Angekündigte Streichung Wie weiter mit Intel-Milliarden? Sachsen-Anhalt vertraut auf Zusagen des Bundes
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06. November 2024, 11:36 Uhr
Die geplanten knapp zehn Milliarden Euro Subventionen für Intel aus dem Bundesfinanzministerium sollen laut einem Grundsatzpapier wegfallen. Subventionen, die als ineffizient beurteilt werden, sollen demnach reduziert werden, das Geld stattdessen in Forschung fließen. Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Willingmann und Wirtschaftsminister Schulze kritisieren die Pläne. Vom Regierungssprecher heißt es, Sachsen-Anhalt vertraue auf die Zusagen des Bundes für die Fördermittel.
- Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will geplante Fördermittel für die Intel-Ansiedlung in Magdeburg streichen.
- Die Ankündigung reiht sich ein in den Streit der Bundeskoalition über den richtigen Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
- Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) fordert als Reaktion auf Lindners neue Pläne Neuwahlen im Bund.
Sachsen-Anhalt vertraut bei den Intel-Subventionen auf die Zusagen des Bundes. Regierungssprecher Matthias Schuppe erklärte auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Magdeburg: "Wir haben keine Zweifel am Wort des Bundeskanzlers." Es werde teilweise unterschätzt, wie die Intel-Milliarden im Haushalt verankert seien. Deshalb zweifle man nicht daran, dass die Bundesregierung Intel zu einem Zeitpunkt X mit den angekündigten Subventionen fördere, so Schuppe. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte den Angaben zufolge am Montag Kontakt zum Bundeskanzleramt.
Lindner: Intel-Subvention soll entfallen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte vergangenes Wochenende angekündigt, die Subventionen der Bundesregierung für das geplante Intel-Werk bei Magdeburg streichen zu wollen. So steht es in einem Grundsatzpapier des Ministers, das dem MDR vorliegt. Es geht darin um eine Neuausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik.
In dem Papier steht wörtlich, die Subvention solle "nicht nur verschoben werden, sondern ganz entfallen." Ineffiziente Subventionen würden den Haushalt in erheblichem Umfang belasten, heißt es zudem.
Die bisher gebundenen Mittel von insgesamt knapp zehn Milliarden Euro könnten dem Papier zufolge aus dem Klima- und Transformationsfonds entnommen werden. Der Fonds ist ein Sondertopf des Bundes.
Lindner will Subventionsgeld in Forschung stecken
In dem Grundsatzpapier steht weiterhin, dass auch ähnlich angesetzte Subventionsvorhaben wenn möglich abgesagt werden sollen. Insbesondere gelte das für Fälle, in denen Unternehmen selbst öffentlich gemacht hätten, dass die Projekte eingestellt werden sollen.
Allgemein spricht sich Lindner in dem Papier für eine Umorientierung weg von Subventionen für einzelne Unternehmen hin zur Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen aus. Indem Subventionen reduziert werden, solle mehr Geld für die Förderung der Spitzenforschung frei werden.
Lindners Grundsatzpapier wird öffentlich, während die regierende Koalition aus SPD, Grünen und FDP über den richtigen Kurs in der Wirtschafts- und Finanzpolitik streitet. In dem Dokument positioniert sich der Bundesfinanzminister unter anderem auch für die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener sowie einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Wissenschaftsminister kritisiert Lindners Pläne
Kritik an den Plänen von Lindner kommt von Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT sagte Willingmann am Montag: "Es gab eine Verabredung mit Intel. Der Bund hat sich an dieser Stelle zu einer erheblichen Unterstützung verpflichtet. Und diese Verpflichtung erlischt nicht, nur weil der Finanzminister sie möglicherweise loswerden möchte, weil sie ihm lästig geworden ist."
Es sei nichts dagegen zu sagen, dass man nicht benötigte Gelder jetzt auch im Bundeshaushalt an anderer Stelle sinnvoll einsetze, die Unterstützung der Intel-Ansiedlung in Magdeburg dürfe aber nicht generell infrage stehen. Es schade der Politik und der Wirtschaft, wenn man sich nicht mehr auf Zusagen verlassen könne, die der Bund bei derart großen, internationalen Investitionsprojekten gegeben habe, so Willingmann.
Gegenwind auch von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister
Neben Willingmann kritisiert auch Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) die Intel-Pläne des Bundesfinanzministers. Schulze sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man müsse sich fragen, wem man in der Bundesregierung noch glauben könne. Vor einigen Wochen habe der Kanzler gesagt, dass an dem Projekt festgehalten werden solle.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister und CDU-Landeschef warnte davor, zum Stopfen von Haushaltslöchern [...] "dieses wichtige Wirtschaftsprojekt" zu opfern. Das sei ein ganz schlechtes Zeichen der Bundesregierung nicht nur in Richtung Sachsen-Anhalt, sondern in die gesamte Welt hinein, dass man in Deutschland nicht mehr verlässlich in Sachsen Zukunftspolitik und Wirtschaft aufgestellt sei.
Mehrere Unionspolitiker hatten sich nach dem Grundsatzpapier von FDP-Chef Christian Lindner am Samstag für Neuwahlen stark gemacht, darunter auch CSU-Chef Markus Söder. Eine Regierung, die gegeneinander Papiere verschicke, sei handlungsunfähig, so Söder.
Habeck: Frei werdende Mittel für Haushaltslücke nutzen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat unterdessen zu Beginn der neuen Woche angeboten, die frei werdenden Mittel für die Intel-Chipfabrik in Magdeburg zu nutzen, um Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Die Milliarden seien eigentlich dafür vorgesehen, die Wirtschaft unterstützen zu können – jetzt aber sei es "selbstverständlich", dass wir einen Beitrag leisten, um die Haushaltslücke zu reduzieren, sagte Habeck am Montag in Berlin. Die Lücke im Haushalt zu schließen, sei "keine geringe, aber eine lösbare Herausforderung". Diese Aufgabe fordere von allen noch einmal eine "große Kraftanstrengung".
Intel-Stopp kurz vor dem ersten Spatenstich
Mitte September, kurz vor dem erwarteten Spatenstich für die geplante Chipfabrik, hatte Intel verkündet, dass der Bau vorerst auf Eis gelegt würde. Konzernchef Pat Gelsinger stellte aber eine Verschiebung des 30 Milliarden teuren Werks in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt von rund zwei Jahren in Aussicht.
Die Bundesregierung hatte für diese Ansiedlung 9,9 Milliarden Euro staatliche Hilfen in Aussicht gestellt.
dpa; AFP; MDR (Alisa Sonntag, André Plaul, Michael Rosebrock, Mario Köhne) | Erstmals veröffentlicht am 02.11.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. November 2024 | 17:30 Uhr
Micha R vor 5 Wochen
@ ThomasN
" Warum streicht niemand Lindner aus der Regierungsverantwortung? ..."
Im Artikel 64 GG ist dies klar geregelt:
(1) Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.
Allerdings führte die Entlassung dieses Bundesministers (weil gleichzeitig auch FDP-Vorsitzender) nur unwillkürlich zum Koalitionsbruch!
Während die FDP sich dann für den Rest der Legislaturperiode als Opposionspartei regenierieren könnte, um trotz jüngster Umfragen nicht 2025 in der APO zu landen, hätte die jetzige Bundesregierung keine parlamentarische Mehrheit mehr, sprich schlechte Aussichten für anstehende Gesetzesvorhaben wie Verabschiedung des Bundeshaushaltes 2025.
Dagegen hätte eine so die 5%-Hürde überspringende FDP folglich gute Chancen, möglicherweise auch Teil einer künftigen Deutschland-Koaltion zu werden und Lindner wäre dann sicherlich auch wieder Bundesminister!
baugenosse vor 5 Wochen
Hier redet doch niemand über Investitionen die Ausschließlich an unternehmen gehen dürfen? In dem Papier ist ziemlich gut lesbar geschrieben "spitzenforschung" und die kommt oftmals eben nicht von Unternehmen. Klar, eine ausschreibung von 1 mrd zur findung eines neuen ökologischen brennstoffes klingt toll, aber wer macht denn sowas auf eigenkosten? bei so nem mumpitz macht keiner der big player mit da schon viel zu oft Unternehmen bei soetwas bankrott gingen. 50 millionen an das TiK oder das Frauenhofer-Instut bringen mehr als jede ausschreibung die so von einem Phantast kommen könnte.
ElBuffo vor 5 Wochen
Für die Kunden macht es schon einen Unterschied. Der besteht nämlich ggf. als darin, ob man kaufen kann. Konnte man ja in nicht allzu ferner Vergangenheit beobachten, dass das nicht immer so reibungslos klappt. Plötzlich will der eine nicht mehr und der nächste kann nicht.