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Schon seit Wochen streiten Landespolitiker und Ökonomen über die geplante Ansiedlung von Intel in Magdeburg. Bildrechte: IMAGO/NurPhoto

"Wie am Biertisch" Breite Kritik an Intel-Zweifel aus dem IWH Halle

21. März 2023, 14:34 Uhr

Zu hohe Subventionen, fehlende Infrastruktur, zu wenige Arbeitskräfte und eine abschreckende Region für Zuwanderer: Ökonomen aus Halle haben deutliche Kritik an den Plänen für die Intelansiedlung in Magdeburg geäußert. Die Kritik sei absurd und habe nichts mit wissenschaftlicher Expertise zu tun, kontert nun Magdeburgs Ex-OB Lutz Trümper (SPD). IWH-Vizepräsident Holtemöller wehrt sich dagegen.

Magdeburgs früherer Oberbürgermeister, Lutz Trümper (SPD), wehrt sich gegen kritische Töne vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle in Bezug auf die geplante Intel-Ansiedlung. "Alles absoluter Unfug", kontert Trümper, der seit vergangenem Sommer als Intel-Berater der Stadt tätig ist, in einem Kommentar unter dem entsprechenden MDR-Bericht und spricht von "Punkten, die wie am Biertisch hingeworfen werden".

IWH stellt Magdeburg als Standort infrage

In einem Bericht des SPIEGEL (€) zu möglichen Problemen bei der geplanten Milliarden-Investition durch Intel in Magdeburg wird der stellvertretende IWH-Chef Oliver Holtemöller zitiert. Der Ökonom sieht die Ansiedlung kritisch. Niemand stehe Schlange, um in Sachsen-Anhalt zu arbeiten, so sein vernichtendes Urteil.

Zwar sei Magdeburg nicht strukturschwach, aber "für das, was da nun entsteht, ist die Struktur zu schwach", erklärt Holtemöller. Kritisiert werden auch eine fehlende Anbindung des künftigen Werksgeländes mit öffentlichen Verkehrsmitteln, fehlende Schulen, Sprachkurse und so weiter. Schließlich wird im Bericht die Frage gestellt, wieso "Tausende Spezialisten aus aller Welt in eine Stadt ohne regelmäßigen ICE-Anschluss und internationalen Flughafen ziehen?". Dazu werde das Problem der Fremdenfeindlichkeit von politischer Seite ignoriert, bemängelt der Forscher.

Die Kritik hinzuwerfen wie am Biertisch, hat nichts mit wissenschaftlicher Expertise zu tun.

Lutz Trümper (SPD), früherer Oberbürgermeister Magdeburgs und Intel-Berater für die Stadt

Trümper kontert, die Vorwürfe seien absurd: Man habe über alle Themen monatelang mit Intel gesprochen, "auch über eine ICE-Anbindung". Nun bereite man zusammen alles dafür vor, dass dieser Anschluss auch käme. Intel, das seien keine Spinner, die irgendeinen Standort nähmen und keine Ahnung hätten, was sie dort erwarte. Danach teilt er gegen das IHW aus: "Diese Kritikpunkte jetzt dahin zu schmeißen wie am Biertisch, das hat doch nichts mit wissenschaftlicher Expertise zu tun." Viele der Punkte, wie zum Beispiel der Mangel an Wohnraum, seien falsch. Am meisten stört Trümper der "pauschale Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit." In den letzten Monaten war abseits der Vorwürfe des IWH auch die Ausländerbehörde Magdeburg immer wieder in die Kritik geraten.

Trümper spricht von "schlimmsten Vorwürfen" und glaubt weiter an Intel-Ansiedlung

Der frühere Oberbürgermeister, in dessen Amtszeit die Ansiedlungspläne von Intel und begleitende Gespräche fallen, ist wütend über die Aussagen. Der Vorwurf, "niemand steht Schlange, um in Sachsen-Anhalt zu arbeiten", sei einer der schlimmsten überhaupt und diskreditiere das ganze Bundesland. Er hoffe, dass die Vorwürfe bei Intel entkräftet und eingeordnet werden können. Allerdings mache er sich Sorgen darum, wie die Vorwürfe in Berlin wahrgenommen würden. Gerade, weil es ein Institut aus Sachsen-Anhalt sei, das das Bundesland schlecht rede.

Trümper geht trotzdem weiterhin davon aus, dass Intel sich in Magdeburg ansiedeln wird. Ihm sei nichts Negatives von Intel aus bekannt, das gegen die Ansiedlung spräche. Derzeit gebe es Gespräche zwischen Intel und der Bundesregierung, die die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Ansiedlung weiter schärfen sollten.

CDU weist IWH-Kritik scharf zurück

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Heuer sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die Äußerungen des IWH seien unglücklich. Damit werde Öl ins Feuer derer gegossen, die Großansiedlungen in Sachsen-Anhalt kritisierten. Heuer räumte ein, dass es Probleme gebe, die gelöst werden müssten, etwa wie die Wasser- oder Energieversorgung für die Intel-Fabrik geregelt werden soll. Er erwarte aber von einem Institut wie dem IWH, dass es Ratschläge gibt, wie man solche Probleme lösen könne.

Der Finanzpolitiker Guido Heuer (CDU) spricht während einer Sondersitzung im Landtag von Sachsen-Anhalt.
Gudio Heuer, Fraktionsvorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt, wies die Art der Kritik des IWH scharf zurück. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Ronny Hartmann

Feststellungen allein, so Heuer, brächten einen nicht weiter. Das IWH bekommt für seine Arbeit jährlich acht Millionen Euro Fördermittel vom Land. Dazu sagte der CDU-Landesfraktionschef: "Anhand solcher Äußerungen ist schon die Sinnhaftigkeit von Fördermitteln zu hinterfragen. Man könnte da Zweifel anmelden."

Stellvertretender IWH-Präsident Holtemöller wehrt sich

Prof. Dr. Oliver Holtemoeller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle posiert für ein Portrait
Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des IWH, wehrt sich gegen die Kritik. (Symbolbild) Bildrechte: imago/photothek

Auf Twitter reagierte der stellvertretende IWH-Präsident Oliver Holtemöller am Montag auf die Kritik an seiner Kritik. Er habe sich weder gegen die Ansiedlung von Arbeitskräften in Sachsen-Anhalt ausgesprochen, noch behauptet, dass es den Fachkräftemangel nur in Sachsen-Anhalt gebe. Es gebe an vielen Standorten bereits jetzt Probleme in der Besetzung offener Stellen. In Sachsen-Anhalt käme erschwerend hinzu, dass die ostdeutsche Bevölkerung schneller schrumpfe als die westdeutsche, während die Integration von internationalen Fachkräften bislang schlechter gelänge.

Zudem sagte Holtemöller, er habe seit Jahren lösungsorientierte Handlungsempfehlungen vorgelegt. Angefangen bei der Schulabbrecherquote bis hin zur Stärkung der Internationalität.

Commerzbank sieht Ansiedlung optimistisch

Die Commerzbank in Sachsen-Anhalt sieht in der geplanten Intel-Fabrik in Magdeburg eine große Chance für die Region. Firmenkundenchef Karsten Wendt sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man begrüße die Ansiedlung sehr. Je näher die Umsetzung komme, umso stärker sei die Nachfrage in allen Bereichen und Branchen. Vor allem bei den Immobilien sei der Effekt zu spüren.

Nicht die ersten Unstimmigkeiten mit dem IWH

Die Auseinandersetzungen auf politischer und medialer Ebene mit dem IWH sind nicht neu. Präsident Reint Gropp, der auch Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg ist, kritisierte Mitte Februar in der Süddeutschen Zeitung (€): "Wir werfen das Geld zum Fenster raus". Statt in Standorte sollte in Forschung investiert werden, legte er im MDR-Interview nach. Gropps Aussagen provozierten schließlich Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) dazu, sich im Landtag unzufrieden über die Forschungs-Leistung des Instituts zu äußern. Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) stellte daraufhin die Unabhängigkeit der Forschungseinrichtungen im Land klar.

Eine Computergrafik zeigt die in Magdeburg geplante Chipfabrik des US-Konzerns Intel.
Bildrechte: picture alliance/dpa/Intel Corporation

Hinweis der Redaktion: Die Aussagen von Oliver Holtemöller, in denen er sich gegen die Kritik verteidigt, sind am 21.03.2023 um 12.00 ergänzt worden und waren in der ursprünglichen Version des Artikels vom 20.03.2023 nicht enthalten.

Mehr zur Intel-Debatte zwischen IWH und der Politik

MDR (André Plaul, Norma Düsekow, Leonard Schubert) | Zuerst veröffentlicht am 20.03.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. März 2023 | 07:00 Uhr

42 Kommentare

weils so nicht unwidersprochen bleiben darf am 22.03.2023

Stimmt. Zahlen tut die Stadt. - Ändert aber nichts daran, dass dieser Beraterposten ohne die Intel-Pläne nicht existieren würde. Und dass damit die Interessenlage wohl recht klar ist ...

Ines W. am 22.03.2023

@Skywalker
Also was sie alles wissen, was nicht mit Solar oder Windstrom funktioniert.... ich glaube eher sie diskutieren hier auf Stammtischniveau und lassen ihren Hass auf die Grünen freien Lauf.

Ines W. am 22.03.2023

@Shantuma
Na ja wenn ich irgendwo eine Firma hinstelle die auch viele ausländische Arbeitskräfte anziehen soll und muss, dann ist die Frage ob diese Menschen dort sicher leben können und nicht diskrimmiert werden schon immens wichtig. So ziemlich jede Studie zu dem Thema zeigt, dass die Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland und rechtsextreme Gewaltstraftaten in diesem Zusammenhang besonder hoch sind.

Ja es gibt überall "Fremdenfeindlichkeit", aber es macht einen Unterschied ob das in einer Region die Haltung einer Minderheit ist oder gesellschaftlicher Konsens, gegen den man nicht ankommt. Wo nochmal sind die Hochburgen einer rechtsextremen und fremdenfeindlichen Partei?

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