Leistungssport Sportschule Magdeburg: Keine Förderung mehr für Handballunterricht von Mädchen

07. März 2023, 10:44 Uhr

Sachsen-Anhalt ist Handball-Land. Der SC Magdeburg ist national und international eine Bank, und auch an den Wildcats aus Halle-Neustadt kommt man kaum vorbei. Doch für weibliche Talente im Land wird es in Zukunft schwierig. Den leistungsorientierten Frauen-Handball soll es künftig nur noch in Halle geben. Besonders bitter für junge Talente in Magdeburg.

Für Antonia Herrmann bleibt zwischen Schule und Training nicht viel Zeit für die Hausaufgaben. Das ist Alltag für die Zwölfjährige. Ihr Tag ist durchgeplant von vorn bis hinten. 5:30 Uhr am Morgen klingelt der Wecker, danach Schule und Handball-Training im Wechsel. Antonia Herrmann ist Nachwuchs-Handballspielerin und will mal Profi werden. Ihre Eltern unterstützen sie, wo es geht. Um ihren Traum erreichen zu können, besucht sie das Sportgymnasium in Magdeburg. Dort wird sie mit dem Fokus auf Handball im Sportunterricht trainiert.

Doch ab kommendem Schuljahr ist das vorbei, dann werden junge talentierte Handballerinnen am Standort in Magdeburg nicht mehr gefördert. Die Zwölfjährige Antonia kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Sie sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Die anderen Bundesländer schaffen es doch auch, dass sie die Mädchen fördern. Warum schafft das Sachsen-Anhalt bzw. Magdeburg nicht?"

Kein leistungssport-orientierter Handball mehr in Magdeburg

Antonia ist wie ihre Mitspielerinnen enttäuscht. Ihnen bleibt der sogenannte L-Status, der leistungssport-orientierte Status, in Zukunft verwehrt. Die Sportlerinnen, deren Eltern und der Verein, für den sie alle spielen, der HSV Magdeburg, sind enttäuscht von der Entscheidung des Handballverbands.

Bei einer Diskussionsrunde zu dem Thema neulich wurde es emotional. "Es gibt in unserem Grundgesetz einen Gleichstellungsartikel", sagte ein anwesende Mutter. "Ich frage mich, wo wird der umgesetzt? Im Handball anscheinend nicht." Den Mädchen jetzt einfach so den Handball zu nehmen, sei für Antje Herrmann, die Mutter von Antonia, keine Option. "Die Mädels haben Spaß, Antonia hat Spaß. Wo das mal enden wird, ist, glaube ich, egal", sagte Herrmann MDR SACHSEN-ANHALT.

Die meisten hier fürchten, dass es mit dem leistungsorientierten Damen-Handball in Magdeburg bald vorbei sein könnte. Die Unterstützung für die Handballtalente fällt weg, weil das Land zukünftig andere Sportarten mehr fördern möchte.  

Zuschuss von 50.000 Euro jährlich fällt weg

Der Landessportbund (LSB) teilte dazu mit, dass die Förderung der Sportarten auf einer sportfachlichen Bewertung beruhe. Bei einer turnusgemäßen Neubewertung der olympischen Sportarten habe Frauen-Handball nur Platz 25 belegt. Damit sei die Sportart keine sogenannte Fördersportart des Landes mehr. Insgesamt falle der Zuschuss von 50.000 Euro pro Jahr weg. Grundlage dafür sei eine "sportfachliche Bewertung nach geschlechtsspezifischen leistungssportlichen Kriterien" gewesen. Der LSB betonte, dass damit das Prinzip der Gleichstellung unberührt bliebe.

Handball-Mädchen müssen künftig nach Halle

Die Talentförderung für die Handball-Mädchen soll künftig in Halle und der dortigen Sportschule konzentriert werden. Der Handballverband Sachsen-Anhalt (HVSA) erklärte, immer weniger Mädchen würden Handball spielen. Um weiterhin eine starke Trainingsgruppe im leistungsorientierten Handball zu formieren, sei die Konzentration an einem Standort zwingend notwendig. Im männlichen Bereich sei das bereits seit fünf Jahren gelebte Praxis. Der Verband weist auf seiner Homepage auch darauf hin, dass es für derzeit aktive "Handballerinnen mit leistungssportlichem Gutachten" einen Bestandsschutz gebe.

Für Antonia und ihre Mitspielerinnen bleibt nur eins: Weiter trainieren und dann zeitnah eine Entscheidung treffen. Wollen sie weiter an ihrem Traum festhalten, Handballprofi zu werden, dann führt kein Weg an Halle vorbei. Doch das ist mit viel Aufwand, Pendelei und Entbehrungen verbunden - und das in diesem jungen Alter.

Mehr Sport in Sachsen-Anhalt

MDR (André Strobel, Cornelia Winkler) | Erstmals veröffentlicht am 06.03.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 06. März 2023 | 19:00 Uhr

7 Kommentare

Dirk_Zastrow am 07.03.2023

Ich befürchte, dass die Handballerinnen sich dann eher auf Sportschulen in Berlin oder Niedersachsen orientieren werden als nach Halle zu gehen. Schade für den Handballsport in Sachsen-Anhalt, aber die Nachbarländer freuen sich.

Anita L. am 06.03.2023

Mal davon abgesehen, dass ich es auch falsch finde, die Sportförderung zu streichen, aber was bitte hat eine Entscheidung des deutschen Handballverbands mit Bundeskanzler Scholz zu tun?

Woterbeu am 06.03.2023

Wer Profi werden will, muss Entbehrungen auf sich nehmen. Ja, auch 12 jährige Mädels. Die Eltern werden schnell merken, dass die Mädels sportlich, wie auch menschlich, mit der Herausforderung wachsen werden.

Wir hatten beim Schwimmen einen Schüler aus Eisenhüttenstadt. Der konnte auch nur alle zwei Wochen nach Hause fahren. Bei Wettkämpfen alle vier Wochen…

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