Kinder- und Jugendhilfe Magdeburg: "Jugend stärken im Quartier" droht das Aus

09. September 2021, 15:47 Uhr

Dem Projekt "Jugend stärken im Quartier" in Magdeburg droht das Aus. Mehrere hundert Jugendliche erfuhren hier erfolgreich Unterstützung im Schul- und Arbeitskontext. Im Juni 2022 läuft die Förderung durch den Europäischen Sozialfond Deutschland (ESF) aus. Die Stadt Magdeburg plant bislang nicht, die Förderung zukünftig zu übernehmen. Ein großer Verlust für die Stadt, meinen viele Institutionen der Jugendhilfe.

Leonard Schubert
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

In einem unscheinbaren Gewerbegebiet in der Neuen Neustadt hat das Jugendhilfeprojekt "Jugend stärken im Quartier Magdeburg" seinen Sitz. Sozialarbeiter Dominik Schwabe öffnet die Tür und grüßt freundlich, Hündin Lissy steht etwas skeptisch daneben und lugt neugierig an seinem Bein vorbei. Innen sieht man bunte Plakate, Bilder und gemütliche Sofas. Ein Glas mit Süßigkeiten steht auf einem Tisch, an den Wänden hängen Bilder. Wer hier ankommt, kann sich aufgehoben fühlen.

Sozialarbeiter Dominik Schwabe und Hündin Lissy kümmern sich um ihren Besuch. Hier kann man Dominik Schwabe im Interview hören.

Seit Projektstart 2015 sind insgesamt 420 Jugendliche hierher gekommen, um sich Unterstützung und Begleitung zu holen. Meistens geht es darum, den Jugendlichen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und sie zum Beispiel in ihrer Schullaufbahn oder beim Einstieg in den Beruf zu unterstützen. Viele Mitarbeiter aus dem sozialpsychologischen Dienst an Schulen und in psychiatrischen Kliniken loben die Arbeit des Projekts als wichtige Unterstützung und Ergänzung zu anderen Hilfsangeboten.

"An unserer Schule sind viele Schüler*innen mit vielschichtigen Lern- und Lebensproblemen, die dringend eine intensive pädagogische Unterstützung benötigen. Die Schulen haben leider nicht die Möglichkeit, alle jungen Menschen aufzufangen, wenn diese dringend wen brauchen. Das Team von "Jugend stärken im Quartier" kann meist zeitnah mit ihren passenden Projekten eine Mithilfe anbieten, die für alle Beteiligten von großer Bedeutung ist. Dadurch konnte unter anderem schon mehrfach der Schulabschluss gesichert werden", sagt etwa Carolin Jahnke, Schulsozialarbeiterin an einer Sekundarschule.

Video des Teams "Jugend stärken im Quartier" auf Youtube: Vorstellung der Arbeit

Trotz Erfolg keine Förderung

Insgesamt läuft das Projekt sehr erfolgreich. Über 60 Prozent der Jugendlichen konnte bislang geholfen werden, nur wenige brechen die Maßnahmen ab oder erzielen kein Ergebnis. Für Jugendhilfeeinrichtungen eine sehr gute Quote.

Trotz des Erfolgs droht dem Projekt und seinen drei Mitarbeitern nun das Aus. Die projektbezogene Förderung des ESF (Europäischer Sozialfond Deutschland) läuft im Juni 2022 aus. Die Stadt Magdeburg hat das Projekt bislang nicht auf die Liste im Haushalt geförderter Projekte gesetzt. Sollte es dabei bleiben und das Projekt weder im nachträglichen Haushalt noch über externe Förderer finanziert werden, muss das Projekt im Juni schließen.

Dabei sei gerade jetzt nach den langen Coronaphasen der Bedarf an Unterstützung hoch wie nie, meint Schwabe. Maria Schadewald vom Projektteam befürchtet, dass durch die Schließung eine wichtige Anaufstelle ersatzlos wegfallen wird: "Da das Projekt einzigartige Ansätze verfolgt, ist die Sicherung des Schulerfolgs von benachteiligten Kindern und Jugendlichen akut in seinem Fortbestand gefährdet."

Vertrauen als Schlüssel in der Jugendhilfe

Das Besondere an dem Angebot von "Jugend stärken im Quartier" ist laut Dominik Schwabe, dass die Angebote individuell, freiwillig und niedrigschwellig stattfänden, ohne große Anforderungen oder Einbezug des Jugendamtes. Diese am individuellen Bedarf angepasste und offene Haltung könnten viele andere Einrichtungen nicht leisten, meint er.

Erst werde in Beratungsgesprächen geschaut, was die Jugendlichen brauchen und wie man Ihnen am besten helfen kann, bevor dann verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung anlaufen. Dabei soll es nicht nur darum gehen, die Jugendlichen wieder in die Schule einzugliedern, sondern ihre Ressourcen zu stärken und sie dabei zu unterstützen, Herausforderungen zu meistern.

"Es wäre ein echter Verlust, wenn das Projekt wegfallen würde", sagt Schwabe. Gemeinsam mit seinem Team hofft er nun darauf, dass sich doch noch eine Lösung finden lässt, um das Projekt zu finanzieren.

Thema im Stadtrat vertagt – weitere Förderung offen

Ursprünglich sollte am Donnerstag im Stadtrat ein Antrag auf eine Sonderfinanzierung für das Projekt besprochen werden. Laut der Tagesordnung auf der Seite der Stadt wurden die Abstimmungen über Jugendhilfearbeit aber vertagt. Für die Angestellten bleibt also vorerst offen, ob sie sich auf die Schließung im Juni vorbereiten müssen, oder darüber hinaus Jugendliche aus Magdeburg auf ihrem Weg unterstützen dürfen.

Leonard Schubert
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Leonard Schubert arbeitet seit Februar 2020 für MDR SACHSEN-ANHALT. Seine Interessensschwerpunkte sind Politik, Umwelt und Gesellschaft. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er beim Charles Coleman Verlag, für das Outdoormagazin Walden und beim ZDF.

Nebenher arbeitet er an seinem Masterabschluss in Friedens- und Konfliktforschung. Über den Umweg Leipzig kam der gebürtige Kölner 2016 nach Magdeburg, wo er besonders gern im Stadtpark unterwegs ist. In seiner Freizeit steht er mit großer Leidenschaft auf den Poetryslambühnen Sachsen-Anhalts oder sitzt mit einem Eisbärbier am Lagerfeuer, irgendwo in Skandinavien.

MDR/Leonard Schubert

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 09. September 2021 | 07:30 Uhr

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