"Das rollende Tamburin" Was zeigt Performance-Künstlerin Nevin Aladağ im Kunstmuseum Magdeburg?
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09. November 2024, 11:00 Uhr
Die Bildhauerin und Performance-Künstlerin Nevin Aladağ hat schon auf der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig für Aufsehen gesorgt. Nun zeigt das Kunstmuseum Magdeburg aktuelle Werke von ihr. In ihnen verbindet Aladağ Klang, Installation, Video und Performance miteinander und stellt – oft auf spielerische Weise – Fragen nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Fortführen von Traditionen.
- Die Künstlerin Nevin Aladağ bringt in ihren Videos urbane Landschaften zum Klingen.
- Für das Kunstmuseum Magdeburg hat sie eigens eine Rauminstallation angefertigt.
- Mit ihren Arbeiten stellt Nevin Aladağ Fragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Fortführen von Traditionen.
Unerwartet, witzig und geradezu fantastisch: Da wird eine Trommel auf der Straße von Wassertropfen gespielt, da rollt ein Tamburin plötzlich durch eine rote Wüste oder eine Querflöte wird aufs Autodach geschnallt und seufzt durch den Fahrtwind. Die Bildhauerin und Performance-Künstlerin Nevin Aladağ hat in ihren Videos, die nun im Kunstmuseum Magdeburg zu sehen sind, urbane Landschaften zum Klingen gebracht – in Berlin und Stuttgart, aber auch in Sharjah in den Arabischen Emiraten.
"Ich habe die Instrumente vor Ort recherchiert", sagt Aladağ. "Es waren hauptsächlich perkussive Instrumente, die aus dem Iran, Irak, Pakistan stammten, aus den Orten, wo auch die Arbeiter-Migranten in den Emiraten herstammten." Diese Instrumente habe sie dann von der Stadt bespielen lassen, sagte die Künstlerin weiter: "Diese Instrumente repräsentieren die Einwohner in der Stadt. Und gleichzeitig musizieren sie auch auf ihre sehr eigenständige, autonome Art und Weise in dieser Stadt."
Rauminstallation für das Kunstmuseum Magdeburg
So schafft Aladağ, die 1972 in der Türkei geboren und in Stuttgart aufgewachsen ist, eine unerwartete Verbindung zwischen Musik und Urbanität, Kunst und Gesellschaft, sagt Kurator Benedikt Seerieder. In diesem Sinn sieht er auch die extra für das Magdeburger Kunstmuseum entstandene Rauminstallation.
Seerieder berzeichnet die Installation als "klingenden Raum", den er wie folgt beschreibt: "An allen Wänden befinden sich unterschiedliche skulpturale bildartige und zugleich musikalische Werke. Da findet sich ein Glockenspiel, das zugleich eine Skulptur ist. Daneben ein mehrteiliges Werk, das aus Trommeln besteht, die aber zugleich modernistische Formen, wie Dreieck, Kreis oder Quadrat aufgreifen."
Gegenüber seien dann ihre sogenannten "Social Fabrics" platziert, fährt der Kurator fort: "Das sind Collagen, die sich aus unterschiedlichen Teppich-Fragmenten zusammensetzen, sodass dieser Raum eben sowohl visuelle Melodien, aber auch akustische Melodien vermittelt."
Kunst und Politik im Werk von Nevin Aladağ
Zu sehen sind auch metergroße Kupferplatten, die wie ein abstraktes Relief zusammengefügt an der Wand hängen. Sie sind bei einer Performance auf der Biennale in Venedig entstanden. Dort tanzten sieben Frauen auf den Kupferblechen nach Songs, die man nicht hört, aber deren Titel auf ihren T-Shirts abgedruckt sind.
Wenn Frauen sich den öffentlichen Raum aneignen, um dort zu tanzen, ist das eine politische Geste.
"Man hört allerdings, wie die Frauen mit ihren Stiletto-Schuhen auf das Kupfer eintreten und somit eine Prägung dieses Liedes, den Ausdruck ihres Tanzes, auf diesen jeweiligen Kupferplatten hinterlassen", sagt Nevin Aladağ zu ihrem Werk.
So kann man die Stilettos, also die hochhackigen Schuhe, als Werkzeug oder als Waffen begreifen. Und nicht nur darin erkennt man wiederum eine politische Implikation. "Was bedeutet es, wenn Frauen sich den öffentlichen Raum aneignen, um dort zu tanzen?", fragt Kurator Benedikt Seerieder, um dann zu antworten: "Das ist eine politische Geste und natürlich auch ein Plädoyer für ein offenes und freudvolles Zusammenleben."
Zur Person Nevin Aladağ wurde 1972 in der Türkei geboren und ist in Stuttgart aufgewachsen. Bekannt wurde sie durch ihre Beiträge zur documenta 14 und der 57. Venedig-Biennale. Ihre Arbeiten sind in renommierten internationalen Sammlungen vertreten und werden regelmäßig in Ausstellungen und Biennalen weltweit gezeigt. Nevin Aladağ lebt heute in Berlin. Seit 2019 ist sie Professorin für interdisziplinäres künstlerisches Arbeiten an der Hochschule für Bildende Künste Dresden.
Traditionen mit Humor hinterfragen
Immer wieder nimmt Aladağ dabei das Randständige in den Fokus und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf soziale Prozesse und gesellschaftspolitische Themen – aber das eben nicht vordergründig, sondern spielerisch witzig in ihrer ganz eigenen Sprache.
Nevin Aladağ betont, dass für sie der Zugang zu einem Thema wichtig sei. Die Fragen, die sie sich stellt, umreißt sie so: "Wie leben wir in einer Gesellschaft zusammen? Was verbindet uns, was trennt uns nach wie vor? Welchen Dialog können wir starten? Wie können wir Tradition verändern, neu formulieren?"
Und tatsächlich, so verrückt, poetisch und musikalisch die Arbeiten daherkommen, so wirkmächtig sind sie: Sie schärfen die Sinne, fordern Gedanken heraus und machen einfach Spaß.
Infos zur Ausstellung
Nevin Aladağ: "Das rollende Tamburin"
10.11.2024 bis 09.02.2025
Kunstmuseum Magdeburg Kloster Unser Lieben Frauen
Regierungsstr. 4-6
39104 Magdeburg
Öffnungszeiten:
montags geschlossen
Dienstag bis Freitag - 10 bis 17 Uhr
Sonnabend und Sonntag - 10 bis 18 Uhr
Feiertagsreglung:
24.12., 25.12., 31.12. geschlossen, 1.1. ab 13 Uhr geöffnet
Quellen: MDR KULTUR (Sandra Meyer), Kunstmuseum Magdeburg; redaktionelle Bearbeitung: td, lk
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 10. November 2024 | 13:15 Uhr