Viele Einrichtungen geschlossen Tausende bei Kita-Aktionstag in Magdeburg – Landtag debattiert über Personalschlüssel
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20. September 2024, 16:18 Uhr
Beschäftigte in Sachsen-Anhalts Kitas sind überdurchschnittlich oft krank, der Personalschlüssel ist mit der schlechteste in Deutschland. Auf dem Domplatz in Magdeburg haben deshalb Tausende für bessere Bedingungen in der Kinderbetreuung protestiert. Einige Kitas und Horte im Land blieben geschlossen. Im Landtag fand parallel dazu eine Debatte statt.
- Auf dem Magdeburger Domplatz hat ein Kita-Aktionstag stattgefunden. Die Teilnehmenden fordern bessere Bedingungen in der Kinderbetreuung.
- In Sachsen-Anhalt werden zwar vergleichsweise viele Kinder betreut, allerdings ist der Personalschlüssel im Krippenalter am höchsten.
- Über das Thema wurde parallel dazu im Landtag diskutiert. Ministerin Grimm-Benne verwies auch auf Probleme durch den Fachkräftemangel.
Auf dem Magdeburger Domplatz hat am Freitag ein Kita-Aktionstag stattgefunden, zu dem unter anderem eine Initiative aus Kita-Trägern und die Gewerkschaft GEW aufgerufen haben. Nach Polizeiangaben kamen 2.000 bis 3.0000 Menschen zusammen. Erzieherinnen und Erzieher sowie Eltern und Kinder wollen mit der Aktion auf die schwierigen Arbeitsbedingungen in Sachsen-Anhalts Kindertagesstätten aufmerksam machen. Sie fordern unter anderem einen besseren Personalschlüssel und warnen vor Kürzungen.
Zahlreiche Einrichtungen geschlossen
Infolge des Aktionstages blieben einige Einrichtungen heute geschlossen. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT waren allein in Magdeburg ein Drittel aller Einrichtungen zu. Auch Kitas und Horte in Halle, Gardelegen und Salzwedel beteiligten sich am Aktionstag.
Erzieherin: Geburtenrückgang für besseren Personalschlüssel nutzen
Zum Aktionstag in Magdeburg gekommen ist auch Erzieherin Jana Neumann-Höfer. Sie sagte MDR SACHSEN-ANHALT, der Personalschlüssel gehe nur auf, wenn keiner aus dem Team krank, im Urlaub oder bei einer Fortbildung sei. In einer Magdeburger Kita betreue sie mit zwei Kolleginnen und Kollegen eine Gruppe von 30 Kindern. So kommen auf einen Erzieher zehn Kinder – theoretisch. In der Praxis könne man infolge von Personalengpässen aber "an einer Hand abzählen, an wie vielen Tagen wir hier auch wirklich zu dritt arbeiten können", sagt Neumann-Höfer.
Dass zukünftig aufgrund von Geburtenrückgängen weniger Kinder in den Kitas betreut werden müssen, betrachtet sie als Chance. Und sie wünscht sich von Verantwortungsträgern im Land, "genau diese Situation zu nutzen und Personal nicht zu entlassen, sondern endlich den Personalschlüssel auch den neuen Herausforderungen und den Gegebenheiten anzupassen".
Sachsen-Anhalt mit bundesweit schlechtestem Personalschlüssel
Laut Statischem Landesamt hat Sachsen-Anhalt neben Mecklenburg-Vorpommern den höchsten Personalschlüssel bei der Kinderbetreuung. Das heißt: Ein Erzieher oder eine Erzieherin muss hier mehr Kinder betreuen als in anderen Bundesländern. Im Schnitt kommen 5,7 Krippenkinder auf eine Erzieherin oder einen Erzieher (Stichtag: 1. März 2023).
Sachsen-Anhalt zählt dabei zu den Ländern mit der höchsten Betreuungsquote in Deutschland. Von den Kindern unter drei Jahren wurden zum Stichtag 59 Prozent in einer Kita betreut.
Landtag: Linke fordert, bestehendes Personal zu halten
Parallel zum Aktionstag auf dem Domplatz fand im Landtag auf Antrag der Linksfraktion eine Debatte zur Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt statt. Die Linken-Abgeordnete Nicole Anger erklärte, der Personalschlüssel und die Betreuungsqualität in Kitas müsse verbessert werden. Sie verwies auf die hohe Arbeitsbelastung und den hohen Krankenstand des Personals.
Durch die zuletzt sinkenden Geburtenzahlen könne sich die Situation verbessern, so Anger. Dafür müsse bestehendes Personal gehalten werden. Ab 2026 solle der Personalschlüssel dann anhand wissenschaftlicher Empfehlungen sukzessive verbessert werden. Sie betonte, gute Kinderbetreuung sei etwa für die Attraktivität des ländlichen Raums ein entscheidender Faktor.
Ministerin: Fachkräftemangel erfordert gezielten Einsatz
Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erklärte, das Land tue bereits sehr viel für eine gute Kinderbetreuung. Man sehe die hohe Arbeitsbelastung und setze "gezielt mehr Personal dort ein, wo der Schuh besonders drückt". Sie verwies auch auf den Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund könne man nicht mit der Gießkanne agieren, sondern müsse gezielt vorgehen.
Der CDU-Abgeordnete Tim Teßmann sagte, man brauche Ressourcen, um die Betreuungsqualität zu erhöhen. Der Geburtenrückgang sei dafür eine Chance. Teßmann verwies darauf, dass man Rekordsummen für das Kinderförderungsgesetz ausgebe, bei allen Beteiligten aber dennoch ein hoher Frust vorhanden sei.
Grüne: "Kitas sind nicht die Spardose der Nation"
Auch die Grünen-Abgeordnete Susan Sziborra-Seidlitz betonte, angesichts des Geburtenrückgangs könne es positive Effekte bei der Kinderbetreuung "quasi zum Nulltarif" geben. Sie erklärte: "Die Kitas sind nicht die Spardose der Nation."
Der FDP-Abgeordnete Konstantin Pott verwies darauf, dass Sachsen-Anhalt mit Blick auf die hohe Betreuungsquote eine Vorreiterrolle einnehme. Es müsse nun aber darum gehen, einen besseren Personalschlüssel durchzusetzen und damit die Qualität zu erhöhen.
Die AfD sprach sich ebenfalls für bessere Bedingungen in Sachsen-Anhalts Kitas aus. Der Abgeordnete Gordon Köhler erklärte, die Probleme seien nicht neu, bisherige Maßnahmen hätten nichts bewirkt. Man brauche eine "proaktive Familienpolitik", so Köhler.
MDR (Felix Fahnert, Engin Haupt, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 20. September 2024 | 19:00 Uhr
Horst vor 2 Wochen
"wie viele Monate arbeitet der Leistungsträger mittlerweile für den Staat?"
Keine Ahnung. Wie ist den Leistungsträger definiert? Zählen Kita-Erzieher dazu?
elbcom vor 2 Wochen
Und warum ist die Arm-Reich-Schere seit Jahrzehnten immer weiter auf gegangen? Übrigens gab es in den 90ern noch sowas wie eine Vermögenssteuer, heute nicht.
ria vor 3 Wochen
Jetzt würde mich doch echt mal interessieren bei wem Sie die Kompetenz sehen dies zu ändern? Wie gesagt die Steuereinnahmen sind auf einem historischen Höchststand und doch kommt die Regierung sei es im Bund oder im Land mit dem Geld nicht aus.