Baustelle und Umleitung Intel-Fabrik bei Magdeburg: Neue Zufahrtsstraße sorgt für Ärger
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17. August 2024, 07:46 Uhr
Der Ausbau des Geländes für die neue Intel-Chipfabrik bei Magdeburg sorgt für Ärger bei Anwohnern. Im Südosten der Stadt hat der Ausbau der Landesstraße 50 nahe dem Gelände des US-Chipherstellers begonnen. Dadurch kommt es zu Sperrungen und Umleitungen. Ein Landwirt fürchtet um den Zugang zu seinen Feldern.
- Das Land investiert knapp 3,9 Millionen Euro in die Ertüchtigung der Verkehrsanbindung für den High-Tech-Park, in dem Intel-Zuliefererbetriebe Platz finden sollen.
- Beim symbolischen Spatenstich ist Ministerpräsident Haseloff vom Erfolg der Milliarden-Ansiedlung überzeugt, trotz Krisenzeichen aus der Konzernzentrale.
- Anwohner fühlen sich nicht ausreichend informiert über die Baustellen und Sperrungen.
16 Spaten ragen unter der heißen Freitagssonne aus einem Häufchen Sand südlich von Magdeburg. Fast jeder anwesende Politiker drängt sich auf das Foto – obwohl der Anlass an sich reichlich unspektakulär ist. Der symbolische Beginn für den Ausbau der Landesstraße 50. Von der A14-Abfahrt Wanzleben bis nach Schleibnitz sollen 1,2 Kilometer Strecke vierspurig ausgebaut und um einen Radweg erweitert werden. Die Straße führt nämlich direkt zum Eulenberg und damit zum künftigen Intel-Standort. Für vier Millionen Euro – so viel bekommen einige Landkreis im ganzen Jahr für ihr Straßennetz – wird die L50 ausgebaut.
Am Ende der Sackgasse
Ganz am Ende dieser Baustelle, direkt am Dorf Schleibnitz, stehen Ansgar Laame und Annalisa Schulte an ihrem Erdbeerfeld. Seit 2002 bauen sie rund um das Dorf Kartoffeln, Rüben oder Getreide an. Die beiden wurden von der Sperrung überrascht. "Als ich am Montagabend vom Feld wieder reinkam, habe ich auf einmal die Schilder gesehen", sagt Ansgar Laame.
Viele Kunden kommen normalerweise direkt über die L50 an den Verkaufsstand des Paares, über den kurzen Weg aus Magdeburg. Rund 50 von Laames 270 Hektar Ackerfläche liegen hinter der frisch eingerichteten Sperrung. Er fragt sich, wie er in den kommenden 14 Monaten an seine Kürbis- und Kartoffelfelder kommen soll, denn so lange wird die Straße gesperrt. Informationen dazu hat er noch nicht bekommen.
"Plan B brauchen wir nicht"
Wenige Kilometer weiter findet Ministerpräsident Haseloff beim Spatensich ernste Worte. Der Wirtschaft im Land gehe es nicht gut, sagt er, und verweist vor allem auf die Chemie-Branche. Der Aufschwung müsse her. Mit Blick auf die strauchelnden Intel-Aktien und die Sparpläne der Firma sagt er: "Wir sind täglich in Gesprächen mit Intel, aktuell gibt es keinerlei Signal, dass dieses Projekt in Frage gestellt wird."
Sollte Intel doch abspringen, was Haseloff für unwahrscheinlich hält, macht er sich keine Sorge, die Gewerbeflächen am Eulenberg belegt zu bekommen. "Einen Plan B brauchen wir nicht. So ein Filetstück würden auch Unternehmen aus anderen Branchen nirgendwo anders finden."
Land sichert sich Flächen
Haseloff meint damit das große Potenzial des Eulenbergs und der umliegenden Äcker. 400 Hektar gehen an Intel, weitere 700 könnten an Zulieferer gehen. Es soll ein High-Tech-Park entstehen, auch mit Unterhaltungsmöglichkeiten, Sportgebäuden. Zuständig dafür ist Frank Ribbe, Geschäftsführer der High Tech Park GmbH. Er sagt, für 90 Prozent der Flächen rund um Intel gibt es bereits Vorverträge.
Das Land stattet die GmbH mit der Finanzkraft aus. Die bereits gekauften Flächen sind laut Ribbe sehr begehrt. Verkauft wird allerdings nur an Unternehmen, die mit Intel Verträge schließen, stellt Geschäftsführer Ribbe klar. Das einige schneller kommen, als der Chiphersteller selbst, hält er für durchaus möglich. In den kommenden Wochen sollen erste Baugenehmigungen für das Intelgelände erteilt werden, im kommenden Jahr soll die Wasseraufbereitung gebaut werden.
Wie es an der Intel-Baustelle weitergeht
Zunächst muss aber die EU die 10 Milliarden schwere Subvention der Bundesregierung für Intel genehmigen. Geplant ist die Entscheidung im Oktober. Danach sollen die Bodenarbeiten ausgeschrieben werden. 80.000 Lkw-Ladungen Muttererde müssen abgetragen werden. "Es ist wirklich Schade um die gute Erde", meinte Annalisa Schulte, die mit ihrem Mann Ansgar Laame den Bio-Hof in Schleibnitz betreibt. Wie ihre Kollegen am Eulenberg, oder im Sülzetal, wo kürzlich das Land weitere Flächen für Zulieferer gekauft hat, will das Paar aber momentan nicht verkaufen.
"Es geht hier um unsere Existenz, ohne Ausgleichflächen machen wir das erst recht nicht," sagte Schulte. Landwirte auf der anderen Straßenseite haben hingegen erstmal ausgesorgt. 250.000 Euro pro Hektar hat das Land für die Intel-Flächen gezahlt. Bei den Zulieferer-Flächen im Sülzetal dürfte es kaum weniger sein.
"Was hat Wanzleben davon?"
Annalisa Schulte findet, dass die Bevölkerung generell zu wenig über die Vorgänge rund um die Intel-Baustelle informiert wird. Schulte, die CDU-Stadträtin in Wanzleben und Vorsitzende des Schleibnitzer Heimatvereins ist, ist grundsätzlich absolut für die Intel-Siedlung und sieht sie als Chance.
Jedoch sagt sie, die aktuelle Situation sei ein Stück weit sinnbildlich für die Gefühlslage vieler Bürger. "Viele stellen sich die Frage: 'Was kommt für Wanzleben dabei rum?' Bislang haben wir hier vor allem Baustellen vor der Tür." Die Intel-Fabriken liegen direkt vor den Toren der Gemeinde-Flächen der Stadt Wanzleben. Aber eben nur direkt davor. Weshalb die Gemeinde zunächst nicht direkt von der Gewerbesteuer profitieren wird. Auf ihrem Gebiet liegen sogenannte Reserve-Flächen, die perspektivisch für eine Erweiterung Intels in Frage kommen könnten. Frank Ribbe sagte zumindest am Freitag, das Land wolle auch hier zeitnah Flächen sichern.
MDR (Max Hensch), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 16. August 2024 | 19:00 Uhr
Herr Merkel vor 16 Wochen
Diese zahlreichen Spatenstiche vor laufender Kamera zeigen, dass die Kommune und das Land ihre Hausaufgaben machen.
Sie sind aber auch ein Akt der Selbstvergewisserung.
Ob INTEL kommt oder nicht, das ist aus meiner Sicht offener als noch von 6 Monaten und hängt von Faktoren ab, die kein einziger der gezeigten Politker-Größen nur im geringsten beeinflussen kann, wenngleich diese Leute sich den Erfolg dann alle auf die Fahnen schreiben werden … falls er denn eintritt.
Meine Vermutung:
Wenn INTEL kommt, dann dauert es länger und wird teurer.
Und das wiederum hängt aus meiner Sicht auch vom Verlauf der Präsidentschaftswahlen in den USA ab.
ria vor 16 Wochen
Es handelt sich hier um eine Straße der Kategorie L, also Landstraße. Meines Wissens fahren die Bauern schon über solche Straßen. Er hat auch angegeben das seine Kunden über die Straße zu seinem Verkaufsstand an die Felder kommen.
Übrigens fahren hier in Magdeburg die Traktoren selbst auf dem August Bebel Damm. Und das ist bei der seit schon drei Jahre dauernden Baustelle oft echt nervig.
pwsksk vor 16 Wochen
@hilflos, was wurde denn bisher bezahlt?
Das Ding ist doch noch nicht mal genehmigt.
Und vom Bauerntum scheinen sie Null Ahnung zu haben.
Wenn jemand ihre Haustür verbarrikadiert, steigen sie eben durchs Fenster?