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Protest vorm LandtagWut und Enttäuschung: Warum Lehrer in Magdeburg auf die Straße gehen

14. Februar 2023, 11:55 Uhr

Vor dem Landtag in Magdeburg haben am Montagnachmittag etwa 1.000 Lehrerinnen und Lehrer gegen die Beschlüsse des Bildungsgipfels protestiert. Viele sind wütend über die verkündeten Regelungen, die eine Stunde Mehrarbeit pro Woche vorsehen. Sie fühlen sich übergangen und fordern Entlastungen und Dialog. Eine Reportage vor Ort zeigt, wieso Lehrerinnen und Lehrer gegen die Mehrarbeit sind.

Die Wut ist zu spüren bei den Lehrerinnen und Lehrern, die sich am Montagnachmittag auf dem Domplatz in Magdeburg versammelt haben. Nach Schätzungen von MDR SACHSEN-ANHALT sind etwa 1.000, nach Polizeiangaben sogar bis zu 2.500 Menschen gekommen, um sich mit Trillerpfeifen, Ratschen, Schildern und lauten Rufen Gehör zu verschaffen. "Stunden runter, Bildung rauf" ist auf vielen Schildern zu lesen.

Die versammelten Lehrkräfte protestieren gegen einen Beschluss des Bildungsministeriums, der vorsieht, dass Lehrerinnen und Lehrer künftig eine Stunde mehr pro Woche arbeiten sollen. Die Maßnahme wurde kürzlich auf dem Bildungsgipfel beschlossen, um den Lehrermangel in Sachsen-Anhalt zumindest teilweise zu kompensieren. Zu den Protesten dagegen aufgerufen hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Wut über fehlenden Dialog und Mehrbelastung

Die anwesenden Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich übergangen und ausgebeutet. Sie sind wütend über die Entscheidung. Viele sagen, die Lehrkräfte an Schulen seien ohnehin oft überlastet und setzten trotzdem seit Jahren ihre ganze Kraft ein, um einen guten Unterricht zu gewährleisten und den durch die Politik verschuldeten Lehrermangel auszugleichen.

GEW-Landeschefin Eva Gerth fordert, man müsse sich gegen die Erhöhung der Arbeitszeit wehren. "Wir zeigen der Landesregierung mit dieser Kundgebung, dass wir keine Lust haben, die Ergebnisse der ganzen verfehlten Personalpolitik der vergangenen Jahre auf unserem Rücken wegzutragen."

Ähnlich enttäuscht äußern sich anwesende Lehrerinnen und Lehrer. "Wir haben schon vor zehn Jahren vor dem Lehrermangel gewarnt. Da ist nichts passiert. Das ist schlichtweg schäbig, dass man diejenigen, die dafür gar nichts können, jetzt dafür bluten lässt", sagt Ingo Dossmann, Schulleiter und Mitglied im Landesvorstand der GEW.

Land läuft Gefahr, junge Lehrerinnen und Lehrer zu verprellen

Besonders enttäuscht sind viele davon, dass sie sich übersehen und überhört fühlen. "Ich hätte mir beim Bildungsgipfel einen Dialog gewünscht und nicht einen Monolog", sagt Ingo Dossmann. Statt die Lehrkräfte mehr Stunden pro Woche arbeiten zu lassen, hätte er andere Maßnahmen sinnvoller gefunden. Etwa bessere und attraktivere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und eine Reduktion des bürokratischen Aufwands. Auch eine bessere Bezahlung fordern viele.

Der junge Lehrer Daniel Straub sagt: "Ich glaube, diese Variante, die jetzt gewählt worden ist, ist nicht zielführend." Er wolle vernünftigen Unterricht machen, der die Schüler begeistert. Dies sei unter den aktuellen Bedingungen bald nicht mehr möglich. Und dann spricht er aus, was viele junge Lehrerinnen und Lehrer an diesem Tag sagen: "Ich meine, auf Dauer muss ich nicht in Sachsen-Anhalt bleiben, sonst gehe ich anderswo hin."

Fachkräfte halten, Dialog führen

Dass zu viele Lehrkräfte abwandern und wegen der Zusatzbelastung noch mehr in Teilzeit gehen werden, befürchten auch andere Demonstrationsteilnehmer. Vor allem um den Nachwuchs müsse man sich besser kümmern. "Wir müssen das Abwandern der Studierenden aufhalten. Damit wäre viel getan. Und damit, den Studierenden das Ganze attraktiver zu machen und sie in die Schulen mit reinzuholen, statt der oft sehr theoretischen Ausbildung", sagt die junge Lehrerin Julia Triebel.

Von der Kundgebung erhoffen sich die GEW und die Teilnehmenden, dass die Landesregierung die Signale hört und ihre Entscheidungen in einem konstruktiven Austausch überdenkt. Die aktuellen Entscheidungen seien jedenfalls nicht tragbar.

Bildungsministerin Feußner bedauert Unverständis

Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) stellte sich der Wut der Lehrerinnen und Lehrer auf der Kundgebung nicht. Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT äußerte sie sich enttäuscht angesichts der Proteste. "Es ist sehr bedauernswert, dass man kein Verständnis dafür [Anm. d. Red: die zusätzliche Stunde] aufbringt als Lehrkraft, weil es um unsere Schülerinnen und Schüler geht."

Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) bedauerte das Unverständnis der Lehrkräfte für die neue Regelung. (Archivbild) Bildrechte: dpa/picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Christian Modla

Sie betonte, die geplante Stunde sei keine zusätzliche Arbeitszeit, sondern lediglich eine Verlagerung der Arbeitszeit. Lehrerinnen und Lehrer könnten sich diese Stunde auf einem Arbeitszeitkonto gutschreiben und später in Freizeit abgelten. Gegenüber den Forderungen der GEW sieht sie wenig Spielraum für Kompromisse.

So geht der Streit zwischen Lehrerinnen und Lehrern und dem Bildungsministerium in die nächste Runde. Die GEW ruft zu einer weiteren Kundgebung am Dienstag auf dem Marktplatz in Halle auf.

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MDR (Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 13. Februar 2023 | 19:00 Uhr

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