das ist wie so ein großer Kahn. Eigentlich darfst du den gar nicht längere Zeit ausschalten, sonst geht der irgendwann nicht mehr an. Der muss die ganze Zeit im Standgas weitertuckern", beschreibt Szibor seinen Ansatz. Und so nutzt er den Lockdown dafür, hinter den Kulissen die Festung Mark für einen Restart – wie er es nennt – wieder flott zu machen. "Normalerweise machen wir jedes Jahr eine Klausur. Da fahren wir zwei Tage zusammen weg und überlegen, was wir anders machen wollen. Zum Beispiel die Website neu gestalten." Das Problem mit den Ideen, die bei den Klausuren gesponnen wurden, war: "Wir kommen wieder und wissen gar nicht, wann wir das alles umsetzen sollen, weil wir eine Veranstaltung nach der anderen haben."

Zeit für Neues

Szibor hatte deswegen schon länger den Gedanken, dass sein Team für die Umsetzung der Ideen mal einen Monat für sich bräuchte. "So. Und jetzt haben wir Monat um Monat. Die bekommen wir sogar noch etwas durch Hilfsgelder finanziert." Die Ideen werden jetzt also nach und nach abgearbeitet.

Szibor ist klar, dass es nach der Pandemie für die Festung Mark nicht genauso weitergehen wird wie davor. Er arbeitet deswegen schon jetzt an neuen Veranstaltungsideen. Zum Beispiel Hybridformate: "Selbst wenn da nur fünf Leute im Publikum sitzen, hat der Künstler trotzdem schon wieder eine emotionale Beziehung zu den Zuschauern. Dann kann ich das parallel auch noch streamen. Streamings aus geisterleeren Räumen möchte ich nicht."

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Durch Corona-Pandemie entstanden: Netzwerk der Magdeburger Kulturszene

Auch hier vermischt sich wieder Szibors Blick auf sein einzelnes Unternehmen sowie auf das größere Ganze, die gesamte Kulturszene. In Magdeburg hat sich ein Netzwerk von freischaffenden Künstlern gebildet. Alle zwei Wochen treffen sie sich seit Pandemiebeginn zu Video-Konferenzen und tauschen sich aus. Insgesamt 30 bis 40 Teilnehmende sind laut Szibor teilweise dabei. "Dieses Netzwerk wird auch von der Politik wahrgenommen", sagt er. 

Gespräche mit Stadtratspolitikern, dem Kulturdezernat und auch mit der Landesregierung habe es schon mit dem Netzwerk gegeben. Und dabei bringt die Kulturszene ganz konkrete Ideen zur Öffnung der Einrichtungen ein. Man habe Schnelltests beim Einlass zu Kulturveranstaltungen vorgeschlagen. "Dadurch könnten die Kultureinrichtungen zum Verbündeten der Gesundheitsämter werden." Denn: Die Zuschauerinnen und Zuschauer würden vor einer Veranstaltung unter Aufsicht getestet – und positive Fälle in jedem Fall gemeldet. "Dann kann keiner den positiven Schnelltest zu Hause in den Skat drücken", sagt der 49-Jährige. Und gleichzeitig öffne man so den Zugang zu Kultur wieder.

Wenn Kultureinrichtungen nur aufmachen, wenn es Spaß macht, dann sind sie fehl am Platz. Es geht nicht darum, was Spaß macht. Es geht darum, was notwendig ist.

Christian Szibor, Festung Mark

Für die Zukunft und dieses Jahr wünscht sich Szibor, dass die Kultur "pandemiefest" gemacht wird. Da ist aus seiner Sicht die Politik genauso gefragt wie die Kulturschaffenden selbst. "Wenn Kultureinrichtungen nur aufmachen, wenn es Spaß macht, dann sind sie fehl am Platz. Es geht nicht darum, was Spaß macht. Es geht darum, was notwendig ist." Und zur Bewältigung der Krise sei Kultur notwendig, sagt Szibor.

Vielleicht sei es ein Fehler gewesen, die Kultur so lange in eine Untätigkeit zu schicken, meint er rückblickend. "In einer Krise braucht es Signale der Hoffnung. Die kann Kunst und Kultur senden." Solch eine Situation dürfe nicht noch einmal entstehen. Deswegen müsse man jetzt daraus lernen, um bei der nächsten Pandemie vorbereitet zu sein. "Nach dem Elbe-Hochwasser haben wir Deiche gebaut. Kommt das jetzt nochmal, sind wir besser gerüstet. Und das müssen wir auch mit der Pandemie machen. Das ist eine echte Aufgabe. Und die müssen wir als Gesellschaft im Ganzen annehmen."

Fabian Frenzel
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Über den Autor Fabian Frenzel arbeitet seit November 2014 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Dabei liegt sein Schwerpunkt vor allem im Bereich Social-Media. Er würde gerne mehr über sein Hobby "Männerballett" berichten, hat aber noch nicht die richtige Rubrik dafür gefunden.

Sein Journalismus-Studium hat der gebürtige Brandenburger in Berlin und Eichstätt/Ingolstadt absolviert. Die ersten journalistischen Schritte machte er bei der Märkischen Allgemeinen Zeitung und RADIO ENERGY Berlin.

Sein Lieblingsort in Sachsen-Anhalt ist Calbe (Saale), wo ein Teil seiner Verwandtschaft lebt. Hätte er dort nicht für ein paar Monate Unterschlupf gefunden, wäre er heute vermutlich nicht beim MDR. Und: Er ist gern da, wo man geocachen kann. Also im Prinzip überall draußen.

MDR, Fabian Frenzel

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. März 2021 | 19:00 Uhr

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