Kritische FragenBundeskanzler Olaf Scholz in Magdeburg: So lief der Bürgerdialog
Der Bundeskanzer Olaf Scholz (SPD) war zum Bürgerdialog in Magdeburg. Im Moritzhof sprach er über eineinhalb Stunden mit den Menschen und stellte sich ihren Fragen. Themen waren etwa der Krieg in der Ukraine, Intel, Energie, Bildung, Renten und Löhne, Bürokratie und Fremdenhass. Dabei ging es durchaus kritisch zur Sache.
- Zahlreiche Menschen kamen, um Olaf Scholz im Moritzhof zu erleben und ihm Fragen zu stellen.
- Scholz präsentierte sich bürgernah und beantwortete etwa Fragen zum Krieg in der Ukraine, zur Energieversorgung, zu Intel, zu sozialen Themen und Bildung.
- Die Gäste waren sehr zufrieden mit dem Besuch des Kanzlers.
Der Moritzhof in Magdeburg ist gut gefüllt. Über 100 Menschen aus Magdeburg haben sich hier versammelt, um an diesem heißen Junitag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ins Gespräch zu kommen. Unter den Gästen befinden sich viele Mitglieder der SPD. Stadträte, Landtags- und Bundestagsabgeordnete sind anwesend. Aber auch viele Gewerkschaftler, Vorsitzende von Vereinen, Unternehmer und andere engagierte Magdeburger sind gekommen.
Die Gäste eingeladen hat Martin Kröber (MdB, SPD) aus Magdeburg. Die Veranstaltung ist nicht komplett offen ausgeschrieben, öffentliche Werbung gab es kaum.
Kröber begrüßt die Anwesenden, macht zusammen mit Stadträtin Konny Keune (SPD), Europawahl-Kandidaten Thomas Rieke (SPD) und der Landtagsabgeordneten Juliane Kleemann (SPD) Werbung für die anstehenden Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Die Stimmung ist wohlwollend, heiter, leicht gespannt – kein Vergleich zu der großen Unzufriedenheit, die Scholz und der SPD in Sachsen-Anhalt zuletzt zum Teil entgegenschlugen.
Kanzler präsentiert sich ruhig und nah
Dann geht ein kurzes Raunen durch die Mengen und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt mit einer alltäglich anmutenden Ruhe hinein, einen Blumenstrauß in der Hand. Er steht so selbstverständlich im Raum, dass die Szene auch aus einem Familienbesuch stammen könnte – wären da nicht die Personenschützer und Polizisten. Untermalt wird diese Stimmung von dem "Herzlich willkommen Olaf" durch Martin Kröber – in der SPD duzt man sich.
Direkt nach der Begrüßung geht es ans Eingemachte. Der Kanzler ist nicht gekommen, um eine Rede zu halten, sondern um Fragen zu beantworten. Und die haben die Magdeburger mitgebracht.
Krieg in der Ukraine
Eine der ersten Fragen behandelt ein Thema, das derzeit viele Menschen in Sachsen-Anhalt bewegt: Den Krieg in der Ukraine. Der Fragesteller möchte wissen, ob es Gespräche mit der russischen Regierung gibt und was die Bundesregierung dafür tut, dass sich der Krieg nicht auf Deutschland ausweitet.
Olaf Scholz antwortet mit, so scheint es, großer Routine. Er spricht leise, langsam, ruhig und verbindlich. Nimmt sich Zeit für die Antwort. Er sagt, er habe viele Gespräche mit dem russischen Präsidenten geführt und werde diese auch wieder aufnehmen, sobald dies sinnvoll erscheine. Egal wie die öffentliche Debatte laufe, er werde immer dafür einstehen, besonnen zu handeln, Risiken abzuwägen und mit Partnern zu sprechen.
Es gehe darum, die Ukraine gegen den russischen Eroberungskrieg zu unterstützen und gleichzeitig eine Eskalation und Ausweitung des Krieges auf die Nato oder Deutschland zu verhindern. "Frieden und Sicherheit in Europa haben allerhöchste Priorität", so Scholz. Dabei sei die wichtige Frage: Wie kommen wir aus dem Krieg raus? Der Weg aus dem Krieg sei nicht die Kapitulation der Ukraine.
Energie, Infrastruktur und Bürokratie
In den kommenden 90 Minuten ist immer wieder "Energie" ein großes Thema. Verschiedene Gäste fragen, wie die Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreiten könne. Es geht auch um die Frage, wie die Infrastrukturen bei akzeptablen Preisen rechtzeitig bereitgestellt werden können.
Olaf Scholz antwortet, um den Ausbau der Energieversorgung zu verbessern, habe man erstmal das nötige Tempo in die Prozesse bringen müssen. Dazu habe sich die Regierung massiv für Gesetzesänderungen eingesetzt, die entsprechende Planungsverfahren zu beschleunigen. Man sei nun bei dem Tempo angelangt, das nötig sei. "Wir arbeiten mit Hochdruck und vieles hat sich verbessert", so der Kanzler.
Insgesamt arbeite die Bundesregierung daran, ein Übermaß an Bürokratie abzubauen und es für viele Betriebe und Unternehmen leichter zu machen. Dies sei zwingend nötig, auch um beschlossene Maßnahmen umzusetzen.
Ja zu Intel, Nein zu Fremdenhass
Eine Frage zu Intel erntet großen Applaus im Moritzhof, denn Olaf Scholz verspricht, dass die Investitionen für die Halbleiterfabrik trotz verschiedener Schwierigkeiten kommen werden. Deutschland werden der größte europäische Halbleiterproduzent.
Haytham Alkadi, ursprünglich aus Syrien, erklärt, er sei 2015 nach Deutschland gekommen. Ihm und vielen Freunden werde häufig mit Hass begegnet. Er fragt, was der Kanzler dagegen unternehmen wolle.
Olaf Scholz antwortet, dass man nur gemeinsam gegen den Hass ankomme. Hierzu müssten alle zusammenhalten. Er sei sehr froh über die vielen Menschen, die nach Deutschland gezogen seien und maßgeblich zur wirtschaftlichen Stabilität beigetragen hätten.
Der Bundestagsabgeordnete Martin Kröber ergänzt: "Haytham, du bist ein Teil dieser Gesellschaft, du bist ein Teil dieser Gesellschaft, und du bist hier herzlich willkommen!" Donnernder Applaus aus dem Saal.
Soziale Themen: Wohnung, Armut, Rente
Weitere Fragen beschäftigen sich mit sozialen Themen. Mehrere Menschen rechnen Scholz vor, dass in Sachsen-Anhalt viele Kinder von Armut betroffen seien, dass Renten für das Leben nicht ausreichten, dass die Pflege nicht zu bezahlen sei.
Scholz antwortet ein entscheidender Weg, um Menschen aus der Armut zu bringen, sei ausreichend entlohnte Arbeit. Darum habe er sich für den Mindestlohn und dessen Erhöhung eingesetzt. Zudem habe man den Sozialstaat durch zahlreiche Maßnahmen gestärkt. Vielen Fragestellern gehen diese Antworten nicht weit genug. Mehrere setzen zu Nachfragen an – doch dafür ist keine Zeit.
Anuk aus Indien beklagt, dass es in Deutschland an vielen Orten einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum gibt – besonders für ausländische Studierende. Scholz bestätigt, dass mehr günstiger Wohnraum geschaffen werden müsse. Daran werde beständig gearbeitet. Finanzielle Mittel würden bereitgestellt, über 300.000 Wohnungen seien gebaut worden. Von der Bauministerin gebe es das Förderprogramm "Junges Wohnen". Man arbeite daran, das Problem zu lösen. Leider ginge dies nicht über Nacht.
Bildung und Jugend
Ein großes Thema beim Dialog mit Olaf Scholz an diesem Nachmittag ist immer wieder das Thema Bildung. Magdeburger stellen Fragen zum Lehrermangel, zu Investitionen in Schulen und Berufsschulen, zur Verbesserung der Ausbildungsbedingungen im Handwerk.
Scholz erklärt, dass viele Entscheidungen im Bildungssektor auf Landesebene getroffen werden. Um die Länder dabei besser durch den Bund unterstützen zu können, habe man sogar die Verfassung geändert. Insgesamt müsse mehr in Bildung investiert werden – und dies geschehe auch bereits. Wichtig sei es, genug Stellen zu schaffen und gleichzeitig genug Lehrkräfte zu werben. Die sei eine große Herausforderung.
Gäste dankbar über Besuch des Kanzlers
Etwa eineinhalb Stunden wandert Scholz durch den Raum, schaut die Menschen an, hört zu. Scholz ist Rhetorik-Profi. Er spricht zu allen Fragen souverän, aber nicht alle beantwortet er für die Fragenden in ausreichendem Maße. Manche bleiben danach etwas enttäuscht sitzen, hätten sich konkretere Antworten gewünscht. Aber diskutieren geht nicht, aus Zeitgründen.
Dann muss Scholz weiter, zu seinem nächsten Termin in Leipzig. Bevor er abreist nutzen viele Anwesende die Gelegenheit, Fotos mit dem Kanzler zu machen.
Zwar konnte der Bundeskanzler nicht zu allen kommunalen Themen Lösungen versprechen und einige Antworten dürften dem ein oder anderen aus Bundestagsdebatten oder Erklärungen bekannt gewesen sein. Trotzdem sind die meisten froh über den Besuch und die Möglichkeit, mit ihm und dem Bundestagsabgeordneten Martin Kröber direkt sprechen zu können.
"Mit der Antwort zum Zusammenhalt habe ich gerechnet" sagt etwa Haytham Alkadi nach der Veranstaltung. "Er kann als Kanzler nicht auf jede einzelne Frage ausführlich eingehen. Aber ich bin sehr zufrieden. Es war super, dass er da war und sich für uns Zeit genommen hat."
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MDR (Leonard Schubert)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Juni 2024 | 19:00 Uhr
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