HalbleiterwerkIntel verschiebt Bau von Chipfabrik in Magdeburg – Haseloff gegen Abbruch des Projekts
Das Chip-Unternehmen Intel hat die Pläne für den Fabrikbau in Magdeburg auf Eis gelegt. Laut Unternehmenschef Gelsinger wird sich der Bau wegen Sparmaßnahmen voraussichtlich um zwei Jahre verzögern. Insgesamt 3.000 direkte Arbeitsplätze sollten am Magdeburger Eulenberg entstehen. Sachsen-Anhalts Landesregierung versichert, dass das Halbleiterwerk dennoch kommen soll.
Inhalt des Artikels:
- Oberbürgermeisterin Borris: "Werden weiter an dem Projekt arbeiten"
- Studienangebot an der Uni Magdeburg wird nicht geändert
- Wirtschaftsminister Schulze weiter optimistisch
- Habeck: "Haben unsere Hausaufgaben gemacht"
- Linke und AfD sehen Ansiedlung von Intel gescheitert
- Bürgermeister von Sülzetal fordert Plan B für Gelände
- 3.000 Arbeitsplätze in Magdeburg geplant
- Krise und Sparzwang bei Intel
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat dafür geworben, unbedingt an der geplanten Intel-Ansiedlung in Magdeburg festzuhalten. "Es ist eine strategisch so bedeutsame Investition, dass in keiner Weise darüber nachgedacht werden sollte, das Ganze abzubrechen", sagte Haseloff am Dienstag in Magdeburg. Es sei ein einzigartiger Arbeits-Stand bei dem Projekt erreicht. Man müsse sich nun auf die neue Zeitschiene einlassen.
Intel hatte am Montagabend bekannt gegeben, dass der Konzern den Bau eines neuen Werks in Magdeburg auf Eis legen wird. Das Projekt werde sich voraussichtlich um zwei Jahre verzögern, teilte Firmenchef Pat Gelsinger mit.
Wie Haseloff erklärte, informierte Gelsinger ihn und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorab per Telefon. Die klare Botschaft sei gewesen, dass Intel an dem Projekt in Magdeburg festhalte. "Sie sind aber aus Liquiditäts-Gründen nicht in der Lage, die Investition zu beginnen", so der Ministerpräsident weiter. Intel wolle das Investment umsetzen und habe deshalb einen Zeitraum von zwei Jahren eingezogen. Nun brauche der Konzern wirtschaftlichen Erfolg, damit die Liquidität zurückkomme.
Oberbürgermeisterin Borris: "Werden weiter an dem Projekt arbeiten"
Magdeburgs Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) gibt sich trotz des vorläufigen Planungsstopps optimistisch. Borris sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Ich gehe davon aus, dass wir weiter an dem Projekt arbeiten werden." Das bisher aufgewendete Geld sei nach wie vor gut angelegt. Bisher habe die Stadt Magdeburg vor allem die Kosten für die Straßen und die Zuleitung der geplanten Chipfabrik tragen müssen. Laut Borris gibt es aber eine Zusicherung dafür, dass das Land die Kosten dafür übernimmt.
Studienangebot an der Uni Magdeburg wird nicht geändert
Auf das Studienangebot der Otto-von-Guericke-Universität wirkt sich Intels Ankündigung vorerst nicht aus. Rektor Jens Strackeljan sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag, der Studiengang im Bereich der Halbleiter- und Nanotechnologie werde fortgeführt. Im Oktober würden neue Studenten begrüßt, die man auch durchziehen werde. Bei der dafür nötigen Infrastruktur aber habe man ein Problem. Ein spezieller Reinraum müsse erneuert werden, was im Moment nicht vorstellbar sei. Daher werde man zunächst weiter mit einer Behelfslösung arbeiten.
Wirtschaftsminister Schulze weiter optimistisch
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) hatte schon zuvor erklärt, dass er weiter mit einer Intel-Ansiedlung in Magdeburg rechne. "Es ist nicht so, dass das Projekt jetzt gecancelt ist, sondern im Gegenteil: Es ist verschoben", sagte er MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag. Die Nachricht habe die Landesregierung zwar nicht erfreut. "Gleichermaßen heißt es aber, dass sowohl Intel als auch die Bundesregierung als auch wir als Sachsen-Anhalt als Land an diesem Projekt festhalten werden."
Habeck: "Haben unsere Hausaufgaben gemacht"
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete den verschobenen Baustart derweil als rein unternehmerische Entscheidung. Diese habe mit der Konzern-Politik und "Geld-Bedarfen" zu tun. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagte Habeck.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte in Bezug auf Intel ein, man hätte das Projekt "gerne schnell realisiert". Doch die Entscheidung für eine Aufschiebung um zwei Jahre beinhalte ja auch "die Aussage, daran festhalten zu wollen".
Ampel uneins bei Intel-Milliarden
Die Ampelkoalition in Berlin streitet unterdessen über die Verwendung des für Intel vorgesehenen Geldes. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb bei X, die nicht benötigten Mittel für die Intel-Fabrik in Magdeburg müssten nun für Lücken im Bundeshaushalt reserviert werden.
Aus dem grünen Bundeswirtschaftsministerium von Habeck hieß es hingegen, die Intel-Gelder stünden nicht dem Kern-Haushalt zur Verfügung. Die Fördermittel für Intel sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) kommen. Für dieses Jahr waren im KTF für die Intel-Ansiedlung rund 4 Milliarden Euro vorgesehen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schloss eine vorübergehende Verwendung eines Teils der Staatshilfen für Intel zur Schließung von Haushaltslücken nicht aus. Die Bundesregierung wolle die Halbleiter-Entwicklung in Deutschland voranbringen und zugleich dafür Sorge tragen, "dass wir mit unseren Finanzen gut auskommen".
Linke und AfD sehen Ansiedlung von Intel gescheitert
Die oppositionelle Linken-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt erklärte, dass die Verschiebung einer Absage gleichkomme. "Die Europa-Strategie von Intel hat sich erledigt", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Wulf Gallert. Fraktionschefin Eva von Angern forderte, die Landesregierung müsse sich "von der Fixierung auf Intel als Heilsbringer lösen".
Sachsen-Anhalts AfD-Landesverband sprach von einem Scheitern des Intel-Projektes. Der Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt warf der Landesregierung vor, "voreilig wertvollen Börde-Boden für das Projekt freigegeben" zu haben. Der Landtagsabgeordnete Matthias Lieschke erklärte, Intel werde "sehr wahrscheinlich nicht mehr nach Sachsen-Anhalt kommen". Ministerpräsident Haseloff und Wirtschaftsminister Schulze müssten Rechenschaft dafür ablegen, "welche Millionensummen hier möglicherweise von der Regierung verbrannt wurden".
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Olaf Meister teilte mit, die Verschiebung stelle eine schwierige Situation für Magdeburg und Sachsen-Anhalt dar. Es brauche nun unter anderem "Klarheit, dass die Zusage über die Fördermittel unangetastet bestehen bleibt". Außerdem müsse Intel einen neuen Zeitplan mit Baubeginn ab 2026 aufstellen.
Bürgermeister von Sülzetal fordert Plan B für Gelände
Auch der Bürgermeister der Magdeburger Nachbar-Gemeinde Sülzetal, Jörg Methner (parteilos), glaubt nicht mehr an eine Ansiedlung von Intel. Methner sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Dienstag, seine persönliche Meinung sei, dass es sich erledigt habe. "Ich sehe es auch so, weil man in der zurückliegenden Zeit gesehen hat, es wurde viel geeiert. Ich muss das mal so sagen."
Methner richtete seinen Blick nach vorn und forderte weiterzumachen und für das Gelände den Plan B aus der Schublade zu ziehen. Man könne jetzt nicht zwei Jahre warten, erklärte der Bürgermeister.
3.000 Arbeitsplätze in Magdeburg geplant
An dem geplanten Standort am Magdeburger Eulenberg hatte der Konzern den Bau von zwei Chipfabriken angekündigt. Der erste Spatenstich sollte eigentlich noch in diesem Jahr durchgeführt werden. In den Planungen waren 3.000 Arbeitsplätze angekündigt worden. Zudem sollten insgesamt 30 Milliarden Euro in den Standort investiert werden. Dafür hatte auch die Bundesregierung Unterstützung in Aussicht gestellt. Insgesamt 9,9 Milliarden Euro staatliche Hilfen waren im Gespräch.
Krise und Sparzwang bei Intel
Anfang August hatte Intel bekannt gegeben, dass im kommenden Jahr mehr als zehn Milliarden US-Dollar eingespart werden sollen. Dafür plane man unter anderem von weltweit rund 125.000 Stellen im Konzern und den Tochterunternehmen mehr als 15 Prozent zu streichen. Pat Gelsinger, Chef des US-Halbleiter-Konzerns, sagte, man investiere weiterhin in die Kernbereiche. Denn durch den Ausbau der Produktionskapazitäten in den USA und der EU wolle man die Lieferketten widerstandsfähig machen.
Zu Intels Plänen gehörte auch, die Fertigungskapazitäten zu erweitern und stärker zum Auftragsfertiger für andere Chip-Entwickler zu werden. In diesem Zusammenhang war auch der Bau des rund 30 Milliarden Euro teuren Werks in Magdeburg geplant. In einer E-Mail an die Mitarbeiter kritisierte Vorstandsvorsitzende Gelsinger zuletzt Intels Kosten-Struktur als "nicht wettbewerbsfähig". Intel kündigte nun an, auch die Pläne für den Werks-Bau in Polen vorerst auf Eis zu legen.
Hintergründe zu Intel und der gestoppten Ansiedlung in Magdeburg
Investitionen in den heimischen US-Markt
Zugleich bekräftigte Intel Investitionen in neue Werke im Heimatmarkt USA und die Entwicklung neuer Chips mit der Cloud-Sparte von Amazon. So will Intel eine engere milliardenschwere Kooperation mit der Amazon-Tochter AWS eingehen. Diese umfasse unter anderem eine gemeinsame Investition in maßgeschneiderte Chip-Designs. Man werde für die Amazon-Tochter dabei einen Chip für die Verwendung bei Künstlicher Intelligenz (KI) bauen, so Gelsinger.
Ebenfalls am Montagabend meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die US-Regierung Intel bis zu drei Milliarden Dollar für die Entwicklung einer einheimischen Chip-Produktion mit Blick auf die nationale Sicherheit zugesprochen hat. Die Initiative "Secure Enclave" soll insbesondere dem US-Militär eine stabile Versorgung mit Mikroelektronik aus einheimischer Produktion gewährleisten.
Das Gewerbegebiet Eulenberg bei Magdeburg
Im August hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff noch beim Spatenstich für eine Zufahrtsstraße zu den geplanten Chipfabriken und den High-Tech-Park gesagt, er halte ein Aus für Magdeburg für unwahrscheinlich. Sollte Intel doch abspringen, mache er sich keine Sorgen, die Gewerbeflächen am Eulenberg belegt zu bekommen. "Einen Plan B brauchen wir nicht. So ein Filetstück würden auch Unternehmen aus anderen Branchen nirgendwo anders finden.
Der Eulenberg und die umliegenden Äcker sollten mit 400 Hektar an Intel gehen, weitere 700 an Zulieferer. Für die Planung des High-Tech-Parks ist Frank Ribbe als Geschäftsführer der High Tech Park GmbH zuständig. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT im August, für 90 Prozent der Flächen gebe es bereits Vorverträge.
Kritik an der Ansiedlung von Intel
Nachdem 2022 bekannt geworden war, dass Intel riesige Chipfabriken in Magdeburg bauen möchte, hatte es neben Zustimmung an den Plänen auch immer wieder Kritik gegeben, insbesondere was die staatliche Förderung angeht. Clemens Fuest vom ifo Institut und Professor für Volkswirtschaft an der LMU München sagte Anfang August 2024 der Tagesschau im Interview: "Es kommt häufig vor, dass Hersteller die Investitionsplanung ändern und Stellen abbauen müssen. Bei Intel kommt allerdings hinzu, dass die Firma in letzter Zeit dafür kritisiert wird, wichtige technologische Entwicklungen verschlafen zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest fragwürdig, dass ausgerechnet Intel in Magdeburg so hohe Subventionen bekommt."
Auch von den Oppositionsparteien im Landtag von Sachsen-Anhalt hatte es zuletzt Kritik am Vorgehen bei der geplanten Intel-Ansiedlung gegeben. AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es habe keine richtigen Verträge gegeben, nur Willensbekundungen, die man nicht einsehen durfte. Er hoffe, dass das Vorhaben nicht irgendwann sterbe. Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von Angern sagte MDR SACHSEN-ANHALT, sie sehe das gesamte Agieren der Landesregierung mit der Standort-Entscheidung Intel sehr kritisch. "Ich bin unsicher darüber, ob es an Unwissenheit, Unvermögen oder bewusster Intransparenz liegt. Man muss von letzterem ausgeben. Das ist höchst verantwortungslos." Die Linksfraktionschefin betonte, es gehe um viel Geld, nicht nur von der Landeshauptstadt, auch von der Landesregierung. Politik könne nicht allein auf Hoffnung aufbauen.
Mehr zum Thema: Intel in Magdeburg
MDR (Susanne Ahrens, Marvin Kalies, Felix Fahnert, Daniel Salpius, Hagen Tober, Christoph Dziedo), dpa
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. September 2024 | 12:00 Uhr
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