Rechtsausschuss Nach Geiselnahme in JVA Burg: Halle-Attentäter wird möglicherweise verlegt

15. Dezember 2022, 07:48 Uhr

Der Halle-Attentäter wird möglicherweise verlegt. Laut Justizministerium ist das nach einem solchen Vorfall ein übliches Vorgehen. Ob der Mann bei seinem Ausbruchsversuch eine Schusswaffe eingesetzt hat, ist Mittwoch im Rechtsausschuss die zentrale Frage gewesen. Mehrere Ausschussmitglieder vermissen jedoch erhellende Fakten.

Nach der Geiselnahme in der JVA Burg durch den Halle-Attentäter steht derzeit die Unterbringung in einer anderen Einrichtung im Raum. MDR-Informationen zufolge wird eine Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt in Schleswig-Holstein, Bayern oder Nordrhein-Westfalen intern besprochen.

Derzeit befindet sich der Gefangene noch in der JVA Burg, erklärte Justizministerin Franziska Weidinger auf der Tagung des Rechtsausschusses. Er ist demnach "in dem Raum, in den er nach Zugriff verbracht worden ist".

Nicht schussfähige Waffe

In der Sondersitzung des Rechtsausschusses hat sich am Mittwoch zudem die Gefängnisleiterin, Ulrike Hagemann, zur Waffe geäußert, die der Halle-Attentäter benutzt hat. Diese habe ein "schussähnliches Geräusch" gemacht und sei geeignet gewesen, dem überwältigten JVA-Mann "Angst zu machen".

Mutmaßungen, der Gegenstand könnte von außen eingeschleust worden sein, setzte Hagemann entgegen, dass Gefangene Zugriff auf viele Alltagsgegenstände hätten und erhebliche "Fantasie", um diese zu manipulieren.

JVA-Leiterin: "Ich kann Ihnen nicht sagen, was es ist"

Gefängnisleiterin Hagemann bestätigte die selbstgebaute Waffe zunächst nicht direkt. "Ich habe das Ding gesehen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was es ist, woraus es bestand und welche Gefahr davon ausgeht", so die Beamtin noch am Nachmittag. Im späteren Verlauf des Ausschusses wurden dann doch Details genannt.

Demnach bestand die Pistolenattrappe aus einem zusammengerollten Blatt Papier, stabilisiert durch einen Bleistift. Außerdem war ein Scharnier verbaut. Zusammengehalten wurden die Teile offenbar mit Aufklebern von Lebensmittelverpackungen.

Neue Informationen zum Ablauf der Geiselnahme

Im Rechtsausschuss wurden auch weitere Details zum Ablauf der Geiselnahme bekannt. Beim sogenannten Nachtverschluss habe der Gefangene einen Bediensteten überrumpelt und diesem einen "Gegenstand" vor die Nase gehalten, so Hagemann. Der Gefangene habe gesagt, "wir gehen jetzt raus". Dieser Aufforderung sei der Bedienstete aus Angst um sein Leben nachgekommen. Durch einen ausgelösten Alarm seien weitere Bedienstete hinzugekommen.

Nach der Öffnung eines Tores durch einen anderen Bediensteten sei der Gefangene auf einen Hof gelangt. Der zweite Bedienstete sei daraufhin als Geisel genommen worden, sagte Hagemann. Weitere Kollegen hätten sich positioniert und den Gefangenen überwältigt, als dieser einen Moment unaufmerksam gewesen sei.

Abgeordnete von präsentierten Fakten enttäuscht

Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Eva von Angern, zeigte sich im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT enttäuscht von der Qualität der im Ausschuss präsentierten Informationen. "Ehrlich gesagt gab es keine neuen Fakten, die nun bekannt gegeben worden sind."  Die größte Frage sei, wie es zu diesem Vorfall habe kommen können, wenn der Gefangene doch engmaschig betreut worden und immer wieder Details ausgetauscht worden seien zu seinem Verhalten.

Es sei noch völlig unklar, wie ein solcher Gegenstand in die Anstalt gekommen ist oder in der Anstalt hat hergestellt werden können, sagte Sebastian Striegel (Grüne) nach dem ersten Teil des Ausschusses. Bis nach 22 Uhr wurde in geheimer Sitzung getagt. Der Rechtsausschuss trifft sich Anfang kommenden Jahres erneut, um sich über die Geiselnahme in der JVA-Burg informieren zu lassen.

Schon am Dienstag Kritik an Informationspolitik

Schon vor der Sondersitzung hatten die Abgeordneten des Rechtsausschusses Druck gemacht und mehr Informationen verlangt. "Ich erwarte, dass wir Aufklärung erhalten", sagte der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Christian Hecht (AfD), am Mittwoch. Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) müsse die Abgeordneten detaillierter informieren als am Dienstag, forderte er.

Zum mutmaßlichen Schuss-Apparat hatte sich die Justizministerin am Dienstag ausweichend geäußert, entsprechende Medienberichte weder bestätigt noch dementiert. Sie könne dazu noch keine detaillierten Angaben machen. Gesicherte Erkenntnisse lägen ihr noch nicht vor, hatte sie erklärt. Am Informationsmanagement der Ministerin hatte es im Nachgang Kritik gegeben.

Ausschuss hatte Antworten zum Tatmittel des Halle-Attentäters erwartet

Er erwarte in der Ausschusssitzung "endlich mal Informationen", sagte Sebastian Striegel (Grüne) am Mittwoch im Vorfeld der Sitzung. Karin Tschernich-Weiske (CDU) sagte, in der Sitzung müssten Fakten und ermittelte Tatsachen präsentiert werden. Guido Kosmehl (FDP) hatte am Dienstag bereits erklärt, dass die offenen Fragen zum Tatmittel beantwortet werden müssten. Ob die Abgeordneten eventuell im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung am Abend noch mehr erfahren haben zur Waffe, bleibt es abzuwarten.

Generalstaatsanwaltschaft Naumburg ermittelt

Ein Schild weist auf den Sitz der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg hin.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zur Geiselnahme des Halle-Attentäters übernommen. Bildrechte: MDR/Michael Rosebrock

Nach der Geiselnahme in der JVA Burg nimmt auch die rechtliche Aufarbeitung des Vorfalls Fahrt auf. Die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg zog am Mittwoch die Ermittlungen an sich. Das hänge auch mit der Bedeutung des Falles zusammen, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Stendal die Federführung in dem Fall.

Der Halle-Attentäter war im Dezember 2020 zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, auf das Gelände zu kommen, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen.

dpa, MDR (Thomas Vorreyer, Daniel Salpius, André Plaul)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. Dezember 2022 | 16:00 Uhr

8 Kommentare

steka am 14.12.2022

naja, wenn es so gefährliche Typen unter den Gefangenen gibt, muß eben der Sicheitssandart ähnlich wie im Zoo angepaßt werden. Da steht der Wärter ja auch nicht auf der Anlage um den Löwen die Tür nach draußen zu öffnen.

Mediator am 14.12.2022

Die Aussage: Politiker erwarten "endlich mal Informationen" klingt doch recht patzig.

Bevor man mehr Auskunft geben kann als der MDR in seinen Artikeln muss man zunächst einmal Dinge aufklären. Tathergang und Tatmittel sind ja inzwischen bekannt, aber die Tatvorbereitung zu ermitteln ist weniger leicht und braucht Zeit.

Es nutzt niemandem etwas vorschnell Vermutungen als Tatsachen heraus zu hauen, die man später revidieren muss.

"Ich bin Politiker und will dass jetzt sofort wissen", klingt doch eher nach Kleinkind oder Neugier.

Goldloeckchen am 14.12.2022

De Ei denken wohl das war eine Schusswaff?
Eine Waffe! Kann man sich auch aus einer Feder und einem Stück Holz bauen. Das haben wir doch als Kinder auch gemacht. 😂

👍🫣☝️😉

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