Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Interview über das BewerbungsbuchSo startet Magdeburg in die zweite Runde um den Kulturhauptstadt-Titel

21. September 2020, 10:41 Uhr

Am Montag wird in Magdeburg das neue Bewerbungsbuch, das sogenannte Bidbook, für den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" vorgestellt. Eine Projektkoordinatorin hat MDR SACHSEN-ANHALT vorab erzählt, wie das neue "Bidbook" aussieht, wie Magdeburg europäischer werden kann und warum tolle Sehenswürdigkeiten kein Wettbewerbsvorteil sind.

Julia Figdor ist Projektkoordinatorin im Bewerbungsbüro Kulturhauptstadt Magdeburg 2025. Bildrechte: MDR/Julia Heundorf

Vor etwa einem Jahr reichte Magdeburg offiziell die Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025 ein. Im Dezember 2019 verkündete die Jury, dass Magdeburg es in die Vorauswahl geschafft hat. Am Montag stellt das Team des Bewerbungsbüros das zweite "Bidbook" vor. Im Oktober wird die Jury verkünden, welche deutsche Stadt im Jahr 2025 Europäische Kulturhauptsadt sein wird.

Julia Figdor, Projektkoordinatorin im Bewerbungsbüro Kulturhauptstadt Magdeburg 2025, hat MDR SACHSEN-ANHALT vorab erzählt, wie das neue "Bidbook" aussieht, wie Magdeburg europäischer werden kann und warum tolle Sehenswürdigkeiten kein Wettbewerbsvorteil sind.

MDR SACHSEN-ANHALT: Was ist das Bidbook?

Julia Figdor: Im Prinzip ist das Bidbook ein Fragenkatalog der EU, den alle Bewerberstädte beantworten müssen. Das sind über 40 Fragen, etwas mehr als im ersten Bewerbungsbuch. Und die müssen auch alle beantwortet werden.

Die Einstiegsfrage ist, wie sich das Konzept der Bewerbung verändert hat im Vergleich zum ersten Bidbook. Was hat sich im Konzept weiterentwickelt? Dann gibt es Fragen zu der Managementstruktur der zukünftigen Kulturhauptstadt, zum künstlerischen und kulturellen Programm, zur europäischen Dimension unseres Projektes.

Und: Wie möchte eigentlich die Kulturhauptstadt die Menschen ansprechen und mitnehmen? Wie werden Kinder und Jugendliche angesprochen und mit einbezogen, wie die Bevölkerung? Wie interessiert man Menschen, die eher kulturfern sind für die Bewerbung? Der Anspruch für die Kulturhauptstadt ist, so viele Menschen wie möglich in dieses Projekt mit einzubeziehen und an Kunst und Kultur teilhaben zu lassen.

Dass Magdeburgs Bewerbung europäischer werden muss, war Teil des Feedbacks der Jury bei der ersten Vorauswahl. Wie wird das aussehen?

Einmal auf der Projektebene: Wir müssen für das künstlerische und kulturelle Programm Projekte entwickeln. Im Grunde genommen ist es so, dass diese Projekte einmal mit lokalen und nationalen Partnerinnen umgesetzt werden sollen, wir aber auch immer internationale Partner dabei haben.

Das heißt, man hat ein Projekt zu einem Thema, das zum Beispiel von lokalen Künstlerinnen, aber auch internationalen Künstlerinnen bearbeitet und umgesetzt wird. Der Sinn dieser Kulturhauptstadt ist, dass man nicht einfach innerhalb der Stadt etwas macht, sondern dass man die Stadt mit Europa verbindet. Das passiert auf der Ebene der Projektakteure.

Das heißt, das Konzept ist eher, wir holen Europa her für Projekte, als raus zu gehen?

Genau. Dann gibt es aber auch noch die Ebene der Themen. Welche Themen haben wir, von denen wir denken, dass sie wichtig für Europa sind?

Das ist zum Beispiel unser kulturelles Erbe, wie das Magdeburger Recht, das wir auf unser zukünftiges Leben oder derzeitiges Leben interpretieren. Da geht es ja um die Fragen der Bürgerrechte: Was bedeutet Freiheit, was bedeutet Demokratie? Und das sind ja gerade Themen, die in Europa, auch jetzt gerade im Anblick der aktuellen Ereignisse in Osteuropa, durchaus drängend sind.

Julia Figdor, Projektkoordinatorin der Kulturhauptstadt-Bewerbung

Das ist aber nur ein Beispiel. Wir haben auch die Magdeburger Moderne der 1920er-Jahre, die zwar hier sehr kurz war, aber doch sehr interessant im Hinblick auf heutige Fragen, nämlich: Wie möchte man eigentlich zusammenleben in Städten? Die Magdeburger Moderne war ja nicht nur Kunst und Design, sondern hat sich auch Gedanken gemacht, wie urbanes Leben aussehen könnte und wie städtisches Leben zusammengeht mit Kunst und Kultur.

"Es hängt nicht an Sehenswürdigkeiten", sagt Julia Figdor über die Bewerbung für den Titel Kulturhauptstadt. Bildrechte: MDR/Julia Heundorf

Beim letzten Bidbook gab es noch das Motto "Out of the Void", jetzt "Force of Attraction". Was bedeutet das?

Auf deutsch heißt das Anziehungskraft. Wir bleiben Otto von Guericke treu. Schon das erste Motto wurde ja von Otto von Guericke inspiriert. Und im Vergleich zum ersten Buch kann man "Force of Attraction" als eine Weiterentwicklung des Konzepts ansehen.

Wir wollen im zweiten Buch von den Problemen, die wir im ersten Buch identifiziert haben, auf die Lösungen gehen und der Jury beschreiben, wie wir diese Herausforderungen angehen möchten mit dem Titel der Kulturhauptstadt. Es ist eine positive Wendung und eine Vision, die wir der Jury jetzt präsentieren.

Was heißt das konkret?

Ein Beispiel für die Weiterentwicklung: Ein Kritikpunkt der Jury war, dass wir im ersten Bidbook doch sehr viele "voids" [Anmerkung der Redaktion: Leerräume, im übertragenen Sinn] beschrieben haben. Und da haben wir uns jetzt auf drei konzentriert. Erstens der fehlende gesellschaftliche Zusammenhalt.

Dazu haben wir Projekte entwickelt, die es den Magdeburgerinnen und Magdeburgern ermöglichen selbst mitzugestalten, sich mit ihren Geschichten und Ideen einzubringen. Wir ermöglichen Begegnungen zwischen den Generationen, aber auch zwischen alten und neuen Bürgerinnen und Bürgern. Und das fördert ein Bewusstsein, hoffen wir, für Verantwortung. Einmal dem Menschen, der einem gegenübersteht, aber auch für die Stadt und Europa.

Das zweite "void", das wir identifiziert haben, ist die fehlende Urbanität. Wir haben es so beschrieben: Wenn man neu in die Stadt kommt, fragt man sich, wo die Innenstadt ist und wo die Menschen sind.

Wir haben entdeckt, dass die 20er-Jahre, da sehr weit voraus gedacht haben, wie man das gestalten kann. Also wie können Plätze belebt werden, so gestaltet werden, dass sich die Menschen dort wohlfühlen.

Und das dritte "void" war das fehlende kulturelle Profil. Die Stadt hat eine starke Transformation durchgemacht. Sie hat sich von einer Stadt des Schwermaschinenbaus in eine Stadt der Wissenschaft entwickelt. Die Verbindung Technologie und Wissenschaft mit Kunst und Kultur fördern wir deshalb in unseren Projekten, um dieses Profil weiter zu stärken.

Am Montag wird das Bidbook vorgestellt, in einem Monat fällt die Entscheidung. Wie geht es weiter hier im Bewerbungsbüro?

Wir haben noch zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen. Das Bewerbungsbuch war die erste Etappe, jetzt kommt der Jurybesuch. Aufgrund von Corona wird der digital stattfinden. Das ist natürlich etwas vollkommen anderes. Wenn Sie in eine Stadt kommen und spazieren oder mit dem Auto durchfahren, dann nehmen Sie sehr viel von einer Stadt auf und das fällt nun leider weg.

Kennen Sie die Bidbooks von den anderen?

Da haben wir reingeguckt, klar. Mehr aus Interesse als im Sinne des Konkurrenzdenkens. Ich bin der Meinung, dass es in diesem Wettbewerb keine Konkurrenten gibt. Das Ziel ist, dass die Stadt ein Konzept finden muss, was zu ihr passt. Natürlich gibt es bestimmte Ähnlichkeiten, aber das ist es ja auch, was europäische Kulturhauptstädte miteinander verbindet.

Es gibt Städte, die eine bestimmte Geschichte haben, die mit den selben Problemen zu kämpfen haben. Wenn wir jetzt sagen, Magdeburgs Problem ist die fehlende Innenstadt, dann finden wir in Europa einige Städte, die ebenfalls dieses Problem haben. Aber das ist genau der Anknüpfungspunkt, was dann die Kulturhauptstadt ermöglichen kann: Dass diese Städte sich in einen Austausch begeben und gemeinsam nach Lösungen suchen.

Wenn eine deutsche Stadt ein ähnliches Profil hat wie Magdeburg, dann ist es ja bedingt durch bestimmte Entwicklungen, die ähnlich sind. Aber die Lösungsansätze sind dann vielleicht ganz anders, weil die Städte sich anders orientieren möchten für das, was sie eigentlich für sich in Zukunft planen. Und das muss jede Stadt für sich selber herausfinden und dann auch überzeugend präsentieren und beweisen, dass sie es umsetzen kann.

Was ist – für Sie persönlich – das Wertvollste, was Magdeburg hat?

Dass Magdeburg das Potenzial hat, sich noch weiter zu entwickeln und dafür eine Vision hat.

Ich dachte eher an einen Ort, etwa den Dom?

Darum geht es nicht in dieser Bewerbung. Es hängt nicht an Sehenswürdigkeiten. Es geht darum, wo man hin will und wie man das erreichen möchte.

Die Fragen stellte Julia Heundorf.

Mehr zum Thema

Quelle: MDR/jh

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 21. September 2020 | 13:40 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen